Luxusaustattungen:Ferraris Lederatelier

Schön ist es in Tolentino wirklich nicht. Der kleine Ort liegt an der SS 77, zwischen Ancona und Perugia, irgendwo im italienischen Niemandsland. Hier residiert eine der exklusivsten Lederfirmen der Welt - ein Besuch bei Poltrona Frau.

Von Stefan Grundhoff

Die Manufaktur für Luxusmarken wie Maserati oder Ferrari liebt es bescheiden. Keiner würde auf die Idee kommen, in Tolentino Urlaub zu machen. Das Meer ist weit, die Attraktionen abseits von sanft-trockenen Hügeln rar gesät. Man kauft beim Diskont-Market ein, wohnt im wenig ansehnlichen Hotel 77 und freut sich auf ein Konzert von Al Bano, der seit längerem ohne Partnerin Romina abseits der großen Bühnen auf dem italienischen Land unterwegs ist. Italienische Provinz.

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Seit 1982 fertigt Poltroni Frau die Lederausstattungen für Ferrari und Maserati.

(Foto: Foto: Pressinform)

Edle Interieurs aus dem Niemandsland

1912 wurde Poltrona Frau von Renzo Frau in Turin gegründet. Sie war als Lederatelier spezialisiert auf Armsessel der oberen Zehntausend. 95 Jahre später sieht es nur im Prinzip kaum anders aus. Denn die ehemals kleine Manufaktur in einem Turiner Hinterhof hat sich gemausert - zu einem der exklusivsten Möbelhersteller in Europa, wahrscheinlich sogar der Welt.

Und zum gefragten Zulieferer für exklusiven Automobilbau. "Seit 1982 kreieren wir auch Lederausstattungen für Autos", sagt Firmensprecherin Sara Nosrati. "Das ist für uns in den vergangenen Jahren ein sehr wichtiger Arbeitszweig geworden."

Poltrona Frau hat sich auf Exklusivlederausstattungen spezialisiert. Sicher: Auch Fahrzeuge von Lancia, Alfa Romeo, Fiat und sogar BMW sind mit dem weichen Leder von Poltrona zu bekommen. Meist aber bekommen die 60 Angestellten im Automotive-Bereich nur das Feinste vom Feinen in die Hände. Italiens Luxushersteller Maserati und Ferrari lassen ihre feinen Interieurs im italienischen Niemandsland schneidern.

Ferrari und Maserati sitzen derweil im rund 300 Kilometer entfernten Nabel der automobilen Welt und üben sich in Maranello/Modena in der verantwortungsvollen Aufgabe, ihre Luxusmodelle 599 GTB, 612 Scaglietti, F 430 oder GranTourismo und Quattroporte an die Kundschaft zu verteilen.

Ferraris Lederatelier

Keine Frage, dass die Sportschlitten aus Norditalien nur mit feinstem Ledergestühl zu ordern sind. Ist es für einen normalen Autofahrer schon ein teurer Luxus, die serienmäßigen Stoffsitze gegen solche mit Leder zu tauschen, so kann er von der Handwerkskunst bei Poltrona Frau nur träumen.

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Poltroni Frau: Unauffällige Luxuxleder-Fabrik in der italienischen Provinz.

(Foto: Foto: Pressinform)

Auch wenn die Region und das Firmengelände wenig italienischen Charme versprühen und keinerlei Designansprüche anmelden, werden in den Firmenhalle dennoch lederne Träume wahr. Der größte Teil der Lederfabrik produziert Sofas, Sessel, Stühle und Hocker für den Hausgebrauch - "in rund 100 Farben" wie Sara Nosrati stolz vermeldet. Die Möbel sind teuer, exklusiv und brauchen sich vor Rolf Benz & Co. nicht zu verstecken. Wer auch in seinem Auto auf eine Luxusausstattung von Poltrona Frau nicht verzichten möchten, kommt um den Kauf eines italienischen Luxusmobils nicht herum.

So richtig begonnen hatte alles im Jahre 1982 mit dem Lancia Thema 8.32 - ein rares und wenig standhaftes Edelmodell der in unseren Breiten wenig erfolgreichen Lancia-Mittelklasse. Er verfügte nicht nur über einen Achtzylindermotor aus dem Hause Ferrari, sondern auch über eine phänomenale Innenausstattung in hochwertigstem Leder.

Was damals nur eine handvoll Kunden exklusiv genießen durften, ist heute bereits ab Werk zu bekommen. Ferrari stattet alle Modellreihen mit Edelleder von Poltrona Frau aus, Maserati bietet beim Quattroporte ebenfalls serienmäßig das schlummerweiche Edelleder.

