Koreaner auf dem Genfer Autosalon:Hyundai und Kia: Ein Konzern, zwei Rivalen

Der neue Hyundai Ioniq auf dem Genfer Autosalon 2016.

Der neue Hyundai Ioniq ist eines der interessantesten Autos des diesjährigen Genfer Salons.

(Foto: AP)

Die Blauen gegen die Roten, wie beim Fußball: Statt als Einheit aufzutreten, achten die koreanischen Schwestermarken auf strikte Trennung. Das funktioniert - noch.

Von Peter Fahrenholz und Joachim Becker

Augenfälliger könnte die Distanz nicht sein. Während Volkswagen auf dem gegenwärtigen Genfer Autosalon seine Marken VW, Škoda und Seat in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander positioniert, zeigen die Koreaner ihre Autos so weit voneinander entfernt wie möglich. An einem Ende der Ausstellungshallen die Blauen (Hyundai), am entgegengesetzten Ende die Roten (Kia). So, als ob niemand merken soll, dass beide Marken Geschwister sind, die letztlich beide in die Kasse der Konzernmutter Hyundai wirtschaften. Und die technisch wie vom Design her keineswegs so eigenständig sind, wie sie sich in Deutschland gerne präsentieren.

Denn das wird von oben gesteuert und zwei Deutsche spielen dabei die wichtigste Rolle. Für die gestalterische Gesamtlinie ist Peter Schreyer verantwortlich, einer der renommiertesten Autodesigner der Welt, der mehr als zwei Jahrzehnte bei VW gearbeitet hat und dort zahlreichen Modellen seinen Stempel aufgedrückt hat. Und im Motorenbereich soll der langjährige BMW-Mann Albert Biermann für mehr Pep und Innovation bei der Korea-Flotte sorgen.

"Entweder man ist blau, oder man ist rot"

Doch während in Asien ganz klar ist, dass Hyundai die Leitmarke ist und Kia dahinter folgt, etwa so wie zwischen VW und den Tochtermarken des Konzern, ist das Bild auf dem deutschen Markt völlig anders. Hier agieren Hyundai und Kia im Bewusstsein der Käufer auf Augenhöhe, wer hier als attraktiver oder höherwertiger wahrgenommen wird, ist von Modell zu Modell unterschiedlich. Und lässt sich auch ziemlich genau ablesen, denn die Modellpalette von Hyundai und Kia unterscheidet oder ergänzt sich nicht, sondern ganz im Gegenteil: Zu praktisch jedem Hyundai-Modell gibt es einen vergleichbaren Kia-Konkurrenten.

Dass die geschwisterliche Zuneigung ihre Grenzen hat, merkt man ziemlich schnell, wenn man mit den Protagonisten beider Seiten redet. "Entweder man ist blau, oder man ist rot", sagt Markus Schrick, Chef von Hyundai-Deutschland und erzählt die Anekdote von dem Russen, der von der russischen Kia-Dependance in die Europa-Zentrale von Hyundai wechselte und auf die Frage, wie man denn mit Kia umgehen solle geantwortet habe: "Kill Kia".

Wenn Hyundai-Mann Schrick über das Binnenverhältnis zu Kia redet, klingt das zwar friedfertig ("Hyundai ist der große Bruder"), zugleich aber schimmert aber auch jene leichte Herablassung durch, die der Größere gerne gegenüber einem Kleineren an den Tag legt. So, wie wenn Angela Merkel etwas Nettes über Sigmar Gabriel und die SPD sagt. Mit Kia trage man einen "friedlichen, sportlichen Wettbewerb" aus, sagt Schrick und vergisst nicht, hinzufügen, dass Hyundai in Deutschland ungefähr doppelt so viele Autos wie Kia verkaufe. Hyundai sei "etwas höherwertiger" positioniert als Kia, lässt Schrick wissen und zitiert den Chefdesigner Schreyer, der mal gesagt habe, Hyundai sei der Wassertropfen und Kia die Schneeflocke. Umgekehrt lassen die Kia-Leute keinen Zweifel daran, wen sie für den dynamischeren Teil des Konzerns halten: sich selbst.

