10.000 Leihfahrräder für Paris:"Velorution" statt Revolution

Sie sehen aus wie eine Mischung aus Kinderfahrrad und Designer-Velo - und sie sollen den Pariser Stadtverkehr vor dem endgültigen Kollaps retten.

Seit Sonntag können Einwohner und Touristen in Paris mehr als 10.000 Leihfahrräder mieten. Wochenlang ärgerten sich die Pariser über die vielen Bauzäune in der Stadt, dann standen über Nacht an 750 Plätzen reihenweise graue Fahrräder bereit.

Fahrräder in Paris

Bürgermeister Bertrand Delanoe weiht die erste Verleihstation ein.

(Foto: Foto: AFP)

Einen Tag nach dem französischen Nationalfeiertag, der an den Beginn der Revolution erinnert, erlebe Paris seine "Velorution", schreibt die Zeitung Le Figaro. Derzeit läuft in vielen französischen Wohn- und Esszimmern tagtäglich einer der Sender, die die Tour de France ausstrahlen. Doch von der Begeisterung über die radsportlichen Leistungen der Profis bis zum eigenen Tritt in die Pedale ist es für die Pariser anscheinend ein großer Schritt: Bislang war Fahrradfahren in der Seine-Metropole vor allem etwas für Touristengruppen, die als mobile Verkehrshindernisse die Straßen rund um die Sehenswürdigkeiten verstopfen.

Doch der alltägliche Verkehrswahnsinn lässt dem sozialistischen Bürgermeister Bertrand Delanoë keine Wahl. Er muss versuchen, die Hauptstädter zum Umstieg vom Auto auf die abgasfreien Zweiräder bewegen. "Das Auto hat in der Großstadt von heute keine Zukunft mehr", meint er. Im Schnitt gibt es in der Stadt jeden Tag etwa 400 Kilometer Stau. Paris gehört mit nur gut 100 Quadratkilometer Stadtfläche zu den am dichtesten besiedelten und zugleich kleinsten Metropolen der Welt.

"Velorution" statt Revolution

Preiswerter geht's kaum: Für 30 Euro das ganze Jahr radeln

Das neue System nennt sich "Vélib". Potenzielle Radler müssen ein Abo erwerben, das 1 Euro pro Tag kostet, 5 Euro pro Woche oder 30 Euro für das ganze Jahr. Die erste halbe Stunde ist jeweils gratis.

Die Räder können an jeder beliebigen Station geliehen und abgegeben werden. Bezahlt wird dort mit Kreditkarte. Die schlicht und stabil gebauten Räder haben eine Dreigangschaltung, Rücktritt und einen Drahtkorb für Einkäufe. Schutzhelme werden empfohlen, sind aber nicht ausleihbar.

Paris hat inzwischen gut 370 Kilometer Fahrradwege, in vielen Fällen dürfen Radler die abgetrennten Bus- und Taxispuren nutzen. "Wenn ich mit dem Rad fahre, habe ich wenigstens etwas von der Sonne", meint ein Jugendlicher. "In Paris sind die Wege zum Glück nicht weit, ich werde den Service nutzen, wenn ich abends ausgehe", meint ein junges Mädchen.

Auf zwei Rädern durch den Dschungel

Die Fahrräder bieten sich auch für Touristen an, die auf ihren Wegen durch die Stadt mehr sehen wollen als nur Metroschächte. Doch der Pariser Verkehr wird es ihnen nicht leicht machen. Laut einer Studie des Versicherungskonzerns Axa sind die Pariser die miserabelsten Chauffeure der Republik.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: