Mercedes ML 450 Hybrid:Stromstoß für New York

Demnächst schicken alle heimischen Premiumhersteller Hybridversionen auf die Straßen. In New York feiert schon mal der Mercedes ML 450 Hybrid seine Weltpremiere.

Stefan Grundhoff

Den Auftakt zur neuen deutschen Hybridwelle macht in diesem Frühling der Mercedes ML 450 Hybrid. Nach der Weltpremiere auf der New York Motorshow kommt der 2,2 Tonnen schwere Allradler im Herbst in den Handel. Die Kunden in Deutschland haben davon jedoch wenig. Nach aktuellen Überlegungen soll der teilelektrifizierte ML Hybrid nur in den USA angeboten werden. Ungewiss ist zudem, ob er überhaupt zu uns kommt. Die Daimler-Verantwortlichen geben ihm angesichts des anhaltenden Dieseltrends im europäischen SUV-Segment und des zu erwartenden Aufpreises im Vergleich zum Benziner kaum reale Marktchancen.

Mercedes ML 450 Hybrid: Der Mercedes ML 450 Hybrid kommt im Herbst auf den Markt.

Der Mercedes ML 450 Hybrid kommt im Herbst auf den Markt.

(Foto: Foto: Pressinform)

BMW schickt mit deutlich mehr Power zum Ende des Jahres seinen X6 Hybrid ins Rennen. Bis 2010 müssen sich noch die Kunden von Porsche Cayenne und VW Touareg gedulden. Die gemeinsam entwickelten und weitgehend identischen Hybridmodule sind fertig, die letzten Abstimmungsfahrten laufen. Jetzt müssen nur noch die Nachfolgemodelle vorgestellt werden. Denn weder Porsche noch Volkswagen wollen die sparsamen Hybridmodule noch in den auslaufenden Modellvarianten verbauen.

Bei Volkswagen hat man sich den Touareg für den Hybrideinstieg ausgeguckt. 2010 werden die Wolfsburger den Touareg II sowohl mit Benzin- und Dieselvarianten als auch mit Hybridantrieb auf den Markt bringen. Die Vollhybrid-Technologie, die das neugestylte SUV dann mitbringen wird, verfügt über einen rund 70 Kilogramm schweren Nickelmetallhybrid-Akku. Der zunächst geplante 3,6-Liter-V6 mit 280 PS wurde von einem neuen, mechanisch aufgeladenen Benzin-Direkteinspritzer mit 245 kW / 333 PS ersetzt, der unter anderem den Audi S4 antreibt. Der zusätzliche Elektromotor stellt in Touareg und Cayenne weitere 38 kW / 52 PS zur Verfügung.

Bei moderaten Geschwindigkeiten bis rund 50 km/h sollen Touareg und Cayenne vollkommen elektrisch und bis zu einer Strecke von zwei Kilometern lokal emissionsfrei fahren können. Bei höheren Geschwindigkeiten schaltet sich der drei Liter große Verbrennungsmotor ein, der dank seiner Kompressoraufladung aus sechs Zylindern soviel Power bezieht, wie üblicherweise ein gewöhnliches V8-Aggregat. Der Elektromotor übernimmt dann die Rolle eines Generators und sorgt für die Energie, die für Bordelektronik und Klimaanlage benötigt wird. Bei hohen Leistungsanforderunger per Kickdown unterstützt der Elektromotor den aufgeladenen Sechszylinder. Die Kraft der beiden Herzen wird von einer Achtgang-Automatik des Herstellers Aisin an die Vorder- und Hinterachse geleitet. Dabei stehen kurzzeitig 275 kW / 375 PS und ein maximales Drehmoment von 550 Newtonmetern zur Verfügung.

Die Autos lernen "segeln"

Projektleiter Dr.-Ing. Michael Leiters geht ein Lächeln über die Lippen, wenn er über das Segeln spricht. "Segeln heißt der Zustand der beginnt, wenn das Fahrer den Fuß vom Gas nimmt und den Cayenne rollen lässt", so Dr. Leiters. Normalerweise bremst sich ein Auto dann durch den mitlaufenden Motor selbst ab. Doch bei Cayenne und Touareg wird der Motor kurzerhand entkoppelt und man segelt im flotten Galopp und ohne Kraftstoffverbrennung weiter. Der Drehzahlmesser springt auf die Null-Marke. "Wir können derzeit bis zu einer Geschwindigkeit von 138 km/h segeln", erläutert Porsche-Mann Leiters, "beim Serienmodell wird es noch schneller sein."

