Süddeutsche Zeitung

Leserreaktionen zum Diesel-Urteil:"Der Bürger muss mal wieder zahlen"

Das Bundesverwaltungsgericht erlaubt Diesel-Fahrverbote. Drei Viertel der mehr als 40 000 befragten SZ-Leser aber sprechen sich dagegen aus. Welche Punkte ihnen besonders wichtig sind.

Die möglichen Fahrverbote für Diesel treiben die Bundesrepublik um. Das zeigt sich auch in der Leserschaft von SZ.de. "Sind Dieselverbote der richtige Weg?" Diese Frage haben wir den Lesern gestern gestellt, nachdem das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig den Weg für entsprechende Fahrverbote in besonders belasteten Städten frei gemacht hat. Mehr als 40 000 Menschen haben uns geantwortet.

Das Ergebnis zeigt: Viele SZ-Leser halten die Entscheidung der Leipziger Richter für falsch, fast drei Viertel der Teilnehmer haben so abgestimmt. In den Begründungen schreiben sie immer wieder, dass sie nicht für die Fehler der Autoindustrie büßen wollen. Er sei nicht bereit, "das verbrecherische Handeln der Autoindustrie hinzunehmen", schreibt etwa Wolf h. "Die haben mir vor vier Jahren ein Auto verkauft, das nun nur noch eingeschränkt verwendbar ist." Dementsprechend sei es auch an den Herstellern, die Fahrzeuge nachzurüsten und dies auch zu finanzieren. "Der Bürger muss mal wieder zahlen", kritisiert auch Kerstin.

So sieht es auch der Leser Heinz B. "Die Politik und die Hersteller (Verursacher) ducken sich einfach weg. Das ist extrem frustrierend", schreibt er. Und befürchtet, dass der Skandal auch "zu weiterer Politikverdrossenheit" führen könnte.

Andere SZ-Leser sind gegen die Verbote, weil sie die in manchen Städten geltenden Stickoxid-Grenzwerte für zu gering halten. "Am Arbeitsplatz gelten Grenzwerte, die 20 mal so hoch sind. Ich habe noch niemanden gesehen, der acht Stunden lang direkt an der Straße steht. Diese Werte, die in den Städten gelten, sind willkürlich gesetzt und entbehren jeglicher Grundlage", schreibt mhaub1967.

Ein Nutzer, der sich bezeichnenderweise Pro Diesel nennt, argumentiert, dass die Diesel gar nicht für einen Großteil des in den Städten gemessenen Feinstaubs verantwortlich seien. 89 Prozent davon seien "natürlichen Ursprungs". "An den restlichen 10 Prozent ist der Diesel nur marginal beteiligt. Hier wird eine politische Schlacht mit ganz anderen Hintergründen gegen den Diesel geführt." H.R verweist auf die Feinstaub-Belastung durch Flugzeuge, und Jannis findet, dass "alle Autos an der Luftbelastung beteiligt sind". Hier bedarf es jedoch einer Einordnung: Nicht die Feinstaub-, sondern die Stickoxidbelastung in Städten hat die Richter am Bundesverwaltungsgericht zu ihrer Entscheidung veranlasst.

Weitere Leser halten die Fahrverbote schlicht für sozial ungerecht. "Weil es nicht vom Geldbeutel abhängig sein sollte, wer in eine Stadt einfahren darf und wer nicht", schreibt MPawlak. So wird der Gentrifizierung und auch dem Sterben der Innenstädte deutlich zugearbeitet. Hofi stimmt zu. Viele Besitzer alter Dieselautos könnten sich ein neues Auto nicht leisten. "Darum fahren sie ja ein altes Auto", schreibt er.

Dem gegenüber stehen 26 Prozent, die die möglichen Fahrverbote begrüßen. Zu ihnen zählt zum Beispiel Marlene. "Weil mir Gesundheit wichtiger ist als Mobilität mit Motor." Holger J. stimmt zu. Die Gesundheit der Menschen sei wichtiger "als die Gewinnmaximierung einiger Automobilkonzerne", schreibt er.

Andere finden die Entscheidung richtig, weil sie Politik und Industrie unter Druck setze. "Die Autokonzerne müssen für ihre Sauerei geradestehen, und wenn der öffentliche Druck erst mit einem Dieselverbot groß genug wird, dann muss es eben diesen Weg nehmen", schreibt Herr Schubert. Auch ideefix sieht es so, "weil nur so die Industrie gezwungen werden kann, etwas für ihre gutgläubigen Kunden zu tun und die Fahrzeuge nachzurüsten". Und MarkusSpr findet: "Die Politik und die Kfz-Industrie brauchen mehr Druck als bisher. Es ist traurig, dass wir hier Gerichte brauchen und die Moral nicht ausreichend ist."

Pia T hofft sogar, dass die Verbote für Dieselautos nur der erste Schritt seien. "Der zweite müssen Kreuzfahrtschiffe und Schiffverkehr u.a. auf dem Rhein sein", fordert sie.

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SZ.de/bepe/harl
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