Der Innenraum des Ferrari 612 Scaglietti benötigt 30 Quadratmeter Tierhaut

"Wir produzieren Innenausstattungen in zwölf Grundfarben und sechs Sonderfarben", erklärt Produktionsleiter Corrado Cingulani. "Die meisten Interieurs sind schwarz, beige oder rot. Pro Tag schaffen wir rund 15 Innenausstattungen." Die werden weitgehend fertig montiert dann nach Modena und Maranello transportiert.

"Das meiste Leder nutzen wir für den Ferrari 612 Scaglietti. Der braucht rund 30 Quadratmeter an Tierhaut", sagt Cingulani. "Für den 599 GTB brauchen wir knapp 20, für den Maserati Quattroporte knapp 15 Quadratmeter."

Ferraris Lederatelier

Nicht ohne Stolz zeigt er auf eine dunkelbraune Innenausstattung mit weißen Ziernähten. Sie ist für ein Mitglied der Ferrari-Familie. Solche Sonderwünsche sind an der Tagesordnung, denn wenn die Kunden zwischen 100.000 und 250.000 Euro für ein Auto ausgeben, soll alles stimmen.

"Meines Wissens haben Maserati und Ferrari noch keinen Kundenwunsch abgelehnt", sagt der Produktionsleiter. "Das Ungewöhnlichste wollte ein japanischer Kunde. Der hat für die Sitze seines neuen Ferrari 575 Maranello das gleiche grüne Krokodilleder wie das seiner Schuhe geordert. Dazu hat er einen grünen Lederslipper zu uns geschickt und wir haben das Sonderleder produzieren lassen."

Deutlich üblicher ist es, die mit Leder bezogenen Sitze oder Verkleidungen mit den Logos der Firma oder Familie zu verzieren. Ein englischer Kunde wollte auf das Signet des eigenen Verlages auch auf der Armaturentafel nicht verzichten.

Möglich ist diese Exklusivität durch einen extrem hohen Arbeitsaufwand. Das Leder, das von einer Spezialfirma aus der Region um Tolentino fertig angeliefert wird, wird zunächst auf Beschädigungen und Unreinheiten geprüft. Nach festen Schablonen wird das Leder für Maserati und Ferrari dann manuell zugeschnitten.

Jede Farbe, jede Form, jede Verzierung ist möglich

Wie es die Volumenhersteller machen, sieht man ein paar Leder weiter. Hier schneidet ein Schnittcomputer gerade die Innenausstattung für einen 5er BMW. Das Leder ist dicker und robuster, nicht so filigran und perfekt in seiner Narbung. "Das Leder für Maserati und Ferrari schneiden wir ausschließlich mit der Hand", sagt Näherin Maria. "Das kostet zwar zehn Prozent an Zeit, ist aber um 30 Prozent effektiver, weil man die Lederfläche besser ausnutzen kann."

Doch es sind längst mehr als die notwendigen 30 Lederteile für die Sitze, um eine Innenausstattung zusammenzunähen. Ist das Leder erst einmal geschnitten und die Elemente sind zusammengenäht, geht die Arbeit weiter. Die Lederkomponenten werden mit großer Vorsicht und unter Verwendung von Nieten und Heißluftgeräten mit Armaturenbrettern, Türverkleidungen und Leisten verwoben.

Immer größer wird die Arbeit, die durch die Implementierung von Elektronik- und Soundsystemen auf die Arbeitskräfte zukommen. Teile des Boxensystems müssen ebenfalls in die Lederverarbeitung einbezogen werden. Gleiches gilt für Getriebe, Mitteltunnel und Armlehnen. Das Wichtigste: Jeder Sitz und jede Verkleidung müssen perfekt sitzen und dürfen über keinen Makel verfügen.

Dafür sorgt Antonio Muciachini, der ein paar Türen weiter im Lederlabor arbeitet. Vor ihm liegen zahllose Lederproben und Farbkarten - an der Wand hängen riesige Tierhäute mit Farbproben. "Wir machen alle Wünsche möglich. Nahezu jede Farbe ist machbar. Ferrari sowie Maserati wollen perfektes, makelloses Leder. Dafür müssen wir mit unserer Qualitätssicherung garantieren", erklärt Muciachini: "Egal für welche Marke wir produzieren - Mini, Mercedes, BMW oder Maserati."

So viel Exklusivität hat selbstverständlich ihren Preis. Für die Maserati Quattroporte und GranTourismo werden jeweils mindestens 112.000 Euro fällig. Für Ferrari 599 GTB und 612 Scaglietti muss man mindestens 206.700 beziehungsweise 221.000 Euro anlegen. Ohne Sonderwünsche, versteht sich.

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