Wegen der geringen Geschwindigkeiten spielt das Hybridsystem bei den beiden SUV-Brüdern im Stadtverkehr naturgemäß sein größtes Einsparpotential aus. "Gerade der Touareg zeigt, was die Hybridtechnik kann. Hier erreichen wir eine signifikante Verbrauchsreduzierung, die sich bei Kleinwagen und in der Mittelklasse in diesem Umfang gar nicht mehr erzielen lässt", sagt Kai Philipp, Entwicklungsingenieur und Hybridspezialist bei den Wolfsburgern. In der Hybridversion gibt sich der Allradler durchschnittlich mit weniger als neun Litern Kraftstoff zufrieden - der CO2-Wert sinkt auf 210 g/km. Die gleichen Leistungsdaten bietet der Porsche Cayenne Hybrid. "Er unterbietet mit einem Durchschnittsverbrauch von 8,9 Litern auf 100 Kilometern sogar noch unseren neuen Cayenne Diesel", so Dr.-Ing. Michael Leiters, Gesamtprojektleiter Cayenne Hybrid. Porsche bringt den Hybridmotor im kommenden Jahr nicht nur im neuen Cayenne, sondern auch in seiner Sportlimousine Panamera.

Die hoch gelobten Dieselversionen von Mercedes ML oder BMW X6 bekommen bisher kein Bein auf den US-Boden. Ab Spätsommer kommen die Hybridversionen. "Wir sind zwar nicht die ersten", so Mercedes-Chefentwickler Dr. Neil Amstrong, "haben mit dem Mercedes ML 450 Hybrid aber den besten Hybriden." Die ersten Meter hinter dem Steuer gehen gut an. Im Elektromodus rollt der rund 2,4 Tonnen schwere Hybride lautlos durch die wenig schmuckvolle Innenstadt von Detroit. Hier im Citygewühl fühlt sich die in Tuscaloosa produzierte M-Klasse besonders wohl. Im langsamen Fahrbetrieb ist sie allein elektrisch und somit lautlos und sparsam unterwegs. Die ins Getriebe integrierten beiden Elektromotoren verrichten nahezu lautlos ihre Arbeit. E-Motor Nummer eins leistet 67 Kilowatt und ist für den normalen Fahrbetrieb zuständig. Das zweite Elektrotriebwerk ist mit seinen 63 kW kaum weniger stark und für die Boost-Funktion zuständig. Wer zum Beispiel bei einem Überholvorgang oder beim Auffahren auf die Autobahn stark beschleunigt, hat die Kraft der drei Herzen und rund 250 kW / 340 PS und 517 Nm Drehmoment im Rücken.

"Für uns stand das Thema Sparsamkeit an erster Stelle", so Dr. Neil Amstrong, "wir rechnen beim ML 450 Hybrid mit einem Verbrauch unter acht Litern auf 100 Kilometern." Die Implementierung des knapp 250 Kilogramm schweren Elektromoduls ist gelungen. Sanft, kaum spürbar schaltet die M-Klasse je nach Bedarf zwischen Elektro- und Benzinantrieb hin und her. Ist der in der Reserveradmulde untergebrachte Akku voll geladen, kann man rund 2,5 Kilometer rein elektrisch fahren.

Betagte Akkus zum Serienstart?

Die Akkus von Mercedes ML, Porsche Cayenne, BMW X6 und VW Touareg sorgen seit Projektbeginn für Gesprächsstoff. Während die neuesten Entwicklungen wie die Mercedes S-Klasse oder der 7er BMW mit einem modernen Lithium-Ionen-Akku unterwegs sind, liegt im Heck des Mercedes ML ein vergleichsweise betagter Nickel-Metallhybrid-Akku. Der ermöglicht zwar das rein elektrische Fahren, ist aber deutlich schwerer und weniger effizient wie eine Batterie aus Lithium-Ionen.

Wenn der BMW X6 Hybrid und sein bauähnlicher Kollege, der Mercedes ML 450 Hybrid, im kommenden Herbst auf den Markt kommen, hat die Mercedes S-Klasse mit modernster Lithium-Ionen-Technik bereits vorgelegt. Rund zwei Monate nach dem X6 Hybrid mit alter NiMH-Akkutechnik schickt BMW zum Jahreswechsel 2009 / 2010 auch seinen neuen 7er ins Rennen - mit neuer Achtgang-Automatik und modernstem Lithium-Ionen-Akku von Continental. Doch wie soll man den Kunden erzählen, wieso der eine (7er BMW oder Mercedes S-Klasse) ausgestattet ist, während der andere (BMW X6 oder Mercedes ML) mit einem über 200 Kilogramm schweren Alt-Akku durch die Gegend fährt?

