Magnetbahn Hyperloop:Mit Schallgeschwindigkeit durch die Pipeline

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Wie der Hyperloop letztlich aussehen wird, steht noch nicht fest. Aber es gibt bereits erste Konzepte. (Foto: obs)

Auf Reisen mit 1200 km/h: Das Hyperloop-Konzept soll das ermöglichen. Was nach einem PR-Gag aussieht, wird immer konkreter. Doch wie steht es um die Sicherheit der Passagiere - und ihrer Daten?

Von Steve Przybilla

Bei James Bond ging es schon 1987. Hinein in die Röhre, Sauerstoffmaske auf, Klappe zu - los! So leicht ließ sich im Kalten Krieg ein Überläufer aus der Sowjetunion befreien. Man musste ihn nur in eine Fernwärmeleitung stecken, gut verpacken und auf der anderen Seite wieder aufsammeln. Kino-Romantik, klar. Doch heute, knapp 30 Jahre später, könnte die Vision der Drehbuchschreiber wahr werden. An mehreren Orten weltweit arbeiten Ingenieure an einem Röhrensystem, das nicht nur Spione, sondern ganz normale Passagiere transportieren könnte - und das mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit.

Hyperloop heißt die Idee, die Tesla-Gründer Elon Musk schon 2013 präsentierte. Es handelt sich um eine Metallröhre, die von außen wie eine Öl-Pipeline aussieht. Sie soll auf Pfeilern stehen und magnetisch angetriebene Transportkapseln befördern, in die bis zu 28 Passagiere passen. Da im Innenraum ein Vakuum herrscht, entsteht kaum Reibungswiderstand. Die Folge: Theoretisch kann der Hyperloop eine Geschwindigkeit von bis zu 1200 Kilometer pro Stunde erreichen, fast so schnell wie der Schall. Von San Francisco bis Los Angeles (650 Kilometer) bräuchte er gerade mal eine halbe Stunde. Es wäre ein Flugzeug auf Erden.

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Umsetzen will der Tesla-Gründer sein Hochgeschwindigkeits-Konzept nicht selbst - dass sollen nun Studenten vom MIT übernehmen.

PR-Gag, der zum Erfolgsprojekt werden könnte

Zugegeben, das Projekt klingt wie ein gigantischer PR-Gag. Ganz auszuschließen ist auch immer noch nicht, dass es sich beim Hyperloop vor allem um heiße Luft - Pardon, heißen luftleeren Raum - handelt. Trotzdem spricht inzwischen vieles dafür, dass der Blitzzug ein Erfolgsprojekt werden könnte.

So ist der Hyperloop längst nicht mehr nur das Hirngespinst eines schrulligen Visionärs. Weltweit tüfteln unzählige Ingenieure mit Hochdruck und Kapital daran, einen funktionsfähigen Prototypen zu bauen. Mitte Mai präsentierte die Firma Hyperloop One in der Nähe von Las Vegas einen ersten Versuch, bei dem ein Testschlitten mehrere Hundert Meter entlangsauste. Die Demonstration fand unter freiem Himmel statt, also ohne Röhre und Vakuum. Sie dauerte nicht einmal zwei Sekunden, reichte aber aus, um Technikfans in aller Welt zu elektrisieren. Parallel dazu baut die Konkurrenzfirma Hyperloop Transportation Technologies (HTT) eine acht Kilometer lange Teststrecke in Kalifornien, die schon bald in Betrieb gehen soll.

Die Experten sind sich uneins

Noch gehen die Meinungen darüber auseinander, ob der Hyperloop technisch möglich ist. Der Umweltingenieur Joseph Sussman von der amerikanischen Elite-Uni MIT äußerte sich schon 2013 sehr kritisch. Bis heute hätten es die USA nicht geschafft, ein funktionierendes Netz mit Hochgeschwindigkeitszügen aufzubauen, monierte der Professor. "Wenn man unsere Unfähigkeit betrachtet - und das ist bewährte Technologie -, kann ich mir kaum vorstellen, wie ein solch riskantes Konzept klappen würde", bemerkte Sussman in einem Interview mit der MIT Technology Review.

Zumindest die Studenten am MIT scheinen diesen Pessimismus nicht zu teilen. Anfang des Jahres gewannen sie einen Wettbewerb, den Ideengeber Musk ausgelobt hatte. Die Studenten sollen die Vision des Hyperloops nun in die Praxis überführen.

Christian Day, Leiter des Bereichs Vakuum am Karlsruhe Institute of Technology, steht der Erfindung positiv gegenüber. "Technisch ist das durchaus realisierbar", sagt Day. Die heute existierenden Vakuum-Pumpen könnten problemlos eine Umgebung schaffen, in der kaum noch Luftwiderstand herrsche. "Die größte Herausforderung wird die Sicherheit sein", meint Day. "Wie kontrolliert man das Abbremsen im Notfall? Wie werden die Passagiere vor Erdbeben geschützt?" Würden darauf schlüssige Antworten gefunden werden, stünde dem Hyperloop nichts mehr im Weg, glaubt der Experte. Zumindest aus technischer Sicht.

