Mainz (dpa) - Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat an die Kommunen appelliert, sich für den Ausbau von E-Auto-Ladesäulen stark zu machen. „Ich kann nur jeder Bürgermeisterin und jedem Bürgermeister empfehlen, das Thema sehr, sehr ernst zu nehmen“, sagte der FDP-Politiker im Redaktionsgespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. „Die Kommunen, die eine schlechte Ladeinfrastruktur haben, werden das spüren“, mahnte Wissing. Jede zweite Kommune in Deutschland habe derzeit keine einzige Ladesäule. „Wir brauchen Schnellladesäulen und Flächen dafür. Aber das muss vor allem vor Ort gelöst werden.“ Der Minister regte an: „Wir sollten viele Ideen sammeln und überlegen, wie wir jede einzelne gute Idee möglichst schnell realisieren können.“
Von den bundesweit rund 63 570 Normalladepunkten stehen laut Bundesnetzagentur etwa 1790 im ländlich strukturierten Rheinland-Pfalz. Weniger haben außer den Stadtstaaten noch Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und das Saarland. Von den 9918 Schnellladestationen in Deutschland sind 591 in Rheinland-Pfalz (Stand Juli 2022).
Auch nach Einschätzung der Geschäftsführenden Direktorin des Städtetags in Rheinland-Pfalz, Lisa Diener, wird der Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladesäulen ohne die Kommunen nicht gelingen. Dafür brauche es aber mehr Unterstützung, etwa eine Förderung für Stellen „kommunaler Elektromobilitätsmanager“, forderte Diener. Und: „Damit neue Projekte nicht an den Umsetzungshürden scheitern, sollten entsprechende Unterstützungsangebote geschaffen und mit Blick auf Pilotprojekte rechtliche Erleichterungen gewährt werden.“ Denn um die E-Mobilität voran zu bringen, seien verlässliche Lademöglichkeiten notwendig. Dazu gehöre etwa die verbindliche Buchung eines Ladeplatzes.
Diener wies darauf hin, dass die Stadtwerke vielerorts - ohne dass es ihre Pflichtaufgabe sei - in Vorleistung für die Errichtung von Ladeinfrastruktur gegangen seien. „Die Städte unterstützen beim Finden geeigneter Flächen, genehmigen und forcieren den Aufbau von Ladeinfrastruktur und sorgen mit kommunalen Fuhrparks für Sichtbarkeit alternativer Antriebe im Stadtbild.“
Die Flächenknappheit ist nach Einschätzung des Verbands kommunaler Unternehmen aber eine Herausforderung und die Konkurrenz um solche Orte groß. Parks, Spielplätze, Radfahrstreifen und Busspuren nennt ein Verbandssprecher als Beispiele. Anders als bei E-Autos gebe es zudem keine permanenten Förderinstrumente für die Ladeinfrastruktur. „Wir vermissen einen ähnlich breiten Ansatz wie bei den Fahrzeugen.“
„Beim Ausbau der E-Mobilität sind nicht nur die Kommunen gefordert, hier sind viele Player im Spiel, vor allem auch die Wirtschaft“, sagte die Geschäftsführende Direktorin des Landkreistages, Daniela Franke. Den Einzelhandel, Hotels und Gaststätten nannte sie als Beispiele. Eine gute E-Ladeinfrastruktur könne eine echte Chance für den ländlichen Raum und den Tourismus sein. Für Dörfer und Kleinstädte in der Nähe von Autobahnen könne es auch interessant sein, Ladepunkte zu schaffen. „Das belebt die örtliche Wirtschaft.“
Wissings ehemaliges Verkehrs- und Wirtschaftsministerium in Mainz ist mit dem Ausbau-Tempo eigentlich ganz zufrieden: „Der Zuwachs der Ladeinfrastruktur ist weiter kräftig, vor allem bei den Schnellladesäulen, und hält mit der Zahl der Fahrzeuge grundsätzlich Schritt“, teilt das Ministerium auf Anfrage mit. Anfang 2022 habe es im Vergleich zum Vorjahr zehn Prozent mehr Ladepunkte mit 13 Prozent mehr Leistung gegeben. Derzeit hätten die öffentlichen Ladesäulen eine Ladeleistung von 75 Megawatt, was etwa für 75 000 E-Fahrzeuge ausreiche. Demgegenüber seien rund 30 000 reine Batteriefahrzeuge und 25 000 Plug-in-Hybride zugelassen (Anfang 2022).
Die Energiemengen reichten allerdings oft noch nicht, um die Infrastruktur kostendeckend zu betreiben, teilte das Ministerium von Wissings Nachfolgerin Daniela Schmitt (FDP) mit. „Hierin dürfte ein wesentlicher Grund für ein nicht noch schnelleres Wachstum liegen.“ Die Ladestruktur müsse den Fahrzeugen voran gehen „und kann zu Beginn nicht kostendeckend sein“.
So auch in der Landeshauptstadt, wo die Stadtwerke nach Angaben der Stadt derzeit 44 öffentliche Säulen mit 84 Ladepunkten betreiben. „Trotz teilweise öffentlicher Förderung ist die öffentliche Ladeinfrastruktur bisher unter dem Strich nicht kostendeckend zu betreiben“, stellte Umwelt- und Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger fest. Derzeit werde geprüft, wo noch Flächen sind, auf denen weitere Säulen aufgestellt werden könnten.
Die Bedeutung des Themas sei in Mainz aber erkannt: „Selbst wenn es aktuell noch nicht möglich ist, in einzelnen Straßenzügen Elektroladesäulen zu betreiben, so verlegen wir zumindest bereits Leerrohre in den neuen Straßen damit das Angebot bei Bedarf möglichst schnell nachgerüstet werden kann“, berichte die Grünen-Politikerin Steinkrüger.
In Trier beispielsweise gibt es derzeit 74 öffentliche Ladepunkte, die meisten (64) werden von den Stadtwerken betrieben, die übrigen von Privaten, wie die Stadt mitteilte. In Koblenz stehen nach Angaben der Stadt 33 Ladestationen mit 88 Ladepunkten, 18 Ladepunkte sollen 2022 insgesamt dazu kommen. Allerdings seien 11 der 33 Ladestationen privat und könnten nur eingeschränkt genutzt werden.
Diese Schwierigkeit sieht Wissing auch bei den Ladestationen auf Supermarktparkplätzen. Die meisten hätten nachts keine Betriebserlaubnis. „Die Angst vor Lärmbelästigung für die Anwohner ist hier oft ein Thema.“
„Die meisten Elektroautos werden zuhause geladen“, sagt der Sprecher des Verbands der kommunalen Unternehmen. Dies ändere sich aber gerade. Mit den schnell wachsenden Neuzulassungen von E-Autos entstünden jetzt die „Voraussetzungen für einen funktionierenden Wettbewerb“. Viele potenzielle Investoren seien jetzt unterwegs und sicherten sich Standorte auf kommunalen und privaten Flächen. „Dabei geht der Trend immer mehr in Richtung Schnellladehubs mit mehreren Ladepunkten auf einer Fläche.“ Das sei auch notwendig. „Die künftig für die Elektromobilität benötigten Energiemengen können gar nicht durch freistehende Ladesäulen am Straßenrand bereitgestellt werden.“
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