Manchmal hat Kia die Nase vorn

Denn vom Standpunkt der kleineren Schwestermarke sieht die Welt ganz anders aus: "Kia kann alles. Wir sind die Spaß- und Dynamik-Marke und haben die Power zu überraschen", sagt Artur Martins. Kias Marketing-Chef für Europa kann sich gut vorstellen, statt 380 000 Fahrzeuge wie im vergangenen Jahr mehr als eine halbe Million im Jahr 2020 allein in Europa zu verkauften.

Mindestens genauso wichtig wie die Verkaufszahlen sind die Profitabilität und Wertschätzung der Kunden: SUV-Modelle wie der Kia Sportage werden häufig mit Vollausstattung geliefert und liegen damit im Segment der Volumenmodelle bis 4,50 Meter Länge vorn. Im koreanischen Duell gegen den Hyundai Santa Fe hat der gefällig gestylte Sorento von Kia die Nase vorn. Dass der neue Kia Optima Sportswagon wegen seines schicken Designs auf dem Genfer Autosalon bereits als Alfa Romeo aus Asien gehandelt wird, dürfte den Neid des großen Konzernbruders nicht mindern.

Strikt getrennter Vertrieb

Vertriebsmäßig gehen die Korea-Geschwister in Deutschland strikt getrennte Wege. Es gibt nur noch eine Handvoll Händler, die aufgrund von Altverträgen beide Marken anbieten. Auch da drängen die Oberen darauf, dass die Autos nicht in den gleichen Showrooms stehen. "Wir wollen beide Marken nicht bei einem Händler haben", sagt Schrick. Geschadet hat diese Strategie des Getrennt-Marschierens beiden Marken in Deutschland bisher nicht. Denn während der Konzern wegen der Krise in China seine Gesamtabsatzziele im vergangenen Jahr leicht verfehlt hat, konnten sowohl Hyundai als auch Kia in Deutschland für 2015 satte Zuwächse melden, Hyundai um 8,6 Prozent, Kia um vier Prozent.

Doch inzwischen geht es nicht mehr nur darum, immer mehr Autos zu verkaufen. Im Ranking der weltweit wertvollsten Unternehmen klettern beide Marken beständig nach oben: Kia vom 87. Platz im Jahr 2012 auf den 74. Platz im vergangenen Jahr. Hyundai hat sich allerdings schon auf den 40. Rang direkt nach Ford vorgearbeitet. Damit liegen die Koreaner vier Zähler vor Audi und deutlich vor Porsche.

Eines der interessantesten Autos des Genfer Salons

Den Ruf der Billigheimer, die hässliche Hartplastikbomber zu günstigen Preisen verkaufen, haben die Koreaner längst abgestreift. Jetzt geht es um die nächste Stufe: Nicht bloß als Autobauer wahrgenommen zu werden, der gefällig aussehende, verlässliche Fahrzeuge zu attraktiven Preisen produziert, sondern auch bei technischen Innovationen ganz vorne mitzuspielen und damit einen Hauch von Premium zu verströmen.

Das Potenzial dazu ist da. In Genf präsentierte Hyundai mit dem Ioniq eines der interessantesten Fahrzeuge der gesamten Messe. Das erste Serienmodell, das je nach Kundenwunsch, mit drei alternativen Antrieben angeboten wird: als Hybrid, als Plug-in-Hybrid, den man an der Steckdose aufladen kann, und als reines Elektrofahrzeug. Und mit dem Preis möchte man den direkten Konkurrenten Toyota Prius deutlich unterbieten.

