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Luxus-Autohersteller:Aston Martin will jetzt auch mal Geld verdienen

Die Sportwagenmarke war schon sieben Mal pleite und verkauft derzeit kaum Autos. Nun soll sie endlich profitabel werden - mit Luxuslimousinen, SUVs und Handtaschen aus Krokodilleder.

Von Björn Finke, Gaydon

Dieser Sportwagen ist eine Rarität. Eine Rarität, die zig Millionen Menschen gesehen haben: Aston Martin, Fabrikant ebenso teurer wie schneller Autos, entwickelte für den jüngsten James-Bond-Streifen "Spectre" eigens ein Modell. Nur zehn dieser Flitzer namens DB10 wurden gebaut, Bond-Darsteller Daniel Craig raste mit ihnen nachts durch Rom. Schon seit "Goldfinger", also seit gut fünfzig Jahren, vertraut der Geheimagent Ihrer Majestät in seinen Filmen auf Aston Martin. In der Zentrale des Autoherstellers, im Dorf Gaydon in der Nähe von Birmingham, ist einer der zehn Bond-Boliden aus "Spectre" ausgestellt. Neben der Tür, die vom Bürogebäude in die Fabrik führt, funkelt er in Silber metallic vor sich hin.

Die Fabrik ist das einzige Autowerk der englischen Traditionsmarke. Auf der einen Produktionsstraße wird seit September der DB11 gefertigt - das neue Modell, das dem Bond-Flitzer durchaus ähnelt -, die andere ist für ältere Fahrzeugtypen reserviert. 40 Stationen durchläuft der DB11, damit aus einer nackten Karosserie ein 204 900 Euro teurer Sportwagen wird.

Die Rennflunder, die 322 Kilometer pro Stunde schafft, ist das erste einer ganzen Reihe neuer Modelle, mit denen Aston Martin eine rasante Wende hinlegen will: Der kleine Hersteller soll endlich dauerhaft Gewinne schreiben, vielleicht sogar den Schritt an die Börse wagen. Profitabel zu sein, gelang ihm zuletzt 2010. Dafür ging das Unternehmen in seiner 104-jährigen Geschichte sieben Mal Pleite.

An einer Station der Produktionsstraße zwängt sich ein Arbeiter in den Fußraum eines DB11 und friemelt am lederbezogenen Armaturenbrett herum. Am Rande der Halle sitzen Frauen vor Nähmaschinen und nähen Sitzbezüge aus schottischem Rindsleder zusammen. Gerade liegt knallrotes Leder auf dem Tisch einer der Frauen. In dieser Fabrik ist das meiste Handarbeit, Roboter gibt es wenige.

Die Verkäufe haben sich seit 2004 halbiert

"Jedes Auto auf der Produktionsstraße ist unterschiedlich, wegen der Ausstattungswünsche der Kunden", sagt Firmenchef Andy Palmer. "Dafür sind hoch qualifizierte Mitarbeiter besser geeignet als Roboter." Palmer empfängt in seinem Büro, trägt aber statt Anzug eine Arbeitsjacke mit Aston-Martin-Logo. "Ich habe gerade fertige Autos inspiziert", sagt der 53-jährige Ingenieur und promovierte Betriebswirt, der auch privat Aston Martin fährt.

Der Vorgänger des DB11, der DB9, kam schon 2004 auf den Markt - eine Ewigkeit in der Branche. Zu der Zeit gehörte Aston Martin zum US-Konzern Ford, doch drei Jahre später verkauften die Amerikaner die Sportwagen-Marke an kuwaitische Investoren. Damals setzten die Engländer 7300 Autos ab, 2015 waren es nur noch 3615. "Das Unternehmen brachte kaum neue Modelle heraus und geriet darum langsam in Vergessenheit", sagt Palmer. Der frühere Nissan-Manager fing 2014 in Gaydon an. Bereits zwei Jahre vorher hatte ein italienischer Finanzinvestor 150 Millionen Pfund in die sieche Firma gesteckt und dafür gut ein Drittel der Anteile erhalten. 2013 übernahm Daimler fünf Prozent der Anteile. Als Gegenleistung darf Aston Martin Technik der Stuttgarter nutzen.

Sechs weitere Modelle bis 2022

Frisches Kapital aus Italien, Technik aus Deutschland, ein anderer Chef: Der Hersteller, gegründet 1913 von Lionel Martin und seinem Geschäftspartner, war bereit für den Neustart. Palmers Plan sieht vor, 2018 wieder Gewinn zu erzielen. In dem Jahr soll auch die Autofabrik eröffnen, die Aston Martin im Süden von Wales hochzieht. Das Werk wird mit 750 Beschäftigten 7000 Fahrzeuge im Jahr produzieren können, genau so viele wie die Fabrik in Gaydon. In Gaydon, wo bisher 2100 Angestellte arbeiten, sollen 250 Jobs entstehen. Denn Palmer will bis 2022 sechs weitere Modelle einführen und die Verkaufszahlen drastisch erhöhen.

"Ferrari stellt im Moment gut 7000 Sportwagen im Jahr her", sagt der Manager. "Wir wollen 7000 klassische Sportwagen im Jahr produzieren und darüber hinaus mehrere Tausend andere Fahrzeuge."

Gaydon soll sich auf die klassischen Flitzer wie den DB11 konzentrieren. In Wales dagegen wird Palmer einen rasanten Pseudo-Geländewagen fertigen lassen. Die Nachfrage nach diesen SUVs, also Sport-Utility-Vehicles oder Sport- und Nutzfahrzeugen, boomt seit Jahren. Das lockt auch Luxushersteller: Die englische Edelmarke Bentley brachte so einen klobigen Wagen 2016 auf den Markt. Rolls-Royce und Lamborghini folgen 2018. Ein Jahr später ist dann Aston Martin dran.

Aston-Martin-Käufer können auf einer Plakette im Motorraum "Hand Built in England" lesen, handgefertigt in England. Bei Fahrzeugen aus dem neuen Werk könnte auf den Plaketten "Hand Built in Wales" stehen, sagt Palmer.

Außerdem soll in der walisischen Fabrik die Limousinen-Marke Lagonda wieder belebt werden. Die Firma heißt mit vollem Namen Aston Martin Lagonda, doch die Produktion der luxuriösen Schlitten wurde bereits 1989 eingestellt. Die Briten lieferten aber 2015 und 2016 einige neue Lagondas an Liebhaber aus. Die Stückzahl war auf 150 begrenzt, sie kosteten 750 000 Euro. In Wales sollen in Zukunft Lagondas in Serie gefertigt werden und dann Rolls-Royce Konkurrenz machen.

Wachstum verspricht sich Palmer auch von Elektro-Sportwagen. Im kommenden Jahr soll der Verkauf eines viertürigen Flitzers mit Elektromotor starten. "Wir wollen Marktführer bei Luxusautos mit Elektroantrieb werden", sagt der Manager. Von Hybridmodellen, die Benzin- und Elektromotor kombinieren, halte er dagegen nichts.

Aston Martin ist eine der ganz wenigen Automarken, die nicht Teil eines Konzerns sind. Die Rivalen Lamborghini, Bugatti, Porsche und Bentley gehören zu Volkswagen, Maserati zu Fiat Chrysler, Rolls-Royce zu BMW. Die edlen Hersteller profitieren von der Technik und den Forschungsmilliarden der Mutterkonzerne. Palmer sagt jedoch, unabhängig zu sein, aber mit Zugriff auf Daimlers Technik, vereine das beste zweier Welten. "Bei einer Konzerntochter bestimmt die Zentrale. Sie gibt zum Beispiel vor, welche Plattform die Tochter für ein Modell nutzen soll", sagt er. "Entscheidungen gehen durch 20 Gremien, alles ist langsam."

Aston Martin nutzt immer mehr Mercedes-AMG-Technik

Bei Aston Martin werde hingegen "alles Wichtige hier in meinem Büro entschieden", sagt der Chef. "Zugleich habe ich meinen Süßigkeitenladen in Stuttgart", ergänzt er - und meint damit den Daimler-Konzern. Beim DB11 stammt die Bordelektronik von den Deutschen, bei zukünftigen Modellen wird Daimlers Sportwagen-Sparte Mercedes-AMG Motoren liefern. "Bisher hat Daimler uns nie einen Wunsch abgeschlagen", sagt Palmer. "Wir würden allerdings nie fragen, ob wir eine Mercedes-Plattform verwenden dürfen, denn ein Aston Martin soll nicht wie ein Mercedes aussehen."

Doch Palmer vertraut bei seinem Rettungsplan nicht nur auf neue Modelle. Er will außerdem den guten Namen der Marke nutzen, um mit anderen Luxus-Produkten Geld zu machen. Im September eröffnete in der feinen Dover Street in London ein Aston-Martin-Laden, in dem statt Autos Handtaschen und Jacken im Schaufenster zu bewundern sind, hergestellt von Partnerfirmen. Eine Krokodilleder-Handtasche mit dem Logo der Rennwagen-Schmiede kostet dort umgerechnet 17 500 Euro. Eine niederländische Werft bietet eine Aston-Martin-Rennyacht für 1,5 Millionen Euro an. Und in Miami soll 2021 das Aston-Martin-Apartmenthochhaus eines Immobilienentwicklers bezugsfertig sein.

Ein Börsengang könnte der Lohn sein

"Wir verkaufen wunderschöne Autos", sagt Palmer. "Es gibt aber keinen Grund, wieso Aston Martin nicht auch wunderschöne Boote oder Wohnungen verkaufen sollte, solange die Angebote zum Lifestyle der typischen Autokunden passen." Er erhalte jede Woche fünf Anfragen von Firmen, die das Aston-Martin-Logo für ihre Produkte verwenden wollten. Aber er prüfe sehr genau, ob eine Zusammenarbeit infrage kommt.

Gelingt es Palmer tatsächlich, das ewige Krisenunternehmen profitabel zu machen, könnte ein Börsengang der Lohn der Mühe sein. Die Investoren aus Kuwait und Italien würden irgendwann ihre Anteile versilbern wollen, sagt der Chef. "Sie könnten die Anteile an andere Finanzinvestoren verkaufen oder über die Börse, oder sie könnten sie Daimler anbieten", sagt Palmer. Das sei allein die Entscheidung der Eigentümer. "Ich habe zwar eine persönliche Präferenz. Doch die verrate ich nicht."

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Quelle:
SZ vom 11.02.2017/harl
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