Süddeutsche Zeitung

Mercedes Viano:Großprojekt mit kleinen Schwächen

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Noch immer kann sich der Van nicht ganz von seiner Abstammung als Nutzfahrzeug lösen. Von dem hat er auch die immensen Platzressourcen.

Michael Harnischfeger

(SZ vom 9. 7. 2003 - ) Mit der Namensgebung des V-Klasse-Nachfolgers beendet Mercedes eine Episode, die nicht als besonders strahlend in die Firmengeschichte eingehen wird. Denn der Name V-Klasse folgte demselben Muster wie A-, C-, E-, S- und SL-Klasse und suggerierte Personenwagen- Qualitäten.

Doch eben die hatte die V-Klasse nicht. Materialauswahl, Verarbeitung, Komfort und auch Fahrverhalten machten klar, dass dieses Großraumfahrzeug ein Ableger des baugleichen Vito war, eines Transporters für gewerbliche Kunden.

Mercedes zog Lehren daraus, taufte seinen ersten kompakten Van 2001 Vaneo und versagt auch dem Nachfolger der V-Klasse eine Modellbezeichnung im Stil der Personenwagen. Er heißt - vielleicht etwas feminin für einen Fünf-Meter-Lulatsch der Zwei-Tonnen-Klasse - Viano.

Ganz anders

Doch nicht nur der Name wurde grundlegend anders: Statt Quermotor und Frontantrieb hat der Viano längs eingebaute Motoren und Heckantrieb, eine Allrad-Variante ist in Planung. Und während es die V-Klasse nur in einer Größe gab, sind es beim Viano derer drei, die von 3,20 oder 3,43 Meter Radstand bis 4,75 respektive 5,22 Meter reichen.

Schon das neckisch "Kompakt" genannte Basismodell ist äußerst großzügig geschnitten, die extralange Version mit viel Luft zwischen den sechs serienmäßigen Einzelsitzen weckt Tanzsaal-Gefühle. Das Design mit dynamischen Seitenlinien und Stupsnase kaschiert die wahre Größe zwar, die Masse der Verkehrsteilnehmer überragt der fast 1,90 Meter hohe Koloss aber deutlich.

Variabel, aber nur mit viel Kraft

Die unterentwickelte Variabilität der V-Klasse ist mit dem Viano Geschichte. Seine gute Stube ist von Schienen durchzogen, auf denen sich die hinteren, kommoden Einzelsitze mit integrierten Sicherheitsgurten relativ leicht verschieben lassen. Wollen sich die Passagiere gegenüber sitzen, ist jedoch wie früher ein ganzer Mann gefragt.

Fast 28 Kilo wiegt jeder Sitz, und zum Drehen muss er aus den Schienen gehoben und passgenau wieder eingesetzt werden. Wer das ohne anschließenden Besuch beim Chiropraktiker geschafft hat, spielt Doppelkopf lieber daheim, zumal Mercedes den dazu passenden Klapptisch mit 522 Euro berechnet.

Lange Aufpreisliste

Viele Möglichkeiten, Geld auszugeben, bietet der Viano ohnehin. Neben den Ausstattungslinien Trend, Ambiente und Fun sowie dem bei Westfalia gebauten Reisemobil Marco Polo gibt es Ausstattungspakete sowie Extras wie Hinterachs-Luftfederung mit Niveauausgleich und Fond-Klimaanlage. Auch Dreier-Sitzbänke sind im Programm, und eine Schiebetür auf der Fahrerseite. ESP und Frontairbags gibt es serienmäßig, Seitenairbags für Fahrer und Beifahrer schlagen gesondert zu Buche, Kopfairbags sind - vorerst - nicht lieferbar.

In zwei oder drei Jahren soll ein V6-Diesel mit rund 200 PS kommen, bis dahin umfasst das Motorenprogramm zwei V6-Benziner: Viano 3.0 mit 140 kW / 190 PS (ab 38.466 Euro) und Viano 3.2 mit 160 kW / 218 PS (ab 40.252 Euro) sowie einen Vierzylinder-Common-Rail-Diesel in zwei Leistungsstufen. Im Viano 2.0 CDI (ab 32.086 Euro) leistet der 2,2-Liter 80 kW (109 PS), im 2.2 CDI für 33.559 Euro 110 kW (150 PS).

Verbesserungen bis zum Verkaufsstart

Nicht nur der besseren Fahrleistungen wegen sollte man den größeren Diesel wählen, denn seine souveränere Leistungsabgabe erspart so manchen Ausflug in höhere Drehzahlbereiche, die von einem hellen Dröhnen begleitet werden.

Das soll bis zum Verkaufsstart Anfang September noch besser gedämmt werden. Doch auch die trotz aller Fortschritte recht gesetzte Fahrdynamik und der von nicht durchweg hochklassig wirkenden Materialien dominierte Qualitätseindruck erinnern daran, dass der Viano gemeinsam mit dem Transporter Vito entwickelt wurde. Wer seine Freude an möglichst viel umbautem Raum hat, profitiert davon. Für anders gelagerte Ansprüche gibt es mehr als eine Alternative.

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