Meilensteine automobilen Designs:Die Unvergesslichen

Meilensteine automobilen Designs: Ewige Ikone: ein Porsche 911 der ersten Generation aus dem Jahr 1963

Ewige Ikone: ein Porsche 911 der ersten Generation aus dem Jahr 1963

Vom Mercedes Simplex bis zum Porsche 911: In der stetig weiter steigenden Flut von Modellen unterschiedlichster Art gibt es die zeitlosen Meilensteine auf der Straße automobilen Designs. Versuch einer Aufzählung.

Von Hans-Ulrich von Mende

Ein Gerät zu bewegen ohne eigene oder tierische Kraft fasziniert und forderte die Menschen früh heraus. Leonardo da Vinci konnte es 1493 zumindest auf Pergament, der heutige Nachbau aus Florenz bewies: Das erste Automobil lief dreirädrig und federkraftbetrieben. Mit Dampfkraft zerlegte 1769 der Franzose Joseph Cugnot sein ungeschlachtes Dreirad an einer Mauer. Gut hundert Jahre später hatte London dampfgetriebene Busse. 1886 bekam Carl Benz das erste Patent für einen Motorwagen, dreirädrig, eine Ansammlung feinmechanischer Elemente und formal ungewöhnlich. Daimler bot im selben Jahr nicht mehr als eine motorisierte Kutsche.

Erst 1902 erkennen wir im Mercedes Simplex die Grundform des Autos: vier gleich große Räder, Kotflügel, Frontmotor, zwei Sitze, benzingetrieben, aber ohne Dach und Fenster. Elektrisch konnte 1899 die rasende Rakete, die "Jamais Contente" von Camille Jenatzy, bereits die 100-km/h-Grenze knacken. Zu dieser Zeit trieben Dampf und Elektrizität in USA die Autos an, nur 22 Prozent nahmen Benzin zu sich.

Wege gegen den Luftwiderstand

Schnell verstanden die Autobauer das Auto formal zu verbessern. Kaum wurde die Kutsche verabschiedet, suchten sich kantige Gefährte Wege gegen den Luftwiderstand. So setzte Graf Racotti 1914 auf ein Alfa-Romeo-Fahrgestell, eine geschlossene Karosserie, die an moderne Flugzeugrümpfe erinnert - mit Bullaugenfenstern und großzügiger Panoramafrontscheibe. Nur die unverkleideten Räder und der kantige Kühler trotzten dem Wind. 1921 durfte Rumpler mit seinem Tropfenwagen - der Name ist formales Programm - durch den Wind jagen. Gut 80 Jahre später maß man den cw-Wert von 0,28, selbst heute nur selten erreicht. Mitte der 1920er-Jahre ließen technische Details von Radaufhängung, Antrieb und Motorposition niedrigere Aufbauten zu.

Eleganter Vertreter war 1925 der Lancia Lamda. Scharfkantige Fenster der ersten Ganzstahlkarosserie kontrastierten mit den vorderen schrägen Kotflügeln. Im selben Jahr bot man bei uns den ersten volltauglichen Kleinwagen an, das Hanomag Kommissbrot. Die strenge, die Räder voll überdeckende und deren Kreisbogen nachzeichnende Karosserie bot zwei Plätze unter kistenförmigem Aufbau. Eine schräg stehende Frontscheibe hätte Wunder gewirkt.

Edles Klassentreffen

Ein Hanomag Kommissbrot.

(Foto: SOM)

Die Grundidee der Geometrie hat sieben Jahrzehnte später dem Audi TT zu Ruhm verholfen. Am oberen Ende automobiler Gestaltung hatte die legendäre Marke Bugatti 1928 auf dem Nürburgring den Typ 41, den extrem langen Royale vorgestellt. Die zweifarbige Lackierung blau-schwarz mit dem charakteristischen elliptischen Schwung an den Flanken bleibt ewiges Beispiel gekonnter Flächendifferenzierung mit Farbe. Erwähnenswert die elegante Felgengestaltung und der klarste aller Motorblöcke bis heute. Ein Jahr zuvor gründete der GM-Konzern die "Art and Colour-Section". Ihre Aufgabe: die eingeführte Fließbandfertigung verlangte öfter nach neuen Formen, denn die fortgeschrittene Automobiltechnik konnte nicht immer im Design sichtbar gemacht werden.

Voll daneben

Dankbar wurde daher die Sucht nach Tempo mit dem weltweiten Stromlinientrend aufgegriffen. Mutiger Vertreter war der DeSoto Airflow 1934 mit runder chromgestreifter Fronthaube und integrierten Scheinwerfern. Der kleine österreichische Steyr 35 und der deutsche Adler Autobahnwagen waren zage Vertreter dieses Trends.

Voll daneben lag der geniale Architekt Buckminster Fuller 1933 mit seinem dreirädrigen, viel zu langen Mobil in Flugzeugrumpfanmutung. Den Dymaxion ließ Stararchitekt Norman Foster vor einigen Jahren nachbauen. Den Kühler als optisches und technisches Detail zu verstecken verstand der Cord 810 Westchester 1936 in den USA. Die Motorhaube umschloss den Kühler, nicht aber die Kotflügel. Umlaufende horizontale Chromstege vermittelten fließende Linien. Und unser Opel Kapitän kopierte zwei Jahre später dieses Motiv.

