Süddeutsche Zeitung

Test Mercedes EQC:So fährt sich der Elektro-Benz

Mit dem Elektro-SUV will Mercedes seinen komfortorientierten, eher konservativen Kunden die Angst vor der Elektromobilität nehmen. Ob das reicht?

Von Peter Fahrenholz

Manchmal lässt sich die berühmte Henne-Ei-Frage ganz einfach beantworten. Wer wissen will, wie man die Autofahrer zum Umstieg auf Elektroautos bewegen will, muss nur nach Norwegen reisen. Dort hat der Staat die E-Mobilität massiv gefördert, mit steuerlichen Anreizen, mit Privilegien wie kostenlosem Parken in Parkhäusern oder Benutzung der Busspuren und mit einem dicht geknüpften Netz an Lademöglichkeiten. Das Ergebnis: viele Elektroautos auf der Straße. Nirgendwo sonst in Europa, vielleicht sogar nirgendwo sonst auf der Welt, ist die Tesla-Dichte so hoch wie in Oslo. Und weil Teslas Model S, das seit 2012 auf dem Markt ist, nun mal ein großes Fahrzeug mit Oberklassen-Preis ist, könnten vor allem die deutschen Premiumhersteller ins Grübeln kommen, wenn sie die norwegischen Teslas sehen. Und sich fragen, wie viele davon genauso gut Audis, BMWs, Mercedes' oder Porsches sein könnten, wenn man früher aufgewacht wäre und auch solche E-Autos gebaut hätte.

Um zu zeigen, dass man in diesem Markt jetzt auch wirklich ernsthaft mitmischen will, ist Oslo deshalb ein guter Ort, um ein neues Elektroauto zu präsentieren. Ganz abgesehen davon, dass die kommode Ladesituation erlaubt, auch eine größere Testwagenflotte ohne Stau an der Ladesäule in Bewegung zu halten. Also ist Mercedes nach Oslo gegangen, um den neuen EQC auf einer Fahrveranstaltung zu präsentieren - der erste Mercedes der neuen Elektrofamilie, die bei Daimler unter dem Namen "EQ" firmiert. Für die Schwaben ist es allerdings schon der zweite Anlauf. Der erste, ziemlich mutlose Versuch mit einem reinen Batterieauto, der elektrifizierten B-Klasse, war eher ein Flop. Anders als der stylische i3 des Rivalen BMW, konnte sich der E-Mercedes nie durchsetzen, obwohl er das Zeug dazu gehabt hätte. Die Reichweite zu gering, das Design zu brav, das Marketing zu mutlos - längst ist das Auto aus dem Programm geflogen.

Mit dem EQC soll nun alles besser werden, das, wie man heute gerne sagt, "Wording", entspricht jedenfalls dem prallen Selbstbewusstsein, mit dem die Marke stets unterwegs ist. Der EQC sei "der Mercedes unter den Elektrofahrzeugen" und damit ist natürlich nicht das Eingeständnis gemeint, dass es bis dato auch gar keinen anderen Mercedes unter den Elektrofahrzeugen gibt. Mercedes geht mit dem EQC den gleichen Weg wie Audi mit dem e-tron und elektrifiziert seine Modellpalette zuerst in der hochpreisigen Oberklasse. Ob das hinsichtlich der eigenen CO₂-Bilanz klug ist, steht dahin, aber mit Blick auf eine zahlungskräftige Klientel, vor allem in China und den USA, ist ein großes, teures Auto mit einer höheren Gewinnmarge vermutlich der sicherere Weg, wenn man Neuland betritt.

Zumal sich in einem SUV aufgrund der Fahrzeughöhe leichter eine voluminöse Batterie im Fahrzeugboden einbauen lässt, ohne dass die Passagiere vor allem im Fond Komforteinbußen hinnehmen müssen oder das Kofferraumvolumen zu sehr dezimiert wird. Und voluminös muss die Batterie sein, wenn am Ende die Reichweite stimmen soll. Das bedeutet immer auch eine Menge Gewicht. Der 80 kWh-Litihium-Ionen Akku des EQC wiegt denn auch 652 Kilo und macht das Fahrzeug insgesamt fast 2,5 Tonnen schwer. Er soll, je nach Konfiguration des Autos, eine elektrische Reichweite zwischen 445 und 471 Kilometer sicherstellen.

