Lkw-Fahrer auf Alaskas Ice Road:Soweit ihn die Räder tragen

John Schank vor seinem Freightliner

Der bekannteste Trucker Alaskas: John Schank vor seinem Freightliner. 2015 brachte er damit den Weihnachtsbaum zum Kapitol.

(Foto: Imhof)

John Schank fährt mit seinem Truck dort, wo Alaska am kältesten und gefährlichsten ist. Eine Geschichte über Einsamkeit, besondere Auszeichnungen und einen Weihnachtsbaum.

Reportage von Brigitte von Imhof

Es war wieder einmal eine jener Touren, für die John Schank statt der üblichen elf bis zwölf Stunden vier Mal so lange brauchte. Eine gewaltige Schnee-Eis-Gerölllawine hatte die Straße am Atigun Pass verschüttet, sie war erst 36 Stunden später wieder passierbar. Zuvor hatte ein Schneesturm den Dalton Highway kurz nach Überquerung des Yukon Rivers so verblasen, dass Schank seinen Truck auf Schritttempo drosseln musste. Doch irgendwann war das Ziel in Deadhorse erreicht und Schank konnte sein Transportgut - tonnenschwere Plattformen für Ölbohrtürme - zum Entladen freigeben.

"No big deal, das ist die spezielle Würze, die meinen Job ausmacht", sagt John Schank und winkt lapidar ab. Seit mehr als 40 Jahren ist der 63-Jährige mit seinem riesigen Truck in einer der abgelegensten, kältesten und gefährlichsten Gegenden der Welt unterwegs. Seine "Rennstrecke" ist der Dalton Highway, den sie da oben nur "Ice Road" nennen. Sie führt ihn von Alaskas zweitgrößter Stadt Fairbanks durch eine menschenleere Eiswüste hinauf ans Nordmeer, wo Alaskas Ölfelder liegen und die Trans-Alaska-Pipeline beginnt. Diese verläuft größtenteils überirdisch auf Stelzen, teils unterirdisch, parallel zur Straße von der Prudhoe Bay 1200 Kilometer südwärts nach Valdez. Dort wird das Öl verschifft.

Unkalkulierbare Risiken

Blizzards, Schneeverfrachtungen und eisige Temperaturen garnieren den Job für die Alaska-Trucker mit unkalkulierbaren Risiken. Immer wieder werden die Lkws wie Spielzeugautos von der Straße gefegt, vor allem, wenn sie leer und leicht zurückfahren. Daher belädt John auf der Rückfahrt seine Anhänger mit wassergefüllten Containern. "Knock on wood!", sagt er und klopft sich mit den Fingerknöcheln dreimal an den Kopf. "Fünf Millionen Meilen und kein einziger Unfall - da gehört verdammt viel Glück dazu."

Macht ihm die Einsamkeit in dieser lebensfeindlichen Region nicht arg zu schaffen? "Ich bin viel allein, aber nicht einsam", sagt er nachdenklich. "Ich bin mit den Kollegen, die auf der Strecke unterwegs sind, über Funk in Sprechkontakt. Wir tauschen uns aus, ob es irgendwelche Vorfälle auf der Straße gibt, unterhalten uns über die Familie, unsere Urlaube, manchmal fühle ich mich im Cockpit wie in einem Chatroom." Nicht zu vergessen die Touristen, die sich mit der Reise auf dem Dalton Highway einen Abenteuertraum erfüllen. Im Sommer erleben sie die Mitternachtssonne, im Winter warten sie auf Polarlichter am Himmel. Der einzige Truck Stop liegt etwa auf halber Strecke in Coldfood, nach Überqueren des mächtigen Yukon Rivers.

"Trucker des Jahres"

Während die meisten Alaska-Trucker mit 55 Jahren in Rente gehen, hat Schank mit Ruhestand noch nicht viel am Hut. Als er im Jahr 2014 von der Lkw-Vereinigung Alaska Trucking Association zum "Truck Driver of the Year" gekürt wurde, hat er das genutzt, um bei seinem Arbeitgeber, dem Logistikunternehmen Lynden Transportation, um Vertragsverlängerung zu bitten. "Ich sagte meinem Boss, dass ich meinen Job liebe, mich topfit fühle und gerne noch ein paar Jahre dranhängen möchte, am liebsten so lange, bis auch meine Frau Nancy reif für die Rente ist." Sie ist bei der gleichen Firma als Fahrerin von Pilotfahrzeugen angestellt und begleitet John regelmäßig bei Touren mit besonders großen oder delikaten Frachten.

Die Geschäftsführung von Lynden war nicht nur hocherfreut über Johns Entschluss, sondern stellte ihrem besten Mann den besten Truck aus dem Fuhrpark zur Verfügung, einen 600 PS starken, 28 Tonnen schweren "Coronado" von Freightliner. Der Lkw-Hersteller aus Detroit gehört seit 1981 zum Daimler-Konzern.

Die berühmteste Fracht? Ein Weihnachtsbaum

Doch das sollte nicht die einzige Überraschung für Schank bleiben. Als er wenige Monate später von einer Tour nach Fairbanks zurückkam, wurde er ins Büro seiner Bosse beordert. Man habe einen Spezialauftrag für ihn: Schank solle den Transport des Weihnachtsbaums für den US-Kongress, auch "People's Tree" genannt, übernehmen. "Das war natürlich eine große Ehre, und mir war schon klar, dass dies eine ganz besondere Tour werden würde", erzählt er.

Was ihm aber nicht klar war: Die Fahrt geriet zu einem Medienspektakel sondergleichen. Der 6500 Kilometer lange Weg von Alaska quer durch den Kontinent an die Ostküste nach Washington D. C. war mit PR-Terminen gepflastert. Es galt Schulen und Ausrüstungsshops zu besuchen, Sponsoren zu treffen und Interviews zu geben. "Ich habe in diesen zwei Wochen mehr Leute um mich gehabt und mehr geredet als in allen meinen Berufsjahren zusammen", sagt John und lacht.

Stockdunkel und minus 40 Grad

Am 20. November 2015 rollte er mit seinem Truck, auf dem die 25 Meter lange Lutz-Fichte geladen war, in der amerikanischen Hauptstadt vor dem Kapitol ein. Hier wurde der Baum abgeladen, aufgestellt und prächtig geschmückt, bevor er in einem landesweit gespannt verfolgten Mediengewitter erleuchtet wurde.

Längst ist bei John Schank wieder Ruhe eingekehrt. Jetzt ist er wieder ein ganz normaler Trucker, allerdings auf einer ganz und gar nicht normalen Strecke. "Die klimatischen Bedingungen könnten nicht extremer sein", erzählt er. Jetzt im Sommer geht die Sonne überhaupt nicht unter, es wird über 30 Grad warm, die sonst so karge Landschaft wirkt plötzlich heiter. "Da sind immer viele Expeditionsfahrzeuge unterwegs."

Im Winter dagegen muss man schon hartgesotten sein, um sich hierher zu verirren, wenn einen der Beruf nicht dazu zwingt. Über Monate ist es stockfinster, die Temperaturen fallen auf bis zu minus 40 Grad. John Schank macht das nichts aus. "Zum Fahren", sagt er, "bevorzuge ich die Dunkelheit."

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