Wer keinen Kühler braucht, gönnt sich die glatte geneigte Blechfront eines Kraft-durch-Freude-Wagens, den Ferdinand Porsche 1938 für die Nazis konstruierte. Damals ahnte keiner, dass dieses formale und technische Konzept nach dem Krieg das meist gebaute Auto der Welt wurde. Bleche konnten platzsparend in der Produktion gestapelt werden, ihre Rundungen boten zeitgemäß geringen Luftwiderstand. Andere wollten wissen, dass diese Bleche ideale Abtropfflächen für frischen Lack seien. Enkel Ferdinand Alexander war es, der das Käfer-Prinzip des Porsche 356 zur ewigen Ikone 911 machte, das war 1964. Ähnlich ging es mit dem Citroën 2CV. 1939 mit der Vorgabe entwickelt, geringsten Aufwand an Material und Technik zu treiben, kam die "Ente" im Oktober 1948 in legendärem Wellblech auf den Markt: vier Türen, vier Sitze, vier Räder, zwei Zylinder, ein Rolldach, butterweich gefedert, aber fahrstabil.

Der Jeep von Willys: ein Kind des Krieges

Ein Kind des Krieges war der Jeep von Willys. Bis heute prägen die vertikalen Luftschlitze im Bug das Gesicht - ein Welterfolg als Geländewagen auch im friedlichen Leben. Trotz Kriegszeiten wagten sich die Amerikaner mit zwei Studien, dem Buick Y-Job von 1938 und dem Chrysler Thunderbolt von 1942 an die bekannt gewordene Pontonform, bei uns populär geworden mit dem Borgward Hansa 1500 von 1948, eine Form, die nur zwei Volumen kannte: den formschlüssigen Unterbau und den Dachaufbau. Zahlreiche Varianten in allen Ausprägungen von Blech und Chrom sind bis heute gültig. Mutige Abweichungen wie der 1950er-Studebaker-Champion mit umlaufenden Heckfenster und Raketennase versuchten das Friedensgefühl aufzufangen. Ein anderer Studebaker, der Commander Starliner von 1953, gezeichnet von Raymond Loewy, dem Vater der Colaflasche und der Lucky-Strike-Zigarettenpackung, liebte italienische Eleganz eines Cisitalia oder einer Pininfarina-Karosse ohne viel Chrom und zu hohem Aufbau. Dynamisch geformte Blechflächen der Flanken sollten Beispiel für heutige Übertreibungen sein, wie man es richtig macht.

Kraxler für G.I. Joe

Ein Welterfolg: Joe Willys Jeep MB.

(Foto: Pressinform)

Dynamisch wagten sich zwei Deutsche auf die Straße: der Mercedes 300SL (1954) und der BMW 507 (1955). Der BMW, keine 280-mal gebaut, rollte leichtfüßig mit flach gelegter Niere und schmalen Hüften zum Horizont. Der andere hatte einen Gitterrohrrahmen. Das zwang zur Flügeltüridee, bis heute unverwechselbar und tausendmal kopiert. Sein Grill lebt formal in den sportlichen Daimler-Modellen.

Die Leistung von Citroëns ID/DS

Das Auto neu zu denken, schenkte uns 1955 den Citroën ID/DS. Sind Technik und Form richtig konzipiert, fehlt Schönheit selten. "Form follows Function", ein alter Spruch, wird hier und im 1959 gezeigten Mini Wirklichkeit. Bis heute gibt es kein Auto mit 305 Zentimeter Länge, das so viel Platz bietet und das Auge nicht beleidigt. Der heutige Mini ist dagegen ein technisch simples Spielzeug der Designer. Konservativ, aber formal schnörkellos überzeugte 1960 der Ford Taunus 17m. "Linie der Vernunft", so sein Slogan, stimmte ausnahmsweise.

Im selben Jahr konnte GM mit seinem Corvair eine Form zeigen, die ungewohnt ruhig war: umlaufendes Chromband auf Höhe der Gürtellinie - mehr nicht. Die Idee wurde oft kopiert, bei uns mit dem NSU Prinz, in Italien mit dem Fiat 1300/1500 und sogar in der UdSSR beim ZAZ 986. Neuen Standard konnte ein Antrieb setzen, als NSU 1967 den Ro80 zeigte. Der Wankelmotor schuf die flache Haube, die Keilform den guten cw-Wert, und der Designer Claus Luthe wurde berühmt. Formal reüssierte GM bei uns noch einmal mit dem Opel GT 1969 als Ableger der Corvette. Und VW machte mit dem Golf 1974 alles anders als beim Käfer. Erst 1982 und viel konservativer, hatte der Audi 100 mit 0,29 cw-Wert gezeigt, was gegen den Wind möglich ist. Heute hat ein Mercedes CLA 0,22.

Wie es weitergeht? Vermutlich ist mehr im Infotainment und in der Mobilitätsplanung zu erwarten, als dass Design uns Meilensteine bescheren wird.

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