Mach 1,4 an Land:Schneller als eine Pistolenkugel

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Der Bloodhound SSC ist 135 000 PS stark, 7,8 Tonnen schwer und soll während der Rekordfahrt 1800 Liter Sprit verbrauchen. (Foto: Bloodhound Technical Centre)
  • Andy Green, ehemaliger Jetpilot der Royal Air Force, hält mit 1228 km/h seit 1997 den Geschwindigkeitsrekord für Landfahrzeuge. In den nächsten Jahren will er die Bestmarke auf 1690 km/h steigern.
  • Rekordfahrzeug soll der Bloodhound SSC werden. Das raketenförmige Auto leistet 135 000 PS, wiegt 7,8 Tonnen und wird während des 55-sekündigen Rekordversuchs etwa 1800 Liter Sprit verbrauchen.
  • Das Projekt kostet insgesamt etwa 50 Millionen Euro. Die Rekordfahrt soll im Oktober 2015 in Südafrika stattfinden.
  • Green wird sich während des Versuchs unabschätzbaren Gefahren aussetzen.

Von Michael Specht

Er will es noch einmal wissen: Andy Green, 52 Jahre, ehemaliger Jetpilot der Royal Air Force. Green, der die Worte "fastest man" bereits in seine E-Mail-Adresse aufgenommen hat, ist der einzige Mensch auf diesem Planeten, der die Schallmauer nicht nur in der Luft, sondern auch zu Land durchbrochen hat. Letzteres gelang dem Briten 1997 mit dem Thrust SSC im US-Bundesstaat Nevada. In diesem raketenähnlichen Ungetüm schoss er mit exakt 1228 km/h (763 Meilen pro Stunde, mph) über den Sandboden der Black-Rock-Wüste. Schallmauer geknackt. Weltrekord. Keiner hat es in den nachfolgenden Jahren geschafft, diese Marke zu übertreffen.

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Gelingen könnte dies höchstens einem - Andy Green selbst. Nächsten Oktober will der Doppel-Schallmauermeister in Südafrika auf den Startknopf seines Bloodhound SSC - die Abkürzung steht für Super Sonic Car - drücken. Sein Gefährt soll dann im ersten Anlauf auf zunächst 800 mph beschleunigen. Im darauf folgenden Jahr steht sogar das noch unglaublichere Tempo von 1050 mph (1690 km/h) auf dem Plan. In der Flugzeugwelt heißt diese Geschwindigkeit auch "Mach 1,4". Es sind gut 470 Meter, die Green dann pro Sekunde zurücklegt, die Länge von viereinhalb Fußballfeldern. In der Zeit eines Wimpernschlags sind 150 Meter überwunden.

80 Techniker arbeiten am Rekordfahrzeug

Einen Blick hinter die Kulissen gewährte uns kürzlich "The Bloodhound Technical Centre" in Bristol. Von außen ist das Gebäude nichts weiter als unscheinbar, grau, trist, so wie sie unzählig in englischen Gewerbegebieten anzutreffen sind. Nichts deutet auch nur ansatzweise darauf hin, was im Innern passiert. Seit dem 4. Juli 2013, dem Tag der Eröffnung, werkeln dort rund 80 hochspezialisierte Ingenieure und Techniker. Sie tüfteln an exotischen Materialien, rechnen in utopischen Dimensionen und simulieren am Computer Strömungsabrisse, wie sie am Bloodhound womöglich irgendwann zwischen 900 und 1300 km/h auftreten könnten - oder auch nicht. Derzeit sind lediglich der Rumpf und die Carbonstruktur des Mega-Meilen-Monsters zu sehen. Ein paar Meter weiter warten diverse Komponenten auf ihren Einbau, Triebwerk, Tanks, Räder und Lenkrad. Der Zeitplan ist eng. Doch das Bloodhound-Team strahlt Ruhe aus. Von Hektik ist hier keine Spur.

Der Brite Andy Green ist 52 Jahre alt und ein ehemaliger Jetpilot der Royal Air Force. (Foto: Bloodhound Technical Centre)

Außerhalb des Technical Centre sind circa weitere 900 Leute in diesem Highspeed-Projekt involviert. So fertigt beispielsweise die deutsche Firma Fuchs die massiven Aluminiumräder. Castrol entwickelte Spezial-Öle und Hydraulik-Flüssigkeiten, Triebwerkshersteller Rolls-Royce hilft bei der Aerodynamik. Den 550 PS starken V8- Kompressormotor, dessen Aufgabe einzig darin besteht, in jeder Sekunde 40 Liter Wasserstoffperoxid in die Rakete zu pumpen, liefert Jaguar, sozusagen aus der Nachbarschaft. Die Gesamtkosten des Projekts werden auf 50 Millionen Euro veranschlagt, aufgebracht durch Sponsoren. Zum Vergleich: Thrust SSC kostete vor 17 Jahren "nur" drei Millionen Euro.

