Eine Spinnerei? "Nein, nein", sagt Michael Alber, Chef des Software-Unternehmens Abona mit Sitz in Bruchsal bei Karlsruhe. "Wir haben das solide durchgeplant." Mit einer Studie habe ein Ingenieurbüro erst kürzlich die grundsätzliche Machbarkeit eines Lkw-Parkhauses nachgewiesen, und ein Patent habe er für seine Idee auch schon angemeldet, sagt der Unternehmer. Seine Idee, das ist der "Truck-Tower", eine Art Groß-Parkhaus für Lastwagen. Damit, glaubt Alber, könnte man einige Probleme auf den Autobahnen lösen. Vor allem das der überfüllten Parkplätze.
Wer oft auf Autobahnrastanlagen unterwegs ist, der kennt das Bild: Vor allem zum späten Nachmittag hin drängen sich die Lkw auf den Stellflächen. Weil nicht genügend Parkplätze vorhanden sind, stellen viele Fahrer ihre Trucks auch in Nothaltebuchten oder in den Verzögerungsstreifen der Rastplätze ab, ziehen den Vorhang im Führerhaus zu, legen sich in die Koje - und werden so nicht selten zur Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer. Immer wieder berichten Autobahnpolizisten davon, dass Autofahrer insbesondere in der Dämmerung oder bei Nacht auf die verbotswidrig abgestellten Laster nahezu ungebremst auffahren. Mit teils tödlichen Folgen. Fachleute schätzen, dass bundesweit bis zu 30 000 Lkw-Stellplätze fehlen.
Software-Unternehmer Alber will das mit seiner Idee nun ändern. Das Ganze funktioniere "ähnlich wie ein Hochregallager", beschreibt er die Konstruktion. Der Fahrer steuert seinen Lkw vor der Einfahrt auf eine Waage und gibt an einem Terminal an, wann er voraussichtlich wieder abfahren wird. Dann lenkt er den Lkw im Erdgeschoss auf eine Art überdimensionierte Stahlpalette. Steuern weitere Fahrer das Parkhaus an, werden die Paletten (mit den Lkw darauf) dank einer intelligenten Software rauf- und runterbewegt, und zwar so, dass am Ende, wenn der Fahrer wieder losfahren will, der richtige Truck zur richtigen Zeit wieder im Erdgeschoss bereit steht. Der Clou bei der ganzen Herumheberei: Das schwerere Fahrzeug zieht dabei durch sein Gewicht das leichtere Fahrzeug nach oben, lediglich unterstützt durch eine Hydraulik. "So wird eine optimale Energieeffizienz erreicht", verspricht Alber.
Der Vorteil: Auf einer Fläche, auf der bisher vielleicht zwei oder drei Lkw unterkommen, lassen sich in Albers Hochregallager bis zu sieben Trucks stapeln. Mehr noch: In einem angeschlossenen Motel könnten die Fahrer übernachten - und so die Vorgaben der EU erfüllen, die ja vor Kurzem den Fahrern verboten hat, ihre wöchentlichen Ruhezeiten im Lkw zu verbringen. In der Praxis allerdings scheitert dies oft zum einen an der mangelnden Bereitschaft der Spediteure, ihren Fahrern eine Hotelübernachtung zu bezahlen. Und zum anderen daran, dass die Fahrer keine geeigneten Stellplätze für ihre Trucks finden.
Tatsächlich gaben in einer Studie des Automobilzulieferers ZF Friedrichshafen vor einigen Jahren 40 Prozent der befragten Lkw-Fahrer die Parkplatzsituation als einen hohen Stressfaktor in ihrem Berufsalltag an. Zumal empfindliche Strafen drohen, wenn die Trucker ihre Ruhezeiten nicht einhalten - und sei es, weil sie keinen Parkplatz finden. Die Politik immerhin, sagt Martin Bulheller vom Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), habe zuletzt viel getan, um das Problem irgendwie in den Griff zu kriegen.
