Mercedes GLE 350 d Coupé:Das hässlichste Vehikel der Autogeschichte

Mercedes GLE Coupé

Fetter Bürzel: Das abgeschnittene Heck des Mercedes GLE Coupés wirkt voluminös, durch die Miniatur-Heckscheibe ist im Rückspiegel kaum etwas zu sehen.

(Foto: Daimler AG)

Unser Autor ist ganz angetan vom Mercedes GLE Coupé. Jedenfalls von der Technik. Beim Fahren würde er lieber eine Papiertüte über den Kopf ziehen.

Von Gerhard Matzig

Die Daimler-Designer hätten gewarnt sein müssen. Hybride Mischwesen nehmen in der Kulturgeschichte ein eher finsteres Ende. "Die kleine Meerjungfrau", sowohl Frau als auch Fisch, löst sich am Ende von Andersens Märchen in Schaum auf. Kaum besser ergeht es der Chimäre aus der griechischen Mythologie. Das Fabeltier, zugleich Löwe, Ziege und Schlange, wird mit dem Speer erlegt. Ein Stock schließlich tötet die Bestie, halb Mann, halb Wolf, im Horrorfilm "The Wolf Man". Von einem günstigen Omen kann man also nicht gerade reden.

Trotzdem nahmen die Ingenieure in Stuttgart (vermutlich in einer nur von Blitzen erhellten Frankensteinnacht) einen SUV einerseits zur Hand - und ein Coupé andererseits. Um daraus was zu machen? Das hässlichste Vehikel der Automobilgeschichte, das Mercedes-Benz GLE Coupé. Allerdings wird das Auto von der Marketingabteilung so beschrieben: "Abenteuerlustig wie ein SUV, agil und elegant wie ein Coupé." Man könnte zur solcherart eierlegenden Wollmilchsau auf vier Rädern aber auch sagen: ein Bastard von einem Mehrzweckauto. Halb Panzer, halb Sportwagen.

Die Fahrassistenz-Systeme imitieren die Ehefrau

Und obwohl ich daher am Steuer des GLE Coupés prinzipiell gern eine Papiertüte über dem Kopf tragen würde vor Scham, bin ich zu meiner eigenen Verblüffung - abgesehen von der Ästhetik - durchaus angetan von diesem Auto. Das ist erklärungsbedürftig. Also: Mein jüngster Sohn ist begeistert von der Sechs-Zylinder-Dynamik, die eher an Wolf und Löwe als an eine Meerjungfrau denken lässt; mein älterer Sohn, ein anti-analoger Ureinwohner Digitaliens, ist entflammt vom Display und den medialen Möglichkeiten; und meine Frau wird verwöhnt von der Massage-Funktion der "Multikontursitze". Ich dagegen bin zumindest irritiert davon, dass das sehr umfängliche Fahrassistenz-System nun auch noch meine Frau imitiert.

Die hat die schlimme Angewohnheit, mich auf so eine bestimmte Art, nämlich irgendwie kursiv, in Versalien und mit Ausrufezeichen zu verwarnen, wenn sie vermutet, ich hätte die Situation nicht unter Kontrolle. Also eigentlich immer. Zum Beispiel hört sich das dann so an: "Du fährst zu weit links. DU FÄHRST ZU WEIT LINKS!" Oder: "Nicht so schnell. NICHT SO SCHNELL!" Eine Armada von allerlei Elektronikern, ob Spurhalte- oder Totwinkel-Assistent, übernimmt im GLE Coupé nun zu allem ehelichen Überfluss diesen Job und leuchtet im Außenspiegel hektisch auf oder ruckelt provokativ am Steuerrad.

Es ist seltsam. Da fährt man ein augenscheinlich testosteronhaltiges Auto, dessen Botschaft eigentlich nur lauten kann: Hier kommt der Boss. Und dann lässt sich der Boss vom Totwinkel-Assistenten bevormunden, während die Frau behaglich auf ihrem Massagesitz schnurrt.

Schon das Einsteigen bereitet Mühe

Noch seltsamer ist eigentlich nur, warum man für noch mehr Geld noch weniger Raum erhält. Denn das Wesen eines SUV besteht ja darin, hochaufragend wie ein Turmgeschütz zu sein. Daher hat man Mühe, sich ins Innere des hochbeinigen Wagens zu hieven. Da aber das Wesen eines Coupés darin besteht, von niedriger, lang gestreckter Schnittigkeit zu künden (das französische Wort bedeutet so viel wie "abgeschnitten"), stoßen sich hochgewachsene Bosse sogleich den Schädel. Das neue SUV Coupé von Mercedes bietet also schon beim Einstieg beides in einem: einen beschwerlichen Felgaufschwung, um hoch hinauf zu gelangen, wobei man oben unter der niedrigen Decke sogleich wieder schrumpfen soll.

Man darf sich gar nicht erst an die Sternstunden der Coupé-Historie erinnern, etwa an das Mercedes-Coupé 280 SE 3.5, will man angesichts des ungeschickt kupierten GLE nicht in Tränen ausbrechen. Coupés waren einst sowohl sportliche als auch elegante, ja rasend schöne, rassige Fahrzeuge, die den Traum vom Unterwegssein als Skulpturen ihrer selbst feierten. Ihr Design ist noch heute vor allem deshalb so überzeugend, weil man den Autos ansieht, was sie sein wollen. Weil sie eindeutig sind. Weil für sie gilt: form follows function.

Ein Coupé ist dieses Auto mit Sicherheit nicht

Coupés dienten einst als Vehikel der Anmut. Zweitürig sollten sie sein, schnell sollten sie sein, Grandezza sollte sich darin entfalten. Coupés waren fahrbare, amourös aufgeladene Sehnsuchtsorte mit Picknickdecke. Das SUV Coupé von Mercedes aber wirkt wie das Ergebnis einer unglücklichen Affäre von King Kong und weißer Frau. Mag das Auto vom Motor, von der Ausstattung und von der Verarbeitung her auch eine respektable Ingenieursleistung sein: Was das Aussehen angeht, bleibt einem nur der Griff zur Papiertüte. Oder zu Speer und Stock.

Wenn Autos heute nicht mehr als mondäne Versprechen begehrt, sondern als Dinosaurier verachtet werden: Fahrzeuge wie das SUV Coupé von Mercedes-Benz haben daran ihren fettleibig erkrankten Anteil. Ein Coupé jedenfalls ist dieses Coupé mit Sicherheit nicht - eher ein gemästetes Auto, das unter die Säge geraten ist.

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