Probleme könnte dem neuen Verkehrsmittel ein anderes, altbekanntes Phänomen bereiten: Wie lassen sich die Turbo-Röhren in die bestehende Infrastruktur aus Autobahnen, Bahnhöfen und Schnellzugtrassen integrieren? Wer investiert in eine neue, unerprobte und womöglich teure Technologie, wenn bewährte Verkehrsmittel existieren? Schon die Magnetschwebebahn Transrapid konnte sich aus diesen Gründen in Europa nie durchsetzen. Droht dem Hyperloop ein ähnliches Schicksal?

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Der Hyperloop soll sogar Strom erzeugen können

Keineswegs, entgegnen diejenigen, die mit dem Vorhaben befasst sind. Carl Brockmeyer, Leiter der Geschäftsentwicklung beim Schweizer Oerlikon-Konzern, spricht von einem "funktionierenden, in sich schlüssigen Geschäftsmodell". Oerlikon entwickelt die Vakuumpumpen, die HTT in seine Röhren einbauen will. "Wir können heute schon ein perfektes Vakuum herstellen", sagt Brockmeyer, "zum Beispiel bei der Fleischverpackung oder in der Weltraumforschung." Im Vergleich dazu sei der Hyperloop gar keine so große Herausforderung.

Und die Konkurrenz durch existierende Transportmittel? "90 Prozent von denen sind nicht profitabel", sagt Brockmeyer. Der Hyperloop hingegen könne mehr Strom produzieren als er verbrauche. Wie das gehen soll? "Über Solarzellen auf der Röhre und Windräder auf den Pfeilern. Außerdem wollen wir die Bremsenergie zurückgewinnen."

Versuchsballon zwischen Bratislava und Wien

Trotzdem dürfte klar sein, dass sich der Hyperloop vor allem in den Regionen lohnt, in denen kein Schnellzugnetz existiert. Doch es gibt auch Überraschungen. So kündigte die Slowakei kürzlich an, zusammen mit HTT eine Hyperloop-Strecke zwischen Bratislava und Wien (ungefähr 60 Kilometer) zu planen. "Die Zukunft klopft an unsere Tür", jubelte der slowakische Verkehrsminister Roman Brecely im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. "Man wäre in fünf Minuten von einer Hauptstadt in der anderen, wie mit der U-Bahn."

Unterschrieben sei noch nichts, auch existierten keine konkreten Pläne, wer welchen Teil des Projekts finanziert. "Wir werden sicherlich über eine Aufteilung der Kosten zwischen dem Investor, der Slowakei und Österreich reden müssen", sagt Brecely. "Wenn wir realistisch sind, müssen wir zugeben, dass vor 2025 wohl nicht gebaut wird."

Doch warum ausgerechnet die Slowakei? "Weil die Entfernung zwischen beiden Städten für den Investor perfekt ist", sagt der Verkehrsminister. Beim Investor selbst hört sich das schon etwas anders an. "Natürlich haben wir eigentlich einen anderen Zielmarkt", sagt Dirk Ahlborn, der deutschstämmige Chef von HTT. "Aber als die Slowakei an uns herangetreten ist, hat mich das als Europäer sehr gefreut." Auch Ahlborn hat bisher wenig Konkretes zu berichten. Die Kosten der Teststrecke? "Kommt auf den genauen Verlauf an." Der Vertrag mit der Slowakei? "Erste Gespräche laufen." Die Konkurrenzfähigkeit zur Bahn? "Wir wollen das perfekte Verkehrsmittel bauen."

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Der richtige Knaller kommt erst am Ende des Gesprächs. "Wir arbeiten an neuen Geschäftsmodellen, um den Hyperloop zu finanzieren", sagt Ahlborn. "Ich glaube, die Fahrkarte ist dabei nicht die beste Variante." Stattdessen denke HTT über "digitale Einnahmequellen" nach. "Man zahlt mit seinen Daten", erklärt der Investor. Anders gesagt: Der Computer und alle beteiligten Unternehmen wissen immer ganz genau, wer sich zu welchem Zeitpunkt wo befindet - ein Maximum an Überwachung und gleichzeitig ein lukratives Geschäft, weil jeder Fahrgast mit abgestimmter Werbung beschallt werden könnte.

Die totale Überwachung, wie in "Minority Report"?

Rückt der Hyperloop am Ende also doch näher an Hollywood heran, als es den Passagieren lieb ist? Immerhin klingt die Idee nach genau jener Dystopie, die der Zukunftsthriller Minority Report schon 2002 präsentierte. Im Film hängen Videokameras an jeder U-Bahn-Station und in jedem Zugwagen, um Fahrgäste lückenlos zu erfassen. Ein Horrorszenario, das lange Zeit nur im Kino möglich zu sein schien. Soll so auch der Hyperloop aussehen?

Ahlborn, der medienerfahrene Investor, winkt ab. Die Datenverarbeitung biete eben viele Vorteile. So lasse sich mit Hilfe der Informationen leicht berechnen, wie viele Personen zu welchen Uhrzeiten unterwegs sind. Dementsprechend besser könnten Verkehrsbetriebe ihre Kapazitäten planen. Dass die Überwachung potenzielle Kunden vom Hyperloop fernhalten könnte, glaubt Ahlborn nicht. Im Gegenteil. "Mit Daten zu bezahlen, ist heute ganz normal", sagt der Investor. "Die Millennials kennen es doch gar nicht anders."

© SZ vom 16.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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