So wurden laut jüngstem Verkehrsinvestitionsbericht des Bundesverkehrsministeriums von 2008 bis Ende 2016 auf den Autobahn-Rastanlagen etwa 15 000 neue Lkw-Stellplätze geschaffen. "Weitere rund 1900 Parkstände sind bundesweit in Bau und eine Vielzahl in Planung", heißt es da weiter. Insgesamt habe der Bund seit 2008 mehr als 950 Millionen Euro in die Verkehrsflächen der Rastanlagen investiert. Doch die Zahl der neu gebauten Plätze hält mit dem starken Güterverkehrswachstum nicht mit. "Wir kommen mit dem Bau nicht hinterher", sagen Praktiker aus den Bauverwaltungen der Länder, die im Auftrag des Bundes die Autobahnen betreuen.
Hinzu kommt: Finden Trucker keinen Platz zum Ruhen, steigt deren Unfallrisiko. "Es ist zu vermuten, dass ein nicht unbeträchtlicher Anteil von Lkw-Unfällen auf Übermüdung der Fahrer zurückzuführen ist", heißt es beispielsweise in einem Positionspapier des ADAC. Umso wichtiger sei es, den Bau neuer Stellplätze zu forcieren, so der Klub weiter. Das allerdings ist gar nicht so einfach: Selbst wenn das Geld vorhanden ist, stehen oft nicht genügend Flächen zur Verfügung oder die Genehmigungsverfahren ziehen sich in die Länge, beispielsweise weil Anwohner oder Naturschutzverbände Einsprüche erheben, etwa wegen des immensen Flächenverbrauchs.
Der Automobilklub setzt daher auch auf technische Lösungen. Beim "Kolonnenparken", das beispielsweise auf einem Parkplatz an der A 3 bei Montabaur vor einigen Jahren installiert wurde, werden ankommende Lkw nach Abfahrtszeit und Länge eng hintereinander gereiht, sodass mehr Laster auf die gleiche Fläche passen. Ähnlich läuft es beim "Kompaktparken", das seit 2016 auf einer Raststätte an der A 3 bei Neumarkt in der Oberpfalz getestet wird. Allein dort wurden laut Bundesverkehrsministerium vier Millionen Euro investiert. Auf der A 9 zwischen München und Nürnberg wurden zudem etwas mehr als ein Dutzend Rastplätze mit Messfüh- lern für ein Parkleitsystem ausgestattet, das Lkw-Fahrern helfen soll, die wenigen freien Parkplätze leichter aufzuspüren. Doch bislang kamen solche Anlagen kaum über das Stadium von Pilotversuchen hinaus. Anfang September hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nun ein "Innovationsprogramm Logistik 2030" vorgestellt. Darin verspricht er, dass vom Jahr 2022 an "auf ausgewählten Parkplätzen telematische Lkw-Parkleitsysteme sukzessive mit der Technik für intelligente Verkehrssysteme ausgestattet werden".
Doch den zunehmenden Lkw-Verkehr an sich stoppen auch solche Systeme nicht, kritisiert Anja Smetanin vom Auto Club Europa (ACE). Sie fordert daher, die Schiene für den Güterverkehr attraktiver zu machen, beispielsweise müssten Bahnstrecken und Verladeterminals ausgebaut werden. "Wir haben schlicht zu viel gewerblichen Güterverkehr auf den Straßen", sagt sie. Die Bundesregierung versucht, mit einem "Masterplan Schienengüterverkehr" die Güterbahn zu stärken. Doch Bahnlobbyisten kritisieren, dass viele Punkte des Masterplan-Programms zu langsam angegangen werden. "Wir verlieren wertvolle Zeit", heißt es beispielsweise beim Verband deutscher Verkehrsunternehmen.
Unternehmer Alber hat nun Anfang Dezember einen Termin im Bundesverkehrsministerium, um seine Truck-Tower-Idee vorzustellen. Er würde gerne auf einem Rastplatz in der Region um Karlsruhe ein Pilotprojekt hochziehen. Dort treffen die stark frequentierten Autobahnen A 8 und A 5 aufeinander, Staumeldungen im Radio sind Alltag. "Wir stecken hier mittendrin im Chaos", sagt Alber. Im Ministerium dürfte es dann auch um die Frage gehen, wie viel so ein Lkw-Parkhaus kosten würde. Konkrete Zahlen nennt Alber nicht; das hänge auch davon ab, wie groß so ein Pilotprojekt ausfallen würde. Nur eines sagt er: "Das bewegt sich im Millionenbereich."