Lancia New Stratos:Schwarze Magie

Der Besitzer eines Autozulieferers erfüllte sich seinen Lebenstraum: Er ließ bei Pininfarina die Reinkarnation des Lancia Stratos aufbauen.

Georg Kacher

Er wirkt herrisch, manchmal mürrisch, wenig zugänglich. Ein echtes Alphatier eben, Multimillionär und Arbeitgeber für 17.000 Menschen, Selfmadeunternehmer und Sportwagen-Aficionado mit einer Vorliebe für klassische Rallye-Autos. Die Rede ist von Michael Stoschek. Mr. Brose besitzt einen 1974er-Stratos, doch seit er sich vor fünf Jahren auf dem Genfer Salon in das Fenomenon Show Car des österreichischen Designers Chris Hrabalek verliebte, wuchs in den Stoscheks (Sohn Max fiel nicht weit vom Stamm) der Wunsch, die italienische Sportwagen-Ikone neu zu erfinden.

Für 100.000 Euro erwarb der Investor einen Zehn-Prozent-Anteil am New-Stratos-Projekt, aber schon ein Jahr später nahm er die Zügel selbst in die Hand: "Rund 50 Prozent des Designs trägt meine Handschrift, etwa 20 Prozent hat meine Frau beigesteuert. Etienne Salomé kümmerte sich vor allem um die Proportionen." 2006 begannen Hrabalek und Stoschek, Kleinserienhersteller abzuklappern und Angebote für den Aufbau eines Einzelstücks einzuholen.

Man hatte sich auf den Ferrari 430 Scuderia als Ausgangsprodukt geeinigt, beim Thema Herstellung landete man schließlich bei Pininfarina. Stoschek schwärmt: "Die Italiener haben tolle Arbeit geleistet. Das überzeugende Ausgangsprodukt wurde noch besser - in Bezug auf die technischen Inhalte, aber auch was den Umbau und die Verarbeitung angeht." Luca Bagogno von Pininfarina nickt zustimmend, erzählt aber auch von schlaflosen Nächten, dem typisch-deutschen Qualitätswahn und den nicht enden wollenden Änderungswünschen.

So gestaltete sich die Mutation von Scuderia zu Stratos als Totalumbau. Die Karosserie wurde vom Chassis getrennt, den Radstand kappte man um 20 Zentimeter, die Überhänge sind jetzt 13 Zentimeter kürzer, und dank Karbonaufbau mit wegklappbaren Halbschalen wiegt der Wagen nur noch 1247 Kilo - 80 Kilo weniger als der Ferrari, aber fast 270 Kilo mehr als der Ur-Stratos. Jedes einzelne Gramm kam auf die Goldwaage. Schrauben aus Titan senkten das Gewicht um 2,5 Kilo, trieben aber die Kosten um 20.000 Euro nach oben.

Der 80.000 Euro teure Titanauspuff hält zwar nur 5000 km, wiegt aber deutlich weniger und bringt mehr Leistung. Das Ferrari-Aggregat mobilisiert jetzt 540 statt 510 PS. Damit spurtet der Karbon-Keil in drei Sekunden von 0 auf 100 km/h. Knapp sieben Sekunden später ist die 200-km/h-Marke erreicht. Die Lenkung wurde durch eine elektrisch unterstützte ersetzt, das E-Diff musste einer mechanischen Sperre weichen, das Getriebe hat man mit einer noch aggressiveren Elektronik gepaart, die Starterbatterie ist eine 4,2 Kilo leichte Lithium-Ionen-Miniatur.

Wenn man ein paar Millionen in ein Auto investiert hat, das es nur ein einziges Mal gibt, mischt sich Besitzerstolz fast automatisch mit Sorge.

Erlaubt ist, was Spaß macht

Zum Beispiel, als sich der Chronist am Steuer austoben darf, mit Rennprofi Tiago Monteiro am Beifahrersitz. Erlaubt ist, was Spaß macht: bei 8000 Touren hochschalten, über die Kerbs räubern, noch später bremsen als der innere Schweinehund, mit der Stabilitätskontrolle in Position Race den Lastwechselsschlag antesten.

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Der Karbon-Aufbau des New Stratos mit aufklappbaren Halbschalen steht für das Streben nach extremem Leichtbau.

Das Heck ist übereifrig, doch erst ohne ESP-Assistenz schmiert der Lancia, der keiner ist, selbst im dritten Gang so elegant weg wie ein schwarzer Brogue beim Austreten einer Zigarette. Die sehr präzise Lenkung kommt vergleichsweise entspannt zur Sache, die Vorderachse baut deutlich langsamer Grip auf als die Hinterhand, das Drexler-Differential keilt kräftiger aus als die serienmäßige Drehmomentverteilung.

Etwa 650.000 Euro würde er kosten, der New Stratos by Brose & Pininfarina. Im Preis enthalten ist ein Scuderia-Spenderfahrzeug, für das man rund 150.000 Euro anlegen muss. Die Stoscheks behalten sich das Recht vor, Kunden zu akzeptieren und abzulehnen. Schließlich will man keine Parvenus in die Familie holen, "die nicht in diesen Kreis passen oder die ihr Auto vergewaltigen, indem sie sich auf irgendeine unpassende Farbe versteifen."

Da versteht er keinen Spaß, der Michael Stoschek, der einen einprozentigen Blauanteil an der Pigmentierung für wünschenswert hält - eine fünfprozentige Rotfärbung dagegen als Geschmacksverirrung ablehnt. Fertigung und Vertrieb würde man wohl an Pininfarina übertragen, denn Brose will kein Fahrzeughersteller sein. Die Werkzeuge reichen für rund 25 Stück.

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