Leichtbau im Auto:Extra light

Früher waren die deutschen Hersteller schon erfolgreich, wenn sie starke Motoren und solide Technik anboten. Künftig geht es darum, wer die leichtesten Autos baut.

Thomas Fromm

BMW macht es besonders spannend. Der Konzern hütet sein Geheimnis, als wäre die Nachricht aus Oberbayern die Weltformel. Am 21. Februar dann will der Autobauer den Namen der neuen Carbonauto-Marke, die intern bisher nur unter dem Namen Mega City Vehicle kursiert und 2013 auf den Markt kommen soll, bekannt geben. I can't wait schreiben die PR-Strategen des Konzerns auf ihre Einladungen für jenen Februartag, der in die Geschichte des Autos eingehen soll.

Es geht Schlag auf Schlag. In der gleichen Woche laden Audi und seine italienische Luxus-Tochter Lamborghini Journalisten zum öffentlichkeitswirksamen "Techday Leichtbau" nach Neckarsulm und Sant'Agata Bolognese ein.

n der vergangenen Woche gab Daimler eine umfassende Zusammenarbeit mit dem japanischen Partner Toray bekannt. Ziel: Die Stuttgarter wollen mit Hilfe der Japaner erstmals Autoteile aus Carbon herstellen, die in Großserie gefertigt werden. Man wolle "Marktführer bei Kohlefaserverbundstoffen werden", kündigte der Konzern vollmundig an. Daher der Pakt mit Toray, dem größten Kohlefaserhersteller der Welt.

Und auch als VW in der vergangenen Woche ausgerechnet im Öl-Emirat Katar sein Ein-Liter-Auto XL 1 präsentierte, war Carbon mit im Spiel.

Audi, BMW, Daimler, VW - beim Thema Leichtbau laufen die PR-Maschinen der Hersteller derzeit auf Hochtouren. Kaum hat der eine seine Nachricht zum Thema platziert, legt der andere nach. Leichtbau, da sind sich die Experten einig, ist eine der Währungen, die die Zukunft der Konzerne entscheiden. Die Frage, ob ein Auto ein paar Kilo schwerer oder leichter ist, kann entscheiden: Top oder Flop.

Die Frage der Zukunft: das Gewicht

Vor allem die Premiumhersteller aus München, Stuttgart und Ingolstadt müssen sich Gedanken über das Gewicht ihrer Limousinen machen. Da ist zum einen die EU, die den Druck erhöht und darauf drängt, dass die CO2-Emissionen in den nächsten Jahren drastisch gesenkt werden. Jedes Kilo weniger drückt den Benzinverbrauch.

Noch wichtiger aber wird die Gewichtsfrage bei den künftigen Elektroautos. Es ist eine einfache Kalkulation: Durch die schweren Akkus sinkt die ohnehin niedrige Reichweite noch mehr, also müssen die Ingenieure am Gewicht arbeiten.

Eine der Lösungen: Carbon. Der Stoff stammt ursprünglich aus der Weltraumforschung, wiegt weniger als Aluminium und ist trotzdem steinhart. Im Rennsport wird das Material schon seit Jahrzehnten eingesetzt - und nur dort, wo das große Geld fließt, konnte man es bislang auch bezahlen.

Denn bei einem Preis von zehn bis 15 Euro pro Kilo kostet es immer noch doppelt so viel wie Aluminium und ist bis zu 50 mal teurer als Stahl. Und dennoch scheint langfristig kein Weg an Carbon vorbeizugehen. Vor allem externe Firmen wittern an der Seite der großen Hersteller das große Geschäft.

Den Anfang machten vor anderthalb Jahren BMW und die Wiesbadener Firma SGL Carbon. Gemeinsam stellt man nicht nur die Carbonfaser für das Leichtbau-Fahrzeug Mega City Vehicle her und baut eigens dafür ein Werk im Nordwesten der USA. Gemeinsam haben die Unternehmen auch die gleiche Aktionärin: Es war die Quandt-Erbin und BMW-Großaktionärin Susanne Klatten, die Anfang 2009 über die Beteiligungsgesellschaft SKion beim Kohlenstoff-Spezialisten SGL Carbon eingestiegen war.

Großes Rätsel: Was macht Audi?

Das Rezept ist einfach: Indem man den teuren Werkstoff Carbon gleich im Familienverbund produziert, lassen sich nicht nur die Kosten besser kontrollieren. Branchenkenner sahen darin einen geschickten Schachzug der Münchner, um sich einen veritablen Vorsprung vor den Wettbewerbern zu verschaffen.

Möglich, dass auch dem Daimler-Großaktionär Abu Dhabi ein solcher Familienzusammenhalt vorschwebt. So zitiert die Financial Times Deutschland Chadim al-Kubaissi, den Chef der Staatsholding IPIC: Man wünsche sich eine engere industrielle Kooperation, meinte der Vertreter des Scheichtums.

Zum Beispiel beim Leichtbau. Wenn schon BMW und SGL Carbon gemeinsame Sache machen, könnten sich ja auch Daimler und der österreichische Kunststoffhersteller Borealis enger zusammentun. Immerhin hält Abu Dhabi nicht nur 64 Prozent an Borealis, sondern auch neun Prozent an Daimler.

Den Arabern geht es um mehr als die zwei Milliarden Dollar, die sie für ihren Anteil in Stuttgart auf den Tisch geblättert haben. Ähnlich wie die Quandt-Erbin Susanne Klatten bei BMW und SGL Carbon könnten auch sie ihre Anteile strategisch nutzen und auf Kooperationen drängen. Bei Daimler heißt es, man beziehe bereits seit Jahren Kunststoffkomponenten von Borealis. Toray aber sei der exklusive Partner, wenn es um das Thema Carbon gehe.

Daimler will schon 2012 damit beginnen, Carbon einzusetzen - ausgerechnet bei den teuren Cabrio-Modellen SL und SL AMG. Zunächst gehe es aber nur um Einzelteile. "Wir setzen nicht auf ganze Carbonautos, sondern auf einen Mix aus verschiedenen Materialien", sagt eine Sprecherin in Stuttgart.

Auch wenn BMW mit seinem Carbonauto erst 2013 kommt - die Münchner gelten schon heute als die Pioniere. Nun schauen alle gespannt auf den Rivalen Audi. Bislang hatten sich die Ingolstädter aus dem Carbon-Wettbewerb herausgehalten und auf Aluminium gesetzt.

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