Als der Mercedes Marco Polo in unsere Straße einbiegt, sind sich alle vier Familienmitglieder einig: Es ist das schönste, größte, modernste, gemütlichste Auto, das wir je gesehen haben. Nach einer kurzen Einführung durch einen freundlichen Herren aus Stuttgart werden die Kindersitze per Isofix montiert, Bettdecken, Kleider und sonstige Notwendigkeiten in den etwas klein geratenen Kofferraum gelegt, Spielzeug (viel) in den Passagierraum, Essen (nicht ganz so viel) in den kleinen Kühlschrank geräumt. Dann geht es los zum Campingurlaub im Spätherbst.
Erster Stopp ist der Bäcker ums Eck. Dort erlebe ich bereits einen Dämpfer: Die Bauarbeiter, die gerade eine Pause eingelegt haben, unterhalten sich über unser Auto. Und finden es gar nicht so toll. Wie ein Leichenwagen sähe es aus, viel zu kurze Schnauze vorne, der Hintern zu dick, insgesamt "nicht schön". Ich bezahle meine Brezeln, bin innerlich empört, und denke mir: Die sind doch nur neidisch.
Weiter geht es auf die Autobahn, wir wollen schließlich nach Südtirol. Bereits nach 20 Kilometern geraten wir in einen epischen Stau. So einen, bei dem Leute aus dem Auto steigen und auf der Fahrbahn Fußball spielen. Das wollen die Kinder natürlich auch sofort. Wir ängstliche Eltern lassen sie lieber im Auto.
So geräumig, dass Kinder auf dem Boden spielen können
Wären wir mit unserer üblichen Familienkutsche unterwegs, befände sich die Stimmung bereits nach fünf Minuten auf dem Tiefpunkt, um dann immer weiter zu sinken und ganz neue Negativ-Ebenen auszuloten. Nicht so im Marco Polo. Der ist so geräumig, dass die Kinder (zwei und vier Jahre alt) ein bisschen auf dem Fußboden herum rutschen können. Sogar Wickeln ist möglich dank des großzügig bemessenen Raums.
Nach einer halben Stunde Stillstand geht es endlich los und jetzt haben auch die Erwachsenen ein echtes Fahrgefühl: Mit dem Marco Polo unterwegs zu sein, ist gefühlt die Vorstufe zum selbstfahrenden Auto. Die Elektronik macht es dem Fahrer so leicht wie möglich.
Es gibt einen intelligenten Tempomaten, der bei Mercedes "Distronic Plus" heißt. Wenn man den zum Beispiel auf 140 km/h einstellt, kann man sich entspannen, denn das Auto bremst automatisch ab, wenn es der Vordermann tut. Beim Überholen beschleunigt der Wagen von selbst auf die Ausgangsgeschwindigkeit zurück. Ist man ein bisschen abgelenkt und gerät aus Versehen aus der Spur, rüttelt das Spurhaltesystem einmal kurz am Lenkrad - und weckt den gedankenverlorenen Fahrer wieder auf. Ein Totwinkel-Assistent warnt, wenn sich ein anderes Fahrzeug darin befindet und ein Seitenwind-Assistent hilft, dass es den Marco Polo nicht von der Fahrbahn weht. Kurz: Man fühlt sich in diesem Wagen geschützt - vor allem vor den eigenen Fehlern.
Ohne Geschrei nach Südtirol
Mit Hilfe von Kinder-CDs, Getränken und Nervennahrung schaffen wir es in kurzer Zeit und ganz ohne Geschrei nach Südtirol. Dann wird es spannend, weil wir uns auf einer kurvigen Landstraße in große Höhen schrauben. Als Beifahrer muss man Nerven bewahren. Im Marco Polo sitzt man so weit oben, dass die Abhänge noch einmal steiler wirken. Und man sieht wirklich überall runter - Hunderte Meter runter in tiefe Schluchten.
Doch wir kommen sicher auf dem Campingplatz am Fuße des Schlerns an und werden zu unserem Platz gelotst, ganz unten, weit weg von den anderen am Fuße der Ziegenweide, durch die ein kleines Bächlein fließt.
Nach ersten Erkundungen und dem Abendessen bringen wir die Kinder ins Bett. Die Rückbank lässt sich in wenigen Sekunden zu einem flachen und gemütlichen Bett umlegen: Das Kinderlager für die nächsten Tage bietet eine Liegefläche von zwei mal 1,13 Metern. Wir Eltern schlafen im mechanisch aufstellbaren Dachbett, das dieselben Maße hat und eine Schaumstoff-Matratze auf punktelastischen Federelementen, die man sich für so manches Hotelbett wünschen würde.
Nach ein bisschen hin und her schlafen die Kinder ein und wir Erwachsenen fragen uns: Was jetzt? Es ist einfach zu kalt, um gemütlich draußen zu sitzen, das Babyphone haben wir zu Hause gelassen. Also gehen wir auch ins Bett.
Minivans im Familientest:Praktisch, aber ganz schön hässlich
Der Dacia Lodgy ist der Billigheimer im Portfolio von Renault. Ein Auto ohne Schnickschnack, aber mit viel Platz. Der neue Espace ist das genaue Gegenteil: Ein Minivan, der keiner mehr sein will, vollgestopft mit Technik. Aber welcher ist das bessere Familienauto?
Die Standheizung ist an, weil es mittlerweile nachts empfindlich kalt wird. Als wir das Licht ausmachen, hört sich das kleine Bächlein plötzlich rauschend laut an. Und die Ziegen klingen so nah, dass wir schon befürchten, sie würden das Auto anknabbern. Irgendwann schlafen wir trotzdem ein.
Am nächsten Morgen machen wir auf dem kleinen zweiflammigen Gasherd Frühstück. Das fühlt sich ein bisschen nach Abenteuerurlaub an, hier draußen in der Natur. Dass dieses Abenteuer bereits nach zwei Tagen zu Ende geht, finden unsere Kinder allerdings gar nicht lustig und schauen betrübt.
Immer wieder geht die Alarmanlage los
Eine letzte Fahrt gibt es noch mit dem Marco Polo. Zum Großeinkauf auf dem Bauernhof. Unter die Lebensmittel haben sich aber auch zwei Fliegen eingeschmuggelt. Wir ignorieren sie - ein Fehler, wie sich einige Stunden später herausstellen soll.
Denn als es Nacht wird, erwacht unser Auto zum Leben. Und wie: Immer wieder geht die Alarmanlage los. Zum Leidwesen unserer Nachbarn hören wir es erst, nachdem sie uns aus dem Bett geklingelt haben. Und auch dann brauchen wir noch eine Stunde und die Hilfe eines freundlichen Assistenten an der Notfall-Hotline von Daimler, bis wir herausfinden, dass diese beiden Fliegen vermutlich die Innenraum-Überwachung immer wieder ausgelöst haben. Die Lösung: Man kann die Überwachung ganz einfach per Knopfdruck abschalten. Und dann ist Ruhe im Van.
Deswegen sind wir froh, als das Auto einige Tage später wieder abgeholt wird. Nur die Kinder weinen ihm bittere Tränen nach. Und wünschen sich jetzt zu Weihnachten einen Campingbus. Bis dahin müssen sie allerdings noch ein bisschen sparen. Der Marco Polo kostet mindestens 61 427 Euro.