Längst fahren die Koreaner im Rückspiegel der Japaner

Der Ioniq ist nicht das einzige, was die Koreaner beim Spritsparen in der Pipeline haben. In Rüsselsheim werden effiziente Vierzylindermotoren entwickelt - mit so gut wie allem, was an moderner Technik derzeit möglich ist. Das ist auch nötig, denn bisher fahren die Koreaner bei der Effizienz hinterher. Schon hantieren Studien mit enormen Strafzahlungen, die Hyundai/Kia 2021 an die EU überweisen müssten, weil die CO₂-Flottengrenzwerte nicht erreicht würden.

"Ich bin sehr optimistisch, dass es nicht dazu kommen wird, sagt einer, der es wissen muss: Michael Winkler leitet das Motorenentwicklungszentrum in Rüsselsheim: "Wir bringen mit dem Ioniq und dem Kia Niro eine neue Plattform speziell für elektrifizierte und vollelektrische Fahrzeuge noch in diesem Jahr auf den deutschen Markt. In Rüsselsheim arbeiten wir auch an 48-Volt-Systemen." Audi wird diese Mild-Hybrid-Technologie im SQ 7 erstmals in Serie bringen. Doch die Koreaner sind den Ingolstädtern dicht auf den Fersen: 2014 hatte Kia eine Einstiegsvariante mit dem zweiten Bordnetz und einem elektrischen Turbolader als Studie Optima T Hybrid mit 1,7-Liter-Turbodiesel gezeigt. "Wir haben das Thema 48 Volt sehr früh besetzt und einen 1,6-Liter-Benziner speziell für die Hybride entwickelt", verrät Michael Winkler.

Längst keine Lowtech-Reisschüsseln mehr

Die Koreaner sind also längst keine Lowtech-Reisschüsseln mehr. Und die Gelegenheit, weiter voranzukommen, ist günstig, denn die Japaner geben derzeit kein berauschendes Bild ab. Mit Ausnahme von Mazda, deren Autos mit markantem Design eine in sich schlüssige, abgestimmte Modellfamilie bilden und dem populären Dauerbrenner Nissan Qashqai ist das japanische Angebot, das in Genf zu sehen ist, ein bunter Gemischtwarenladen. Allenfalls der neue Toyota-Crossover C-HR ragt aus dem recht biederen Einheitsbrei heraus. Da haben sowohl die Blauen als auch die Roten derzeit mehr zu bieten.

Doch was den Koreanern abgeht, ist ein klares Image, eine Botschaft, wofür man stehen möchte, ein Sex-Appeal, der unter die Haut geht. Und hier könnte das Nebeneinander und zum Teil auch Gegeneinander der Blauen und der Roten auf Dauer hinderlich werden. Denn um eine Automarke emotional aufzuladen, ist nicht nur ein langer Atem notwendig, sondern auch eine abgestimmte Strategie, die sowohl den Blauen als auch den Roten ein eigenständiges Profil gibt und sie zugleich als Teil eines Ganzen erscheinen lässt.

Selbst im Fußball sind Hyundai und Kia Konkurrenten

"Wir müssen in Themen investieren, die die Emotionen in die Marke wecken", sagt Hyundai-Mann Schrick. Er würde seine Blauen gerne mehr mit dem Fußball verbinden, Hyundai sponsert bereits Welt- und Europameisterschaften. Aber die finden dummerweise jeweils nur alle vier Jahre statt. Für den DFB-Pokal wäre man gerne Partner geworden, doch da habe VW seinen Vertrag verlängert, wie Schrick mit deutlichem Bedauern erzählt. Und die Bundesliga beim Bezahlsender Sky? Tja, das machen die Roten von Kia.

Aber wer weiß, vielleicht gefällt es dem 77-jährigen Firmenpatriarchen Chung Mong-koo im fernen Seoul ganz gut, dass sich die Blauen und die Roten in ständiger Rivalität gegenseitig zu übertrumpfen versuchen. Der regiert das Hyundai-Reich mit harter, Piëch-artiger Hand, was ihm den Beinamen "Der Bulldozer" eingebracht hat.

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