Maserati GranTurismo:Schöne Grüße an den Nashornkäfer

Verreisen mit dem lässigen Maserati GranTurismo ist ein außergewöhnliches Erlebnis für vier Menschen und eine Wasserflasche .

Thomas Steinfeld

Nein, es ist nicht peinlich, einen Maserati zu fahren. Es heben ohnehin nur die zehnjährigen Knaben den Kopf, wenn man sanft an ihnen vorbeirollt. Und was gäbe es auch zu bestaunen? Der Maserati mag von Ferne an eine große Raubkatze erinnern, wie sie sich tief ins Gras der Savanne duckt, vor allem, wenn er als GT, also in seiner zweitürigen Variante, daherkommt. Ein Gepard vielleicht. Tief gesenkt hält er den Kopf, das halb geöffnete Maul hängt flach am Boden, die Flanken sind ausgestellt wie zum Sprung.

Maserati GT; Maserati

Zahlen-Spiele: Der Maserati GranTurismo leistet 405 PS und kostet im besten Fall 112.280 Euro, aber was sagt das schon über das Erlebnis von Kraft und Eleganz im Überfluss.

(Foto: Foto: Maserati)

Doch längst gibt es Limousinen der gehobenen Mittelklasse, die nach Aufmerksamkeit kreischen, mit stechenden Reptilienaugen, scharf geknickten Motorhauben, die aussehen, als wäre ein böser Geist ins Blech gestoßen, und einem gereckten Steiß, der gierig nach vorne zu drängen scheint. Fast schon zivil wirkt der Maserati dagegen, ein Auto in langen, harmonischen, fließenden Linien, lässig fast, und es beult sich das Kleid gerade nur so viel, dass man sich nicht täuschen kann: Kraft gibt es hier im Übermaß. Und ja, der Maserati ist ein schweres, muskulöses Schleich- und Lauftier, kein aufgepumpter Nashornkäfer.

Dabei gerät man nur selten ernsthaft in Versuchung, die ganze Kraft auszuschöpfen. Gewiss, während der ersten halben Stunde reizen der Spurt und die Wippschaltung am Lenkrad. Dann bricht die Katze los, in langen, wilden Sätzen, und bald fürchtet man sich, dass es einem ergeht wie ihr, wenn sie ihre Beute zu fassen bekommt und mit dieser zusammen im Staub sich überschlagend davonrollt.

Ach, fahren wir hundertfünfzig, auch hundertsiebzig, das geht auch, und verzichten wir auf das Rennen von Ampel zu Ampel, denn das bringt nur bunte, laute Wettbewerber auf den Plan. So viel feines, tabakbraunes Leder, doppelt vernäht und sogar um Griffe und Fächer geschlungen, um sich an einer Airbrush-Bemalung zu messen? An einem Spoiler? An irgendetwas, das unter einem wild krächzenden Phantasienamen daherfährt?

Nein, GT heißt GranTurismo, und das bedeutet Verreisen unter sehr edlen und möglicherweise auch beschleunigten Bedingungen, sogar mit vier Menschen sowie einer Standard-Wasserflasche (diese monumentalen Getränkehalter!) und einer mittelgroßen Tasche für jeden. Die Koffer wird schon jemand anderes bringen. Wobei es durchaus sein kann, dass die Idee eines solchen Verreisens stärker ist als dessen Wirklichkeit, auch wenn alle Voraussetzungen gegeben sind, um aus der Idee eine Wahrheit werden zu lassen.

Schön ist es zum Beispiel, in langen Kurven von den Bergen herunterzukommen, an einem Sonntagmorgen im Frühling, als ausgeschlafenes Tier, das nicht mehr jagen muss, weil es sich den Bauch schon gestern vollgeschlagen hat und sich nun dem Genuss der eigenen Bewegungen hingeben kann: linke Tatze, rechte Tatze, niemand braucht mehr als vierhundert Pferdestärken, nur um sich selbst fortzubewegen, doch schnurren sie sehr angenehm, und auch das Wissen darum, dass man hier jederzeit alles machen kann, was man mit einem Auto überhaupt anstellen kann, bereitet Vergnügen.

Linke Tatze, rechte Tatze

Sie wollen im rechten Winkel bei hundertzwanzig um die Ecke? Bitte sehr. Ein wenig Flugzeug spielen? Auch kein Problem. Und diese Lenkung, die auf die Bewegung eines kleinen Fingers reagiert. Eine Automatik? Nun gut, ein wenig unsportlich, aber doch fein und leicht und mit einem kleinen Tritt oder einem Fingerschnippen jederzeit zu beeinflussen. Und die Bremse, aber oh, Vorsicht, sie tritt sich zuerst so weich, aber das ist eine Täuschung. Sie tut nur zivil, um dann, oh, ganz schnell sehr fest zuzugreifen.

Auf der Autobahn hingegen fühlt sich ein solches Auto oft nicht wohl, zumal nicht auf den zweispurigen, und Baustellen sind ihm ein Gräuel - denn ein Mischwesen ist es, halb Reisefahrzeug, halb Rennwagen, und zwar in einem solchen Maße, dass man sich in beengten Lagen immer wieder zwischen diesen Möglichkeiten, dem Rennen und dem Rasen, entscheiden zu müssen meint, und immer wieder anders. Und auch das Fahrwerk, das Spurrillen überhaupt nicht mag, scheint sich nicht entschließen zu können, wohin es will, sodass es schließlich seiner eigenen Wege zieht. Doch andererseits: Was hat ein solches Auto auf der rechten Fahrbahn verloren?

Wenn man eine Katze wäre, was wüsste man dann nicht alles über die Beschaffenheit von Böden! Auf weichen Ballen zieht man über sie dahin, und es unterscheidet sich das Gras vom Beton, der Kiesel vom Beet, der Sand vom Lehm. Erdverbunden ist auch der Maserati, wobei man das Erlebnis steigern kann, wenn man - was ein Extra mit dem idiotischen Namen "Skyhook" ist, denn mit dem Himmel will man ja nun gerade nicht verbunden werden - die "Sport"-Taste oben am Armaturenbrett drückt.

Dann stößt der Motor ein kleines, heiseres Grollen aus, weil hinuntergeschaltet wird, und die Straße wird fühlbar bis hinunter zur Körnigkeit des Asphalts. Das hat zunächst etwas Unangenehmes, aber man gewöhnt sich doch sehr schnell daran. Denn was ist eigentlich Reisen, wenn man so etwas nicht fühlt? Sonderbar, wie, auf einem Gipfel der technischen Entwicklung, so etwas Elementares zurückkehrt.

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