Lötschberg-Tunnel:Da muss man durch

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Heute wird der neue Lötschberg-Tunnel eröffnet - ein Lehrstück für die künftige Bewältigung des Bahnverkehrs über die Alpen.

Klaus C. Koch

"Unser neuer Tunnel", sagt Mathias Tromp, Chef des Schweizer Bahnunternehmens BLS, "ist keine Röhre, sondern eine Maschine." Er ist ein 34,6 Kilometer langer Bypass, der den Verkehr durch den Berg pumpt, um dem Infarkt durch die unaufhörliche Blechlawine vorzubeugen, die sich sonst über Pässe und Serpentinen durch die Alpen zwängt.

Der neue Lötschberg-Basistunnel wird einen Teil des alpenquerenden Verkehrs auffangen, den die Schweiz unbedingt auf die Schiene verlagern will. (Foto: Karte: Wikipedia)

Der schnellste Weg von Rotterdam nach Genua - abgesehen vom Fliegen - führt von der kommenden Woche an nicht auf der Straße, sondern auf Eisenbahngleisen durch den Lötschberg via Frutigen im Berner Oberland nach Visp durch das Wallis und von dort in den Simplon. Ein neues, funkferngesteuertes Zugleitsystem, das European Train Control System ETCS, soll dabei die im Drei-Minuten-Takt mit bis zu 250 km/h aufeinander folgenden Züge ähnlich wie beim Flugverkehr mit Hilfe von Slots durch die Röhre schleusen.

Der Lötschberg-Tunnel - ein 34,6 Kilometer langer Bypass

Der neue Basistunnel wird einen Teil des alpenquerenden Verkehrs auffangen, den die Schweiz unbedingt auf die Schiene verlagern will. 16 Millionen Tonnen Fels wurden gesprengt und dabei etliche Störzonen bewältigt. Gesteinsschüttungen und Wassereinbrüche hatten ganze Dörfer, die oberhalb der Baustelle am Berg lagen, absacken lassen. Immerhin ist das Bauwerk, die Kosten werden auf 2,8 Milliarden Euro geschätzt, zehn Jahre früher fertig als der neue Tunnel am Gotthard. Der soll mit 57 Kilometer dann zwar der längste der Welt sein, aber frühestens 2017 in Betrieb gehen. Bis dahin muss der Basistunnel am Lötschberg den Verkehrszuwachs auffangen. Die schnelle Taktfolge mit bis zu 110 Zügen pro Tag bedingt aufwendige Sicherheitsvorkehrungen.

In der Röhre selbst sind 3200 Brandmelder installiert, 175 Sicherheitsschleusen und feuersichere Tore eingebaut. 133 Kameras überwachen den laufenden Betrieb, 437 Telefone und 16 Kommunikationszentralen sollen im Ernstfall die Erreichbarkeit, alle 333 Meter Querstollen den Fluchtweg sichern.

In der Röhre sind 3200 Brandmelder installiert, 175 Sicherheitsschleusen und feuersichere Tore eingebaut. 133 Kameras überwachen den laufenden Betrieb, 437 Telefone und 16 Kommunikationszentralen sollen im Ernstfall die Erreichbarkeit, alle 333 Meter Querstollen den Fluchtweg sichern. (Foto: Foto:)

10.000 sogenannte Ertüchtigungsfahrten, von denen bislang rund 3000 absolviert wurden, sind vorgeschrieben, um das Bauwerk von Dezember an fest in den Fahrplan einbinden zu können. In aufwendigen Szenarien wurde der Ernstfall geprobt, bei dem auch die Schienenfahrzeuge der Retter schnell sein müssen, um mit bis zu 100 Kilometer pro Stunde an den Einsatzort vordringen zu können. Die Schweizer SBB, für die Sicherheit im Tunnel zuständig, schickte im Dezember einen mit Messinstrumenten vollgestopften Spezial-ICE der Deutschen Bahn ins Loch, um die Stabilität des Fahrwegs und der Oberleitung bei bis zu 280 km/h zu testen. Dem ETCS kommt eine wichtige Aufgabe zu, da bis zu 30 Züge in schneller Folge mit herkömmlichen Signalen kaum zu bewältigen wären.

Das neue System fragt über einen in die Lokomotive eingebauten Sende-Empfänger sogenannte Transponder, eine Art elektronische Kilometersteine, ab, die ins Gleisbett eingelassen sind, und bestimmt daraus die Position. Die Ortsangabe wird via Mobilfunk in ein Kontrollzentrum übertragen, das sämtliche Züge überwacht, die sich auf der Strecke be-finden, und auf ausreichende Sicherheitsabstände achtet. Wiederum per Funk wird die Erlaubnis für die Weiterfahrt samt Geschwindigkeitsangaben und Streckendaten jeweils direkt auf die Instrumententafel des Zugführers übertragen. Zwischen den Ortungen ermittelt ein Bordrechner über Achssensoren, Beschleunigungsmesser und permanente Weg-Zeit-Messung die eigene Position.

Das digitale Zugsicherungssystem wurde bislang nur auf wenigen Strecken erprobt, erstmals 1999 zwischen Wien und Budapest. Seither folgten Hochgeschwindigkeitsstrecken zwischen Madrid und Lleida und in Deutschland zwischen Halle, Leipzig und Berlin. In der Schweiz ist das System seit Ende März auf einer 47 Kilometer langen Neubaustrecke zwischen Olten und Bern mit 240 bis 260 Zügen pro Tag in Betrieb.

Noch muss das Zugpersonal Handys für die Kommunikation benutzen

Am Lötschberg funktionierte das ETCS in der Testphase einwandfrei. Dennoch bleiben Risiken. Sollte sich das System aufhängen, könnte der Betrieb im Lötschberg nur noch im Schritttempo ablaufen. Sicherheitshalber hätte man noch ein paar herkömmliche Signale in Reserve halten können, darauf wurde aber aus Kostengründen verzichtet.

Unter der Rubrik "noch zu bewältigende Herausforderungen" vermerkte die SBB noch im April, dass die Programmierung des ETCS zwar "sicher" sei, aber "robuster" werden müsse. Ein Fehler in der Software hatte die Anzahl der Ausfälle erhöht, wenn der mit dem ETCS gekoppelte Sprechfunk genutzt wurde. Als Übergangslösung verwendete das Zugpersonal nicht die eingebauten Funkgeräte, sondern kommunizierte per Handy.

© SZ vom 9.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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