Süddeutsche Zeitung

Lesergeschichten zum Fahrradhelm:"200 Gramm Lebensversicherung"

Lesezeit: 3 min

Ein Fahrradhelm senkt das Verletzungsrisiko um bis zu 70 Prozent. Warum trägt nicht jeder Radler einen? SZ-Leser antworten.

Ein Fahrradhelm kann Leben retten, das dürfte kaum jemand anzweifeln. Trotzdem tragen nur zwischen sieben und 21 Prozent der Erwachsenen einen. Wir haben SZ-Leser gefragt, warum sie es tun - oder eben nicht.

Tobias R.(54) fährt bei jedem Wetter 15 Kilometer täglich mit dem Rad. Seine Geschichte belegt die Aussage, dass erst, wer selbst einen Unfall hatte, den Helm nicht mehr lästig findet. Ein schwerer Sturz an einer ungesicherten Baustelle hat vor zehn Jahren seinen Helm gespalten. "Bis auf ein paar Prellungen blieb ich unversehrt." Er wundert sich, warum so wenige Menschen einen Fahrradhelm tragen.

"Ich fahre seit rund 30 Jahren mit Helm", schreibt Matthias H. (46). Vor ein paar Jahren hat er seinen Kopf bei einem selbst verursachten Sturz "vor schlimmeren Folgen des Bordsteinkontakts bewahrt. Ohne Helm fühle ich mich nackt - also immer mit!" Tobias S. (42) sagt kurz und prägnant: "Nie ohne, bei jedem Wetter. 200 Gramm Lebensversicherung."

Die Helm-Gegner führen unterschiedliche Gründe an. "Unbequem und unpraktisch" findet Benedikt J. (21) die Kopfbedeckung: "Eine zusätzliche Last, sobald ich mein Rad abstelle. Ich meine mich zu erinnern, in einem Artikel auf SZ.de mal gelesen zu haben, dass in den Fahrrad-Metropolen Kopenhagen und Amsterdam die Mehrheit keinen Helm trägt. Wenn wir in Deutschland etwas rücksichtsvoller fahren würden, dann könnte der Helm auch hierzulande getrost in der Garage verstauben."

Ein weiteres Argument, das immer wieder gegen den Helm vorgebracht wird, ist sein Aussehen: "Nein, ich trage keinen Helm. In meiner Altersklasse sind Helme durch alle sozialen Schichten hindurch verpönt - Spießerindiz Nummer 1 sozusagen. Auch ich kann mich diesem sozialen Druck nicht entziehen. Ich suche aktuell jedoch nach einem unauffälligen Modell, welches man problemlos unter einer Cap oder Mütze verstecken kann." Wenn sie sowas finden würde, wäre Nina P. (20) begeisterte Helmträgerin.

Seine persönliche Freiheit führt hingegen Wolfgang G. (50) an und sagt: "Fahrradhelm? Niemals!" Das Skifahren würde er aufgeben, wenn es da eine Helmpflicht gebe. Beim Radeln ist es ähnlich. "Ich bin auch schon mal mit dem Motorrad ohne Helm erwischt worden. Gemütlich auf einer Nebenstrecke cruisen - da stört der Deckel auf dem Kopf bloß."

"Die Helmpflicht könnte Autofahrer noch rücksichtsloser handeln lassen"

Eine Helmpflicht sehen die meisten Leser kritisch - auch wenn diese in anderen Ländern zu einer höheren Quote an Helmträgern geführt. Philipp E. weist darauf hin, dass nach der in Australien eingeführten Helmpflicht " die Radnutzung stark gesunken ist. Was folglich das Risiko auf der Straße für die verbleibenden Fahrradnutzer erhöht." Horst S. trägt selbst zwar seit 30 Jahren "selbstverständlich" Helm, genau wie seine Frau. Doch auch der 52-Jährige hält eine Pflicht zum Helm für falsch: "Denn in allererster Linie schaden sich die Nicht-Helmträger ja selbst."

"Der Helm ist sinnvoll und ich trage ihn beim Fahrradfahren bei Bedarf, also im dichten Verkehr in der Stadt, bei schneller Fahrt und gefährlichem Untergrund", schreibt Enrico C. (49): "Bei einer Spazierfahrt oder schwachem Verkehr verzichte ich oft auf einen Helm. Die Helmpflicht könnte im Gegenteil Autofahrer noch rücksichtsloser handeln lassen, als das jetzt schon leider manchmal der Fall ist."

Martin C. (34) hingegen spricht sich für eine Helmpflicht aus: "Ich wundere mich immer wieder, wie Radfahrer in der Freizeit auf Forstwegen stets einen Helm tragen (weil das wohl zum Sport dazugehört), aber dann im Stadtverkehr darauf verzichten. Gerade in der Stadt gibt es so viele äußere Einflüsse und Gefahren, die - unabhängig vom fahrerischen Können - zum Sturz führen können. Der Kopf ist doch das Wichtigste, was wir haben! Ich denke, eine Helmpflicht in der Stadt macht durchaus Sinn, auch im Hinblick auf die Vorbildfunktion für Kinder. Irgendwann fragt mich dann mein Sohn, wieso er denn unbedingt ein Helm tragen muss, wenn alle anderen es nicht tun."

Aus den selben Gründen ist auch Matthias J. "ausdrücklich für Helmpflicht". Der 59-Jährige findet es "völlig unverständlich, so viele Erwachsene ohne Helm radeln zu sehen, neben sich die behelmten Kinder". Er könne schlecht von seinem Sohn verlangen, einen Helm zu tragen, wenn er selbst es nicht tue. Die Helmpflicht möge zwar vordergründig gegen Persönlichkeitsrechte verstoßen, es gebe aber auch eine "Vorsorgepflicht": "Welch eine Belastung für Angehörige (oder auch das Sozialsystem), sich um die Pflege Unverantworlicher kümmern zu müssen!"

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