Mercedes GLE Coupé im Fahrbericht:Mercedes mit dickem Ende

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Die Preise für das neue Mercedes GLE Coupé starten bei 66 699 Euro. (Foto: STG)

BMW hat bewiesen, dass SUV-Coupés erfolgreich sein können. Jetzt zieht Mercedes mit dem GLE Coupé nach. Das ist zwar nicht so sportlich wie versprochen, bietet aber andere Qualitäten.

Von Jörg Reichle

Eigentlich erstaunlich, dass es so lange gedauert hat. Gut sieben Jahre, nachdem Dauerrivale BMW den X6 präsentierte und inzwischen bereits den kleineren X4 nachgeschoben hat, der nach demselben Plan gestrickt ist, kommt jetzt die Antwort aus Stuttgart. Der GLE, vormals M-Klasse, tritt auch als Coupé an. Vielleicht hatten die Daimler-Verantwortlichen ja schlicht den Erfolg des dickleibigen Bayern unterschätzt, allein wären sie damit sicher nicht gewesen. Zu laut war zumindest anfangs die Kritik an der kuriosen Kreuzung eines massigen SUV mit der doch sehr gequält wirkenden Sportlichkeit eines Coupés.

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Jetzt also die 4,90 Meter lange Variante mit dem Stern. Und auch hier dürfte die Optik für Diskussionen sorgen, obwohl das Design bemüht ist, vor allem das hohe Heck mit optischen Zitaten des S-Klasse-Coupés zu verhübschen. Fürs hiesige Stilempfinden wirkt der GLE dennoch seltsam schmal, hoch und stumpig. Auf Märkten wie China und Russland wird man das mögen und dort will Mercedes ja auch den Löwenanteil des GLE Coupés verkaufen.

Bieten neun Gänge einen echten Mehrwert?

Und scheut dafür keinen technischen Aufwand. Zum Verkaufsstart werden zwei Modelle angeboten: Der GLE 350d bietet einen Dreiliter-V6-Diesel mit Direkteinspritzung und Turbolader, der 190 kW (258 PS) leistet und ein sattes Drehmoment von immerhin 620 Nm schon zwischen 1600 und 2400 Umdrehungen stemmt. Der GLE 400 mit Dreiliter-V6-Benziner, Direkteinspritzung und Bi-Turbo leistet 245 kW (333 PS). Sein Drehmoment: 480 Nm. Beide Modelle haben den permanenten Allradantrieb 4Matik und beide schalten mit der neuen Neunstufen-Automatik 9G-Tronic. Ob Letztere ein echter Gewinn ist? Auf ersten Testfahrten blieb der Eindruck indifferent,spontan konnte das Getriebe jedenfalls nicht mit echtem Mehrwert überzeugen.

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Das GLE Coupé insgesamt schon. Es fährt sich nervenschonend ruhig, gleitet fein dirigiert von der direkter abgestimmten, präziseren Lenkung und ohne das SUV-typische Wanken dahin, findet sich traumhaft sicher auf dem schmalen Grat zwischen Komfort und Sportlichkeit zurecht. Der Selbstzünder, den wir ein gutes Stück längs der Alpen meist in flottem Tempo fuhren, hält sich außerdem akustisch vornehm zurück. Dass die Diesel mit dem Stern jetzt wieder das gewohnte D im Modellnamen tragen dürfen und nicht mehr das Marketing-Kunstwort Bluetec, ist übrigens durchaus eine Fußnote wert.

Kein Premiumauto ohne verstellbares Fahrwerk mehr, auch das GLE Coupé macht da keine Ausnahme. Was bei BMW Fahrerlebnisschalter heißt, nennt sich bei Mercedes jetzt Dynamic Select. Damit soll der Spagat zwischen sportlich und komfortabel gelingen. Die vier in Verbindung mit der Luftfederung verfügbaren Fahrprogramme (Individual, Komfort, Glätte, Sport und - teils - Sport+) wählt man über einen Drehsteller in der Mittelkonsole. Dabei hinterlegt die variable Fahrdynamiksteuerung bestimmte Einstellungen und schafft, so verspricht es der Hersteller, "verschiedene Fahrerlebniswelten". Ganz besonders gilt das für die Stellung Sport+. "Hier begeistern," heißt es im Pressetext, "eine nochmals sportlicher abgestimmte Lenkung und Pedalkennlinie sowie die Gangwechsel, die besonders beim Zurückschalten mit Zwischengas akustisch betont werden."

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Was geradewegs zu der Frage führt, wie sinnvoll es ist, einem SUV die Eigenschaften eines Sportwagens unterzuschieben, der er nun mal nicht ist. Dazu ist die Sitzposition zu hoch und die schiere Masse sowieso. Je nach Modell schleppt das GLE Coupé immerhin bis zu 2,35 Tonnen mit sich herum, da stößt die Fahrdynamik an Grenzen, selbst wenn die beiden AMG-VersionenGLE 450, GLE 63 und GLE 63S mit 367, 557 beziehungsweise 585 PS das leistungsmäßige Maximum darstellen und jede Menge Längsdynamik liefern.

Nobles Langstreckenauto mit Überblick

Macht man sich das bewusst, sieht man auch in einem bärenstarken SUV nicht mehr, als es tatsächlich ist. Man landet dann sozusagen von selbst bei eher vernunftbasierten Antrieben, die Geldbeutel und Ölreserven - verhältnismäßig - schonen. Um die sieben Liter gibt Mercedes für den GLE 350d übrigens als Verbrauch an.

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Das GLE Coupé kann man also am besten als nobles Langstreckenauto mit Überblick begreifen: mit fünf bequemen Sitzen, auf denen man auch hinten formidabel reist. Man weiß bis zu 1720 Liter Gepäckraum hinter und - gegen Aufpreis - ein Panorama-Glasdach über sich und kann das schwere SUV mit allem auszustatten, was die Mercedes-Technik und die Aufpreisliste hergibt. Angefangen von der Armada an Sicherheitsfeatures wie Distronic mit Lenkassistent und Stop-&-Go-Pilot, aktivem Spurhalteassistent und solche Sachen bis hin zu intelligentem LED-Licht und einem adaptiven Scheibenwischsystem. Dazu kommen natürlich zeitgemäße Konnektivität und Multimedia.

Am Ende wird nicht zuletzt die Frage stehen, ob einem das alles den Aufpreis zu dem gerade ebenfalls überarbeiteten, normalen GLE wert ist. Von 53 967 Euro an gibt es den einfachsten GLE, für mindestens 66 699 Euro das Coupé.

© SZ vom 27.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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