Eine Meile in 3,6 Sekunden

Die Zahlen, mit denen die Techniker seit der Idee des Projekts vor sechs Jahren täglich zu tun haben, sprengen die Vorstellungskraft von Normalsterblichen. Bei voller Geschwindigkeit legt der Bloodhound SSC eine Meile (1,6 km) in 3,6 Sekunden zurück. Würde ein Mensch just in dem Moment eine 357 Magnum Pistole auf den Boliden abfeuern, sobald dieser mit vollem Tempo an ihm vorbeifährt, die Kugel würde das Fahrzeug angeblich nicht einholen.

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Als Antrieb steckt unter der 13 Meter langen Karosserie eine Turbine aus dem Eurofighter Typhoon. Sie entwickelt 90 Kilo-Newton Schubkraft. Doch diese reicht nicht aus, um auf das Wunschtempo von 800 mph (1287 km/h) zu kommen. Weiteren Schub (122 Kilo-Newton) liefert die Power-Unit Nummer zwei, eine Fest-/Flüssigstoff-Hybrid-Rakete. Bloodhound SSC wird in der finalen Version etwa 135 000 PS haben, 7,8 Tonnen wiegen. Während seines 55-Sekunden-Ritts wird Andy Green knapp 1800 Liter Sprit verbrennen.

Um den Rekord amtlich zu machen, muss Green den Höllenritt auch in der entgegengesetzten Richtung absolvieren. Dies erfordert eine komplette zweite Mannschaft mit Treibstoff am anderen Ende der Strecke. Der Wendekreis des Bloodhound beträgt 120 Meter, das Lenkrad lässt sich nur wenige Grad nach links oder rechts bewegen.

Neuland betreten die Ingenieure nicht nur in Fragen der Aerodynamik, - schließlich gilt es, Luftströmungen und Verwirbelungen bei Überschallgeschwindigkeit zu beherrschen - sondern beispielsweise auch bei der Wahl der Räder. Es bedarf keiner großen Kenntnisse der Physik, um zu erahnen, dass sich gummierte Reifen aufgrund der hohen Zentrifugalkräfte schnell in ihre Bestandteile zerlegen würden. Der Bloodhound rollt also auf etwa 15 Zentimeter dicken Vollaluminium-Scheiben von 92 Zentimeter Durchmesser. Die Aufstandsfläche gleicht im Profil einem flachen V, um optimal in den Wüstensand eintauchen zu können - nicht zu tief, nicht zu flach. Das äußerst feine Auswuchten der Räder übernahmen die Triebwerkstechniker bei Rolls-Royce. Nur hier konnten die extrem hohen Drehzahlen (10 500/min) des Bloodhound auf einem Testgerät gefahren werden. Allerdings: Sicherheitshalber kleidete Rolls-Royce seinen gesamten Prüfstand mit 36 Millimeter dicken Panzerstahlplatten aus.

Beste Bedingungen in Südafrika

Schon lange vorher ließ das Team von Andy Green die Welt über Google danach scannen, wo eine solche Rekordfahrt überhaupt möglich wäre. Der Ort durfte nicht zu hoch (Luft zu dünn) und nicht zu tief (Luft zu dick) sein. Er musste politisch stabil und logistisch leicht erreichbar sein. Zudem musste die Piste ausreichend lang und breit sowie vollkommen waagerecht sein. Und sie musste aus Sand statt aus Salz bestehen, weil Sand weicher ist und die Räder besser in der Spur hält. Fündig wurde man in Südafrika nördlich von Upington in der Hakskeen Pan am Rande der Kalahari-Wüste. Der Höhenunterschied beträgt auf der geforderten Mindestlänge von 19 Kilometern gerade einmal 60 Millimeter. Ebener geht es nicht.

Jaguar ist Technologiepartner und einer der Hauptsponsoren von Andy Greens Bloodhound-Projekt, das insgesamt etwa 50 Millionen Euro kostet. (Foto: John Wycherley; Bloodhound Technical Centre)

Perfekt ist die Piste damit noch lange nicht. Bis in den Juni 2015 wird ihre Präparierung dauern. Das Areal nimmt dann eine Fläche von 24 Millionen Quadratmeter ein und ist drei Meilen breit. Green überlässt nichts dem Zufall. Derzeit lesen mehr als 300 Einwohner der Region mit den bloßen Händen jeden Stein auf, der größer als eine Bohne ist. Sie könnten sonst durch die Vorderräder hochgeschleudert werden und den Bloodhound an empfindlichen Stellen durchschlagen. 22 000 Tonnen Steine sind so bereits per Schiebkarre forttransportiert worden.

Trotz sorgfältigster Planung und Vorbereitung: Selbst der Luftraum über der Hakskeen Pan wird für das Event gesperrt, denn Greens Rekordfahrt birgt enorme Risiken. Keiner ist sich dieser Gefahr mehr bewusst als er selbst. Green weiß aber auch, wenn das Unternehmen gelingt, wird zeit seines Lebens kein anderer Mensch schneller über die Erdoberfläche gefahren sein als er - weitgehend erschöpft sind die technischen Möglichkeiten und die physikalischen Belastungen. Ein Mitarbeiter des Bloodhound-Teams: "Für 40 bis 50 Jahre haben wir dann wohl Ruhe."

© SZ vom 27.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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