Land Rover Experience Tour:Himmelfahrtskommando auf Marco Polos Spuren

Range Rover, Land Rover, Geländewagen

Im Range Rover SD4 unterwegs entlang der Seidenstraße

(Foto: STG)

Wüstenstaub, Schneefall auf 5231 Metern und 16.000 Kilometer in 52 Tagen: Von Berlin nach Mumbai in einem Land Rover Evoque. Zu Belohnung gibt's einen traumhaften Ausblick auf den Mount Everest. Die Land Rover Experience Tour ist nichts für zarte Naturen - und auch nichts für Arme.

Von Thomas Becker

Es ist eine beinahe trübsinnige Runde, die da im runtergekommenen Everest Snow Leopard Guesthouse Nudelsuppe und Tee mit Yak-Milch schlürft. Schuld sind ein paar Wolken, die den Blick auf den berühmten weißen Riesen verstellen. Mehr als 5000 Kilometer in rund zehn Tagen haben die 20 Männer und zwei Frauen in den Knochen, mussten schon schlucken, als die Fahrt zum Basislager ausfiel, und jetzt hängt in Tingri, einem gottverlassenen tibetischen Kaff an der Bundesstraße G 318, dieses Gewölk vor dem 70 Kilometer entfernten Everest.

Die tiefenentspannten Straßenköter kümmert das kein bisschen; Sie wissen auch nicht, dass dies der einzige Punkt auf der G 318 ist, von wo aus man den höchsten Berg der Welt sehen kann. Die staubige Einfahrt des Guesthouses hoch, hinter dem linken Strommast, etwa auf 11 Uhr: Da steht er - wenn es nicht gerade wolkig ist.

Nur einer verliert die gute Laune nicht: Chef-Organisator Dag, eine rheinische Frohnatur aus dem Bilderbuch, von früh bis spät mit Energie aufgeladen, als käme er frisch von der Steckdose. Ähnlich entspannt wie die streunenden Hunde sagt er: "Jungens, jetzt essen wir mal 'ne Suppe, trinken 'nen Tee, und dann gucken wir mal." Eine Suppe und zwei Tee später gucken wir wieder - und der Everest ist da! Wenigstens fast. Eine Flanke, beschienen von der Nachmittagssonne: imposant ist untertrieben.

Losreißen jetzt!

Und schon ist dieser wahnwitzige Marathon wieder die tollste Tour der Welt, folgt prompt ein Streckenabschnitt mit Krieg-der-Sterne-Landschaft, vorbei an längst verlassenen Siedlungsresten, einer Schafherde samt zahnlosem Schäfer, in derart perfekt kitschigem Licht, dass der Fotograf den Finger gar nicht mehr vom Auslöser bekommt. Und später, oben am Pass auf 4800 Meter: weiße Klötze, eine Kette von 8000ern im allerletzten Licht, irreal nahe. Losreißen jetzt! Endlose Serpentinen später ein Kaff, das an das zerschossene Beirut erinnert, wo Kühe den Müll fressen und wir die letzte Nacht auf 3800 Metern verbringen, bevor es runter in den Dschungel geht, in den Linksverkehr von Nepal, ins vogelwilde Tohuwabohu von Kathmandu. Willkommen bei der Land Rover Experience Tour!

Seit zehn Jahren veranstaltet der englische Geländewagenhersteller ambitionierte Ausflüge in die mehr oder weniger nähere Umgebung. Mal ging es durch Island, dann durch Jordanien, Namibia, Malaysia, Kanada, die Anden, den Regenwald am Amazonas - und diesmal entlang der Seidenstraße: von Berlin nach Mumbai, rund 16.000 Kilometer in 52 Tagen. Die Königsetappe: von Bischkek in Kirgistan durch die chinesische Taklamakan-Wüste und das tibetische Hochland bis hinab nach Kathmandu. Auf Marco Polos Spuren - mit dem 190 PS starken Turbodiesel eines Land Rover Evoque. Allein die Organisation von Visa und anderen Erlaubnissen überfordert einen Normalsterblichen. Es ist eine Tour, die man nicht kaufen kann: Man wird aus 30.000 Bewerbern ausgewählt, absolviert mit 60 anderen in einem ehemaligen Steinbruch bei Wülfrath ein Qualifikations-Wochenende und könnte dann einer der wenigen Glücklichen sein. Erst die Rückführung der Autos im kommenden Frühjahr ist für jedermann buchbar: sechs Etappen von März bis Mai. Kostenpunkt: zwischen: 2700 und 4600 Euro pro Etappe.

Was bleibt

Was nach rund 5600 Kilometern bleibt, sind Eindrücke, die bleiben werden. Schwer fassbare Bilder von absurd überladenen 50-Tonnern mit kochenden Bremsen und null Profil auf den Reifen, auf Pisten, auf denen man mit dem Land Rover schon gut zu tun hat. Von motorisierten Dreirädern, die komplette Großfamilien samt Hausstand und mittelgroßen Schafherden transportieren. Von ordentlich herausgeputzten nepalesischen Kindern in Schuluniform, inmitten unfassbarer Armut. Vom kirgisischen Reiter-Wettkampf "Ziegen-ziehen", der hoch zu Ross vier-gegen-vier ausgetragen wird. Von der Schweinehälften-Desinfizierung auf dem Markt von Golmud - mit dem Bunsenbrenner. Von ständig wechselnden chinesischen "Begleitern" in schwarzen oder weißen Toyotas mit Magnet-Wechselkennzeichen.

Von herrlichen Verbrüderungsszenen mit heillos betrunkenen Chinesen im "Hotel for oversea visitors" beim Mondfest in der uigurischen Stadt Hotan. Von Schafsuppe und anderen Dinner-Überraschungen. Von Umweltverschmutzung und Naturzerstörung in der Erdöl-Region Huatugou. Vom höhenkranken Radio-Kollegen am Sauerstoff-Tropf. Vom Pinkelpausen-Rekord auf der 19 Stunden und knapp 1200 Kilometer langen Marathonetappe. Von mit riesigen Parabolspiegeln geheizten Teekesseln vor maroden Häusern, ein paar Meter neben einem hochmodernen Solar-Park. Von Radlern mit dicken Satteltaschen, die sich sogar über 5000er-Pässe quälen. Vom Erste-Hilfe-Verbot vor Lhasas Potala-Palast: "Wenn sich ein tibetischer Mönch anzündet: umdrehen und ab ins Hotel!"

Sechs Totalschäden in 5000 Kilometern

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Langweilig wurde es wirklich nicht

(Foto: STG)

Von Frauen, die an der chinesisch-nepalesischen Grenze für ein paar Cent fast billardtischgroße Pakete über die "Brücke der Freundschaft" schleppen, das Kleinkind noch vorn auf der Brust. Vom Mitfahrer, der erst bei etwa Kilometer 5000 beichtete, dass er schon sechs Totalschäden hatte. Von nach Langnasen-Fotos verrückten Chinesinnen: "You're so handsome!" Und natürlich von Landschaften, die unterschiedlicher kaum sein können: eine Nacht bei minus neun Grad in der Jurte, drei Tage 35 Grad Hitze in der Wüste, plus 21 Grad auf 4700 Metern in der tibetischen Hochebene, Schneefall am höchsten Punkt der Tour auf 5231 Metern. Langweilig wurde es wirklich nicht.

Und den Everest? Haben wir dann auch noch gesehen, in voller Pracht, bei strahlendem Sonnenschein - dank Buddha Air: Eine Stunde Rundflug von Kathmandu aus kostet 200 Dollar und ist jeden Penny wert.

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