Süddeutsche Zeitung

Lang-Lkw:Verstoßen die Gigaliner gegen EU-Recht?

  • Zum Jahreswechsel hatte Verkehrsminister Dobrindt die als "Gigaliner" bekannten Lang-Lkw vom Test- in den Regelbetrieb überführt.
  • Dagegen wächst nun der Widerstand. Die Allianz pro Schiene und die Deutsche Umwelthilfe reichten eine Klage gegen deren Zulassung in Berlin ein.
  • Fachleute fürchten, dass dies nur der Anfang ist und bald noch größere und schwerere Lastwagen über die Straßen rollen.

Von Markus Balser, Berlin

Noch rollen nur wenige der überlangen Lkw-Gespanne über deutsche Straßen. Doch ihre Zahl dürfte in den nächsten Monaten spürbar steigen. Denn überraschend schnell gab Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zum Jahresanfang bestimmte Teile des deutschen Straßennetzes für einige Groß-Lkw-Typen grundsätzlich frei. Sie dürfen auf mehr als 10 000 Straßenkilometern fahren - vor allem auf Autobahnen. Viele Speditionen bereiten deshalb den Einsatz der Riesentrucks im Normalbetrieb vor.

Doch dem Ministerium und auch den Betreibern der Gefährte droht Ärger, bevor es so richtig losgeht. Denn der Bahn-Lobbyverband Allianz pro Schiene und die Deutsche Umwelthilfe wollen gerichtlich stoppen, dass es auf deutschen Straßen immer mehr solcher übergroßen Lkw gibt. Die beiden Verbände reichten am Dienstag eine entsprechende Klage gegen Zulassung von sogenannten Gigalinern für den regulären Verkehr in Deutschland in Berlin bei Gericht ein. Offiziell wollen die Verbände ihre Klage am Mittwoch vorstellen.

"Die unbefristete Zulassung von Gigalinern verstößt gegen EU-Recht", sagt der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege. Die sogenannten Gigaliner dürfen bis zu 25,25 Meter lang und 44 Tonnen schwer sein. Im Jahr 2012 hatte ein Feldversuch mit den Großlastwagen begonnen. Nach und nach durften diese in der Mehrzahl der Bundesländer auf bestimmten Straßen fahren. Der Feldversuch endete eigentlich mit dem zurückliegenden Jahr. Doch per Verordnung ermöglichte Dobrindt zum Jahreswechsel, dass Gigaliner auf den entsprechenden Straßen weiter unterwegs sein können.

Dabei sind Sicherheitsrisiken und verkehrspolitische Probleme noch nicht ausgeräumt. Dobrindts Erlaubnis im Handstreich hatte deshalb bereits für heftige Verwerfungen innerhalb der Bundesregierung gesorgt. Das Bundesumweltministerium warf Dobrindt zum Jahreswechsel nicht abgestimmtes Verhalten und eine verkehrspolitische Fehlentscheidung vor. Auch Bahnverbände kritisierten, der Minister knicke erneut vor der Autolobby ein.

Lang-Lkw könnten ein Sicherheitsrisiko sein

Die Kläger glauben, dass Dobrindt mit der Zulassung gegen EU-Recht verstößt, das nur unbefristete Tests erlaube. Kritiker fürchten mit den großen Gefährten neue Probleme auf deutschen Straßen. Sie warnen, Lastwagen mit Überlänge könnten zum Sicherheitsrisiko werden. Weder Nothaltebuchten in Tunnels noch Rastplätze seien in den Abmessungen passend, daher steige die Unfallgefahr.

Aber auch verkehrspolitisch gibt es Widerstand. Der Einsatz solcher Lkw im größeren Stil würde den Schienenverkehr hart treffen, weil noch mehr Verkehr auf die Straße abwandern könnte. Neue Einbußen aber könnten den Abwärtstrend der ohnehin angeschlagenen Güterbahnen in Deutschland noch zusätzlich beschleunigen. Dabei sei es das Ziel der Politik, Verkehr von den überfüllten Straßen zu holen. Nach Angaben des Verkehrsministeriums können zwei Fahrten mit einem Lang-Lkw drei Fahrten mit herkömmlichen Lastwagen ersetzen. So könnten die Effizienz gesteigert und Kraftstoff gespart werden.

Kommen nun sogar deutlich schwerer Lastwagen?

Auch der Bundesrechnungshof hatte gegenüber dem Ministerium deutliche Kritik am schnellen Übergang aus der Testphase in den Regelbetrieb geübt - schon vor der Verabschiedung der Verordnung im Dezember. "Aufgrund der bisherigen Prüfungsergebnisse halten wir die Überführung der Lang-Lkw der Typen 3 bis 5 in den Regelbetrieb für verfrüht", schrieb die Behörde unter dem Briefkopf des Präsidenten Kay Scheller an das Ministerium. Man prüfe die Planungen des Ministeriums zum Einsatz der Lang-Lkw, hieß es zuletzt aus der Behörde. Das Verfahren sei nicht abgeschlossen, eine abschließende Bewertung gebe es bislang nicht.

Fachleute erwarten, dass die Erlaubnis der Einstieg in noch größere Nutzfahrzeuge sein könnte. Zwar gilt hier zu Lande für Lkw eine Gewichts-Begrenzung von 44 Tonnen. Holland und Dänemark aber hatten genau wie Deutschland ihre Testfahrten mit etwa 40 Tonnen schweren Riesen-Lkw begonnen und erlauben nun 60 Tonnen. In Schweden sind mittlerweile sogar 90 Tonnen schwere Gigaliner im Dauereinsatz.

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SZ vom 05.04.2017/harl
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