Messe-Spektakel am Vorabend der IAA:Der Autobranche fehlt die Orientierung

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Viel Lärm um wenig: Mercedes lädt am Vorabend der IAA 2013 in die Frankfurter Festhalle

(Foto: STG)

Ein bisschen öko, ein bisschen emotional, ein bisschen altbacken: Vor allem deutsche Hersteller veranstalten am Vorabend der IAA ein Riesenspektakel. Der Aufwand dafür ist riesig - die Neuheiten eher enttäuschend. Ein Rundgang.

Von Stefan Grundhoff, Frankfurt

Die Leistungsschau unter dem Messeturm ist seit Jahrzehnten der Pulsmesser der europäischen Automobilindustrie, der deutschen Wirtschaft und der ganzen Autoszene. Die vielen Marken des Volkswagen-Konzerns locken so viele Interessierte an, dass VW auch am Main seine eigene Messe am Vorabend veranstaltet. Deren Inhalte mit Modellen von Seat, Audi, Volkswagen, Lamborghini, Bugatti, Skoda oder Bentley wäre vor ein paar Jahren gut genug für eine eigene Automesse mittlerer Größe gewesen. Der Wolfsburger Finanzaufwand dafür erscheint riesig.

Hersteller wie Mercedes, Ford oder BMW lassen es ein paar Nummern kleiner angehen. BMW setzt ebenso wie Ford am Vorabend auf Gespräche mit Experten und Vorstand. Mercedes versucht derweil den Auftritt der Elektro-Neuheiten BMW i3 und i8 vorab mit der elektrisierten B-Klasse zu kontern. "Alle wollen hier etwas Grün sein", sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche.

Da sorgt der erste Auftritt des Smart Fourjoy für mehr Applaus, zeigt er in einer langen Reihe von namenlosen Smart-Studien den ersten realen Ausblick auf die nächste Smart-Generation, die im kommenden Herbst auf dem Pariser Automobilsalon ihre Premiere feiert.

Crossover-Konzeptfahrzeug von Jaguar

Vorabend-Studien gibt es auch bei Kia oder Jaguar zu bewundern. Kia lässt einen mit dem Niro in die Kompaktklasse von morgen blicken; Jaguar zeigt einem kleinen Publikum vorab, wie ein sportlicher Crossover ab 2016 aussehen könnte.

Augenscheinlich fehlt der Autobranche die Orientierung. Ein bisschen öko, etwas Sportlichkeit und viel Emotionalität sind gefragt, doch natürlich mit besonderer Nachhaltigkeit - so will es die IAA bereits am Vorabend vermitteln.

Auch neue Segmente zeigen die Hersteller. Bestes Beispiel ist die Konzeptstudie des Audi Nanuk, einer Mischung aus einem Hochleistungssportler und einem SUV. Darin verbaut Audi einen V10-Turbodiesel, den der Volkswagen-Konzern an sich erst kürzlich aus dem Programm genommen hat. Wer soll daraus schlau werden?

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Hinterlässt viele Fragen: das Konzeptfahrzeug Audi Nanuk am Vorabend der IAA 2013.

(Foto: STG)

Realitätsnäher sind da das Sport Quattro Concept; ein bulliges Sportcoupé mit Rallye-Genen - ebenfalls aus dem Hause Audi. 700 Hybrid-PS, Allradantrieb und eine stimmige Optik kennzeichnen den Ingolstädter.

Viel Blingbling, wenig Zukunftstechnik

Das Thema Zukunftstechnik ist auf der Automesse eher im Hintergrund. Zu viele Kameras lichten glitzernde Boliden, tief dekolletierte Messemodels und applaudierende Konzernvorstände ab. So rutscht eine interessante Studie wie der Mercedes S 500 Intelligent Drive, die vollautomatisch durch die Gegend fährt, ins zweite Glied. Den SUV-Hoffnungsträger GLA enthüllt Mercedes erst auf der Messe selbst. Echte Modellneuheiten fehlen ebenso wie bei den meisten Konkurrenten. Stattdessen beschwört Dieter Zetsche bei der elektrischen B-Klasse den Erfindergeist von Tesla-Chef und Kooperationspartner Elon Musk. Es hat Zeiten gegeben, da war Daimler stolz auf seinen eigenen Erfindergeist. Derweil will Smart-Chefin Anette Winkler die Smart-Idee als Erfolgsgeschichte verkaufen. Die Realität sieht seit Jahren anders aus und eine neue Serienversion ist längst überfällig.

BMW zeigt am Vorabend der Internationalen Automobil Ausstellung nicht einmal seinen neuen X5. Er steht am ersten Messetag neben dem Elektro-Cityflitzer BMW i3 und dem Ökosportler BMW i8.

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Immer wieder montags Seat Leon ST am Vorabend der IAA

(Foto: STG)

15 Minuten von der Frankfurter Festhalle entfernt rollt in der Ballsporthalle beim Volkswagen-Konzernabend der Seat Leon ST auf die Bühne, der mit sehenswertem Design und einem üppigen Ladevolumen von bis zu 1470 Litern einen guten Eindruck hinterlässt. Nicht weniger Platz bietet der insbesondere für den VW Golf gefährliche Skoda Rapid Spaceback oder der VW Golf Sportsvan, der den altbackenen Golf Plus ablösen wird.

All diese Autos werden bald im Handel um die Gunst der Käufer werben. Der Vorabend der IAA ist kein visionäres Messevorspiel - bei keinem Autobauer. Wenigstens bedeutet das auch: Eine Handvoll Neuheiten gibt es doch erst auf der IAA selbst zu bestaunen.

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