Die Batterie versorgt zwei Elektromotoren an Vorder- und Hinterachse mit Strom, die insgesamt 408 PS und ein maximales Drehmoment von 760 Newtonmeter erzeugen. Es ist also mehr als genug Leistung vorhanden. Trotzdem werden notorische Mir-gehört-die-linke-Spur-Autobahnraser mit dem EQC nicht recht auf ihre Kosten kommen, denn die Höchstgeschwindigkeit ist bei 180 km/h abgeregelt. Das soll den Akku schonen, für den Mercedes eine Garantie für acht Jahre oder 160 000 Kilometer Laufleistung bei 80 Prozent Kapazität des Akkus am Ende dieser Zeit gibt. Die Absenkung der Maximalgeschwindigkeit bei Elektroautos und Plug-in-Hybriden könnte die Diskussion um ein allgemeines Tempolimit neu beflügeln.

Aber in einem Elektroauto geht es ohnehin nicht um die maximale Geschwindigkeit, sondern um die maximale Reichweite. Um die zu beeinflussen, stehen dem Fahrer im EQC vier Fahrmodi zur Verfügung: Comfort, Eco, Sport und Max Range. Hinzu kommt noch eine fünfte Einstellung (Individual), bei der einzelne Komponenten vom Fahrer definiert werden können. Beim Modus Max Range wird der Fahrer dabei unterstützt, eine besonders ökonomische Fahrweise zu wählen und damit mehr Reichweite zu erzielen. Auch bei der Rekuperation, also der Rückgewinnung von Energie für den Akku, wenn man vom Gas geht, will Mercedes seinen Kunden möglichst viel Arbeit abnehmen. Entweder kann man die Stärke der Rekuperation über zwei Paddel am Lenkrad selber regulieren, oder man überlässt das dem Eco-Assistenten des Autos.

Wie sich die einzelnen Fahrmodi auf die Fahrdynamik auswirken oder wo die Grenzen des Fahrwerks liegen, lässt sich auf den Teststrecken in Norwegen nur schwer herausfinden. Auf Autobahnen und Schnellstraßen gilt ein Tempolimit von 90 bis 100, auf Landstraßen ist maximal Tempo 80 erlaubt, auf kurvigen Strecken am Meer entlang oft nur Tempo 60. Aber leises, entspanntes Dahingleiten ist ja ohnehin eine der Domänen von Elektroautos. Die reinen Fahrleistungen stehen aber auch gar nicht im Mittelpunkt der Mercedes-Kampagne für den EQC, dem in den nächsten Jahren zehn weitere elektrifizierte Fahrzeuge folgen sollen.

Breiten Raum bei der Präsentation nimmt das Lademanagement ein. Mercedes will seinen komfortorientierten, eher konservativen Kunden mit einem Rundum-sorglos-Paket die Angst vor der Elektromobilität nehmen. Niemand soll fürchten, im Nirgendwo zu stranden oder an einer Ladesäule zu enden, die entweder defekt, besetzt oder von einem Verbrenner blockiert ist. Wer den EQC kauft, erhält eine App dazu. Sie konfiguriert die Routen, bezieht den Ladezustand der Batterie, die Wetterdaten, die Topographie des Geländes und mögliche Ladestopps plus der Zeit ein, die man dafür braucht. Die Ladekosten werden automatisch vom Konto abgebucht, laut Mercedes können damit 80 bis 90 Prozent aller Ladesäulen in ganz Europa angesteuert werden - ohne den ganzen Wirrwarr mit zig verschiedenen Bezahlsystemen.

Das alles hat natürlich seinen Preis. Beim EQC beginnt er bei 71 281 Euro. Wen dieser krumme Preis wundert: In Deutschland wird der staatliche Umweltbonus nur gewährt, wenn der Netto-Listenpreis, also der Preis ohne Mehrwertsteuer, unter 60 000 Euro liegt. Und 59 900 Euro plus 19 Prozent Mehrwertsteuer ergeben eben genau 71 281 Euro. Das ist natürlich noch lange nicht das Ende, durch teure Sonderausstattungen lässt sich die Summe kräftig nach oben treiben. Das zum Marktstart angebotene Sondermodell "Edition 1886" wird denn auch für fast 85 000 Euro angeboten. Bei Mercedes glaubt man, dass genügend Kunden in diesen Preisregionen heimisch werden. Zunächst sollen pro Produktionstag 100 EQCs gebaut werden, ab 2020 ist eine Verdoppelung der Kapazität auf 50 000 Einheiten pro Jahr geplant.

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