Kymco Like 125:Reise ins Land von Liliput

Ein taiwanischer Roller will Vespa in Deutschland Konkurrenz machen. Das kann er - vor allem wegen eines unschlagbaren Preises. Aber ansonsten ist er eher was für kleinwüchsige Menschen.

Lars Langenau

Ich bin kein Markenfetischist. Nein. Ich bin geheilt worden. Und zwar drastisch. Als ich in meiner Jugend einmal eine Zeitlang Popper sein wollte, kaufte ich mir Burlington-Socken. Meine Mutter kommentierte das trocken: "Popper? Junge, das können wir uns nicht leisten."

Seit zwei Wochen sitze ich auf Kymco Like 125. Das ist ein Motorroller, ein 125er. Und laut Eigenwerbung der "erste Italiener aus Taiwan". Vulgo die gute alte Vespa gegen ein Modell aus Asien. Wie 08/15-Socken von C&A gegen die guten, vorher erwähnten im Karo-Look. Nun gut, über Socken kann man die Hose ziehen, falls man nicht Hochwasser hat. Dann sieht man das nicht so. Schlechter Vergleich also.

Dabei ist ein Roller doch eher so etwas wie ein T-Shirt, man zeigt es her, zeigt sich, stellt was dar. Das T-Shirt ist das Make-up des Mannes. Oder wie ein Rasierwasser, auch wenn er nicht so gut riecht. Doch bei fahrbaren Untersätzen geht es um Fahrkomfort, Sicherheit, Ausstattung und weniger ums Aussehen.

Dabei sieht der Like schnittig aus, vermittelt wirklich italienisches Flair und macht schon was her in seiner Kombination von "klassischem Design und modernen Elementen", wie der Importeur aus Weiden preist. Von weitem kann man einen Taiwaner schon mal für einen Italiener halten. Das war es dann aber auch schon. Aus der Nähe betrachtet sieht das etwas anders aus.

Schnittiges Design

Aber warum sollte das gleich schlechter sein? Man denke an die Socken von C&A, die ja nur einen Bruchteil der Popper-Socken kosten. Und schließlich überzeugt die 125-ccm-Version des Like mit einem unschlagbaren Preis: 1995 Euro. So steht man an der Ampel, ein Roller des italienischen Originals kommt vorbei, bleibt auch stehen, der Fahrer lüpft ein wenig die Sonnenbrille und schaut dann verächtlich rüber. Man kommt sich schon ein wenig doof vor, wenn das Markengerät neben einem steht. Aber dann sage man einfach mit hochgezogener Augenbraue: "Tja, kostet nur 1,9" - und brause davon.

Das ist Genugtuung! Genugtuung für das Schicksal einer Jugend in C&A-Klamotten und dem langjährigen Glauben, die Rasierwasser von Tabac oder Old Spice seien das ideale Geschenk für Väter. Der Like jedenfalls kostet nur die Hälfte der aktuellen Modelle von Vespa: 3799 für den Vespa LX, 3999 Euro für die Vespa S 125 oder 4399 Euro für den GTS Super.

Genug des Vorgeplänkels. Gehen wir an die Substanz: Der Like ist ein hübsches Ding, das jedoch besser nach Neuperlach als nach Schwabing (oder Offenbach und Frankfurt) passt. Aber auch in Neuperlach oder Offenbach kann man Selbstbewusstsein behalten. Wenn man es schafft, C&A-Socken als das zu nehmen was sie sind: Gebrauchsgegenstände.

Etwas mehr Spritzigkeit wäre schön

Und ein Gebrauchsgegenstand ist ein Roller und was für einer, gerade im Sommer. Immer schön rechts und links am Stau vorbei und nebenbei die Zigarettenasche auf die stehenden Lamborghini pusten. Großartig. Auch sitzt man auf dem Like hoch. Fast wie in einem SUV haben wir uns mal gedacht, als wir an der Ampel beim P1 in München standen. Aber die Selbstüberhöhung war wohl nur dem Standort an der Münchner Nobeldisko geschuldet.

Der Like jedenfalls trägt die Handschrift des italienischen Fahrzeugdesigner Massimo Zaniboni, den wir zwar bislang nicht kannten, aber dessen Namen sich irgendwie toll und kreativ anhört. Der Like ist formschön, glänzt toll und macht beim Aufdrehen ein wohliges Geräusch wie von einer Harley - oder war das eher das eines taiwanischen Reiskochers? Jedenfalls grummelt der Viertaktmotor angenehm vor sich hin. Und wir oben drauf grummeln selig mit.

Besinnen wir uns auf die Kritik: Der Roller aus Taiwan verfügt nur über kleine Rückspiegel. Die sind kugelrund, sehen putzig aus, sind aber leider, leider, zumindest unvorteilhaft bei der Verkehrssicherheit. Da sie 1.) schwer verstellbar sind und 2.) einfach ungeeignet, weil zu mini, um den rückwärtigen Verkehr beobachten zu können. Das muss man zwar nicht allzu oft, weil das Teil rund 90 km/h fährt und man oft auf und davon ist, wenn die anderen kommen. Aber an der Ampel zieht er nicht so, wie man sich das gedacht hat. Der Antritt ist wahrlich nicht berauschend.

Gehen wir nochmal zurück zu dem Wort Mini. Man könnte auch sagen: Liliput. Denn irgendwie ist der Like ein Fahrzeug für kleine Menschen. Vielleicht sollte man wenig mehr als 1,10 oder meinetwegen 1,27 Meter groß sein. Wir jedenfalls sitzen mit 1,93 Metern eher geduckt auf dem Teil. Und zweifeln aus gutem Grund an der stabilen Seitenlage des Rollers in Kurven. Natürlich können wir hier keinen ADAC-Elchtest machen, aber die kleinen Reifen sollten in Kurven zum ehr vorsichtigen Fahren anhalten.

Summa summarum: Der Like von Kymco ist ein nur fast perfekter Roller. In den Zulassungszahlen der beliebten 125-ccm-Klasse ist er sogleich auf den zweiten Platz gestürmt. Aber er ist etwas für kleinwüchsige Menschen. Für die, die vorzugsweise C&A-Socken tragen.

Kymco Like 125: 7 kW bei 8000 U/min; 125 ccm; 6,5 Liter Tankinhalt; Fliehkraft-Kupplung; Elektro- und Kickstarter; Scheibenbremsen hinten und vorn; Leergewicht: 116 Kilogramm

Weiter Informationen unter www.kymco.de

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