"Sicher ist die Lithium-Ionen-Technik auf lange Sicht besser, weil die Akkus bei halbem Gewicht die dreifache Reichweite bieten", räumt Mercedes-Motorenchef Leopold Mikulic ein. "Doch als wir uns entscheiden mussten, waren solche Zellen noch nicht verfügbar. Mit Lithium-Ionen-Akkus hätten wir den Zeitplan nicht halten können." Während Mercedes im erfolgreichen Oberklasse-SUV ein Sechszylinder-Triebwerk mit der Kraft von zwei dem Getriebe vorgeschalteten Elektromotoren kombiniert, setzt BMW auf einen bulligen Achtzylinder-Hybriden nach den Vorgaben des aktuellen X6 xDrive 50. Akkutechnik und die beiden zusammen rund 80 PS starken Elektromotoren sind nahezu baugleich mit denen, die seit Anfang 2008 in Fahrzeugen wie Chrysler Aspen, Cadillac Escalade und GMC Yukon laufen. Der BMW X6 Hybrid wird über deutlich mehr als 400 PS verfügen.

Doch nicht nur die SUV-Liga freut sich in den nächsten Monaten auf die längst überfällige Teilelektrifizierung. Auch Mercedes S-Klasse und 7er BMW kommen mit Hybridtechnik. Sie sind die ersten mit der modernen Lithium-Ionen-Technik. Dabei setzt Mercedes ebenso wie Luxusnachbar BMW auf ein nahezu identisches Hybridmodul. Erstmals werden Serienfahrzeuge mit der innovativen und deutlich leistungsstärkeren Lithium-Ionen-Technik angeboten. Der S 400 Hybrid macht den Anfang. Die Hauptarbeit übernimmt bei dem zwei Tonnen schweren Luxuskreuzer ein 3,5 Liter großes Benzintriebwerk mit 205 kW / 279 PS. So weit, so unspektakulär, besonders weil die längst überfällige Direkteinspritzung fehlt. Unterstützt wird der Sechsender jedoch von einem Elektromodul, dass platzsparend zwischen Motor und Siebengang-Automatik untergebracht wurde. Der kleine E-Motor leistet 15 kW / 20 PS und ein maximales Zusatzdrehmoment von 160 Nm. So steigt die Gesamtleistung des Benz auf 299 PS und 385 Nm.

Akkus auch in Mercedes S-Klasse und 7er BMW

Trotz verbesserter Fahrleistungen im Vergleich zum bekannten S 350 sank der Durchschnittsverbrauch von 10,1 auf 7,9 Liter Super auf 100 Kilometer. "Die Hybridkomponenten an Bord wiegen gerade einmal 75 Kilogramm", so Professor Dr. Herbert Kohler, bei Mercedes verantwortlich für die Konzernforschung, "damit sind wir deutlich leichter und kompakter als die aktuelle Hybridkonkurrenz. Der Akku wiegt gerade einmal 28 Kilogramm." Die Luxuslimousine fährt gewohnt geräuscharm über Stadt und Land. Die Start-Stopp-Elektronik sorgt dafür, dass der Motor an der Ampel sanft ausgeht und erst bei einem Tritt aufs Gas wieder ruckfrei erwacht. Der Akku wird dabei über die Bordversorgung gekühlt. Die Klimaautomatik läuft selbst ohne Motorkraft über fünf Minuten. In der überfüllten Innenstadt spart der S 400 besonders: Auf 100 Kilometer hochgerechnet können das in der City bis zu 30 Prozent sein. "Doch auch bei der Autobahnfahrt wird der Verbrennungsmotor entlastet", so Uwe Hörnig, Entwicklungsleiter der S-Klasse, "das spart durchschnittlich rund einen Liter."

Rein elektrisch fahren können S-Klasse und 7er BMW jedoch nicht. Im Gegensatz zur S-Klasse kombiniert BMW das nahezu identische Hybridmodul mit einem Achtzylinder. Grund dürfte in den höheren Einsparpotenzialen und den Hauptmärkten Asien und USA liegen, wo sich die Sechszylinder allenfalls einer zurückhaltenden Nachfrage erfreuen. Im Vergleich zum Standard-Achtzylinder des BMW 750i sollen die Verbräuche beim 7er Active Hybrid um 15 Prozent auf knapp zehn Liter pro 100 Kilometern sinken. Gleichzeitig steigt die Leistung des 4,4 Liter großen Achtzylinders von 300 kW / 407 PS und 600 Nm auf 315 kW / 427 PS und 810 Nm Gesamtleistung. Turboaufladung, Direkteinspritzung und der ebenfalls im Getriebetunnel untergebrachte Elektromotor machen es möglich.

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