Luxuslimousine im Fahrbericht:Große Gefühle mit unfeinem Unterton

Maserati Quattroporte

Nie war er so gut wie heute, und dennoch hat er seine Schwächen: Maserati Quattroporte SQ4.

(Foto: Maserati)

Maserati Quattroporte, schon der Name klingt nach Kraft, Stil und Emotionen. Die aktuelle Generation der Oberklasselimousine bringt all das mit und gibt sich typisch italienisch - also alles andere als perfekt.

Von Jörg Reichle

Unsere erste Begegnung liegt schon lange zurück und sie verlief, man muss es so sagen, nicht sehr glücklich. 2008 hatte Maserati seine längst zur Ikone gereifte Limousine namens Quattroporte gerade überarbeitet und präsentierte die fünfte Generation mit südländischer Begeisterung. Um es kurz zu machen: Der Riese sah noch immer hinreißend aus. Nur das Fahren war kein Genuss. Das Automatikgetriebe führte ein Eigenleben, das Fahrwerk polterte, die Verarbeitung war zum Heulen - um nur die gröbsten Schwächen zu nennen.

So schien der Niedergang nur noch eine Frage der Zeit. Zur Erinnerung: Schon 1963 hatte die legendäre Marke die erste Sportlimousine der Welt auf den Markt gebracht, ein sagenhaftes Auto - lange Haube, großer Grill, betörende Proportionen. Da hatten die deutschen Autobauer noch nicht mal davon geträumt, so etwas hinzukriegen, geschweige denn, dass der Begriff Premium überhaupt schon in der Welt war.

Wie sich die Zeiten ändern, Testfahrt mit dem Quattroporte SQ4, Baujahr 2014. Der Name ist noch derselbe, aber die inzwischen 5,26 Meter lange Limousine ist nicht mehr wieder zu erkennen. Am ehesten noch am Design. Das ist freilich nicht unbedingt als Kompliment gemeint. Zwar dreht man sich auf der Straße immer noch nach dem Viertürer um, doch eher wegen seinen beeindruckenden Proportionen und der schieren Größe. Andererseits wirkt die Form inzwischen irgendwie altbacken, zumindest unentschlossen. Und von hinten wie eine Mischung aus Audi und - schlimmer noch - Lexushyundaiinfiniti. Erhöhten Puls löst das Design jedenfalls nicht aus. Ganz anders drinnen. Dort schmiegt sich fein verarbeitetes Leder um einen, informiert und unterhält leidlich zeitgemäßes Infotainment und die Ergonomie enthält sich allen Exzessen. Auf den ausgeformten Rücksitzen genießt man besten Sitzkomfort, ohne dass die Knie auch nur in die Nähe der Vorderlehnen kämen - ein Privileg, für das sich S-Klasse-Besitzer schon die Langversion des Top-Mercedes leisten müssten.

Kompetente Technik wie den Allradantrieb kauft man dort ein, wo man weiß wie's geht

Ein Auto also wie geschaffen für lange Autobahnreisen, leise und bequem. Wenn man sich beklagen wollte, dann allenfalls über das Federverhalten der überharten 20-Zöller. Und natürlich über die Lenkung. Im Komfort-Modus indifferent und wenig konkret, meldet sie jede Unebenheit des Asphalts dienstfertig bis ins Lenkrad weiter. Und schärft man das Reaktionsprogramm per Knopfdruck in Stellung Sport, fordert sie germanische Oberarmmuskeln statt der federnden Eleganz kraftloser Gigolo-Typen. Spitz und gar nicht limousinenhaft aufgeregt reagiert sie dann auf den kleinsten Ausschlag am Volant, was einen sauberen Strich zu einer recht kniffligen Angelegenheit macht. Von der Perfektion eines Porsche Panamera ist der Maserati hier eine ganze Welt entfernt.

Trotzdem scheint die Strategie der Marke aufzugehen, kompetente Technik dort einzukaufen, wo man weiß wie's geht. Um das Rad neu zu erfinden, fehlen der kleinen Traditionsmarke ohnehin die Mittel. Also bezieht man beispielsweise den Allradantrieb bei Magna (das für BMW auch das xDrive-System beisteuert) oder bei ZF die famose Achtgangautomatik, die sich im SQ4 mit dem 410 PS starken Dreiliter-V6- Turbo fast immer blind versteht. Die Kehrseite des limitierten Etats: Weder von Assistenzsystemen noch von alternativen Antrieben ist für den Quattroporte derzeit die Rede. Längst diktiert ja auch bei Maserati das gnadenlose Wir-verdienen-unbedingt-Geld-Diktat des großen Vorsitzenden Marchionne. Der mindestens 107 700 Euro teure Quattroporte SQ4 leistet dazu bereits bei kleinen Stückzahlen einen nennenswerten Beitrag. Hinzu kommen allfällige Synergie-Effekte. So teilt sich der Quattroporte seine Plattform mit dem etwas kleineren Ghibli und außerdem fast 50 Prozent seiner Teile. Beide laufen übrigens im neuen, hoch automatisierten Werk in Grugliasco vom Band. Dort, am Rande von Turin, hat die Konzernmutter Fiat in das ehemalige Bertone-Werk mehr als eine Milliarde Euro gesteckt. Auf der Plattform der beiden Viertürer wird auch der kommende Maserati-SUV stehen. Der allradgetriebene Levante kommt 2016 auf den Markt und soll dann im ehemaligen Fiat-Werk in Mirafiori vom Band laufen.

"Diesmal starten wir durch"

Wenn alles klappt, so hat es den Anschein, muss einem um die legendäre Marke nicht bange sein. Harald Wester jedenfalls verbreitet Optimismus. "Diesmal starten wir durch", ließ der Maserati-Chef schon im vergangenen Jahr verlauten (SZ berichtete), "die Produktion wurde vollkommen umgekrempelt, die neuen Motoren entstanden im Schulterschluss mit Ferrari und die Modellpalette orientiert sich endlich an den Wünschen des Marktes."

Der neue Quattroporte scheint Wester recht zu geben. Zwar sollte man von ihm nicht den Überkick erwarten, fahrdynamisch gesehen. Dennoch geht es für einen Zweitonner überraschend hurtig voran und man verliebt sich schnell in die sonore Begleitmusik, die im Sportmodus mit Hilfe von Soundaktuatoren zu großer Form aufläuft. Da verzeihen wir sogar, dass er bisweilen mit jenem unfeinen Unterton patscht und schnarrt, den wir zuletzt vom Jaguar Typ F vernommen haben. Die erste Begegnung ist jedenfalls schon vergessen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: