Lübeck:ADAC stimmt über Neuausrichtung ab

  • Bei der ADAC-Hauptversammlung in Lübeck steht die organisatorische Neuausrichtung des Vereins zur Abstimmung.
  • Präsident Markl setzt auf eine Entflechtung in Verein, Aktiengesellschaft und Stiftung. Sein Vorgänger Meyer hält wenig von dem "Drei-Säulen-Modell". Jetzt könnte es zum Showdown kommen.
  • Dem ADAC droht der Verlust des wichtigen Vereinsstatus. Auch Großorganisationen wie Profivereine müssen bangen.

Von Uwe Ritzer, Lübeck

Der ADAC will sich ändern. Kein reiner Autofahrerverein will er in Zukunft mehr sein, sondern ein Rundum-Dienstleister in Sachen Mobilität. Was wiederum den gleichwertigen Umgang mit Verkehrsmitteln einschließt. Nicht zuletzt die ökologischen Diskussionen machten diesen Wandel nötig, sagt Präsident August Markl. Ausschließlich auf das Auto fixiert zu sein sei "etwas Vorgestriges". Nicht einmal der Monolith ADAC könne so tun, als ändere sich nicht die Gesellschaft um ihn herum.

Doch vor der strategischen steht die organisatorische Neuausrichtung. Nach den bei Vereinen üblichen Regularien und einem Grußwort von EU-Digitalkommissar Günter Oettinger werden am heutigen Samstag in Lübeck knapp 200 Delegierte über die von Markl und dem Präsidium fast zwei Jahre lang vorbereitete Strukturreform abstimmen. Der ADAC will sich entflechten in Verein, Aktiengesellschaft und Stiftung. Und so vor allem die Vereinsarbeit scharf vom Milliardengeschäft mit Versicherungen, Reisen oder Finanzdienstleistungen trennen. Darauf sollen Funktionäre künftig keinen unmittelbaren Einfluss mehr haben.

"Entherrschung" nennen das die Juristen. Die Aufteilung ist Folge der zahlreichen Affären wie der jahrelang gefälschten Autowahl Gelber Engel, im Zuge derer viele große Defizite in puncto Compliance, einwandfreies Wirtschaften also, aufgeflogen sind. Vor allem aber will der ADAC seinen lukrativen und für sein Image unbezahlbaren Status als Verein behalten. Der ist massiv in Gefahr, seit das Registergericht München die Vermengung von Vereinsarbeit und Geschäft kritisch überprüft.

Der ADAC ist bei alledem ein Präzedenzfall. Auch anderen, großen Organisationen, bei denen sich ehrenamtliche Strukturen und Millionengeschäfte vermengen, drohen nach Einschätzung von Experten ähnliche Schwierigkeiten wie dem ADAC. Profivereine im Fußball etwa, der DFB oder auch Organisationen wie das Rote Kreuz oder die Caritas. Gespannt warten sie darauf, welche Trennlinien das Registergericht im Fall ADAC ziehen wird.

Innerhalb des Automobilclubs allerdings ist Markls "Drei-Säulen-Modell" umstritten. Vor allem der größte Regionalklub Nordrhein opponiert dagegen, angeführt von Peter Meyer, Markls Vorgänger als Präsident, der auf dem Höhepunkt der Affären 2014 zurücktrat. Lange schien er die Reformen mitzutragen, bis er kurz vor Weihnachten die Gefolgschaft kündigte. An diesem Samstag wird es in Lübeck möglicherweise zum Showdown zwischen Präsident und Vorgänger kommen. Es sei denn, Meyer und die Seinen verzichten auf das Duell mit Markl.

Denn bei den Vorberatungen zur heutigen Hauptversammlung zeichnete sich nach SZ-Informationen in den vergangenen Tagen eine klare Zustimmung für Markls Reformpläne ab. So am Freitag, als in nichtöffentlicher Sitzung die Delegiertenkonferenz tagte. Meyer habe sich weitgehend aus den Debatten rausgehalten, erzählt ein Teilnehmer. Stattdessen argumentierte der Jurist Hendrik Schindler gegen die Dreiteilung an, die er gemessen an der geltenden Rechtssprechung als überzogen und daher unnötig einschätzt. Zudem würden hunderte Millionen Euro Vereinsvermögen verlagert und der Kontrolle durch die Mitglieder entzogen was höchst problematisch sei.

So steht es in einem Gutachten, dass der Anwalt der Kanzlei CMS für den ADAC Nordrhein geschrieben hat. In Lübeck tritt Schindler jedoch als Delegierter des Regionalklubs Nordrhein auf, was zumindest eine kuriose Vermischung von Gutachterauftrag und Ehrenamt darstellt. Zumal Schindler ständig betont, er begutachte und handle völlig unabhängig. Seine Expertise und ein erst diese Woche von Meyer vorgelegtes, zweites Gutachten gegen Markls Reformpläne haben die politische Diskussion um die Zukunft des ADAC zu einer Schlacht der Juristen gemacht.

"Es brennt in Sachen Vereinsstatus lichterloh"

Wenige Stunden vor der heutigen Abstimmung legten auch Markl und die Seinen noch einmal nach. Hinter für die Öffentlichkeit verschlossenen Türen wurden der Delegiertenkonferenz am Freitag gleich vier neue Expertisen von Vereins-, Gesellschafts- und Steuerrechtlern präsentiert. Sie geben Markl mit seinem von Juristen der Kanzlei Freshfields ausgearbeiteten Drei-Säulen-Modell Flankenschutz.

Vorteil dieser Gutachten gegenüber jenen des Regionalklubs Nordrhein: Die Juristen konnten Einsicht in die Korrespondenz des ADAC mit dem Registergericht nehmen. Was sich daraus ergibt, formuliert ein Delegierter so: "Es brennt in Sachen Vereinsstatus lichterloh. Wenn wir nichts tun ist er weg."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: