Süddeutsche Zeitung

Kooperation Daimler und BYD:Großer Sprung nach hinten

Daimler will mit der chinesischen Firma BYD Elektroautos auf den Markt bringen. Doch der Partner schwächelt gewaltig.

Thomas Fromm und Marcel Grzanna

Dieter Zetsche wusste, dass die Frage kommen musste. Und so war die Antwort des Daimler-Chefs klar. "Natürlich halten wir an unseren Plänen fest, mit BYD ein Elektroauto für den chinesischen Markt zu bauen", sagte er am Rande der Frankfurter Automesse IAA vor drei Wochen. Schließlich gehöre man nicht zu denen, die irgendwas anfangen, ohne es dann auch zu Ende zu bringen. Das klang ganz nach Zetsche. Es war konsequent.

Und doch ist im September 2011 vieles anders als damals im Mai 2010, als Vertreter beider Unternehmen die Tinte unter ihren Vertrag zur Gründung des gemeinsamen Joint-Ventures "Shenzhen BYD Daimler New Technology" gesetzt hatten.

Da war der Akku- und Autobauer BYD noch ein hoffnungsvolles Zukunftsunternehmen, und in Stuttgart glaubte man an die perfekte Verbindung: Die Deutschen sind zuständig für die Fahrzeugarchitektur und die Sicherheit, die Chinesen für Batterietechnologie und den Elektromotor. Deutsche Ingenieurskunst und chinesische Innovationskraft - eine großartige Mixtur. Doch dann bekam der Mythos BYD erste Kratzer.

Pläne, die nicht eingehalten werden konnten, Gewinnziele, von denen man weit entfernt lag. Allein im ersten Halbjahr waren die Gewinne des Joint-Venture-Partners um 89 Prozent eingebrochen; chinesische Medien berichteten von drastischen Kürzungen in der BYD-Vertriebssparte.

Steigende Kosten, das Ende staatlicher Subventionen für Kleinwagen und wachsende Konkurrenz im Billigsegment setzen den Newcomer, an dem der US-Investor Warren Buffett einen zehnprozentigen Anteil hält, immer mehr unter Druck. Und weil zuletzt auch noch die geplante Massenproduktion des Elektroautos E6 ins Stocken geraten ist, fragen sich viele, ob sich Daimler bei der Partnersuche in China nicht schwer vergriffen hat.

Eigentlich sollte der E6 schon 2009 rollen. Jetzt hat sich der Quereinsteiger aus Shenzhen, der als Hersteller von Batterien 1996 groß wurde und erst 2003 mit dem Autobau begann, das kommende Jahr als Ziel für den Markteinstieg gesetzt. Man habe inzwischen große Fortschritte bei der Massenproduktion der Lithium-Ionen-Akkus erzielt, heißt es aus dem Unternehmen. Das klingt eher nach Evolution als nach Revolution.

Bei Daimler reagiert man gelassen auf die Probleme beim Partnerunternehmen. Was man vor allem von BYD will, seien Batterien. "Die Kombination passt, wenn ein Partner 125 Jahre Erfahrung im Autobau mitbringt und die andere relativ junge Firma bereits langjährige Erfahrungen in der Batterietechnologie gesammelt hat", sagt Asien-Pazifik-Chef Ulrich Walker.

Einmal monatlich tauscht sich der Daimler-Mann mit BYD-Gründer Wang Chuanfu in Shenzhen persönlich aus, um über die Fortschritte im Gemeinschaftsunternehmen, aber auch die stockenden Absatzzahlen bei BYD, zu sprechen. "Ich vertraue Wang und schätze ihn als Visionär", sagt Walker.

Visionen, vor allem darum geht es bei den deutsch-chinesischen Zukunftsplänen. China galt bis vor einigen Wochen als das Land, in dem sich die Elektromobilität als Erstes flächendeckend durchsetzen würde. Dann bremste der Chef selbst die Euphorie. "Die Entwicklung von Elektroautos hat gerade erst begonnen", schrieb Regierungschef Wen Jiabao in seiner Parteizeitung. Und er sei sich nicht so sicher, ob sich diese Fahrzeuge am Ende durchsetzen würden.

Viele dachten da, sie hörten nicht richtig. Denn bislang klang das anders: Bis 2020 sollen fünf Millionen elektrisch betriebene Autos über Chinas Straßen rollen, Hybridfahrzeuge inbegriffen. So steht es übrigens auch im 12. Fünfjahresplan der Regierung in Peking.

Die Realität auf den Straßen aber ist eine andere: Von Mitte 2010 bis 2011 wurden auf dem größten Automarkt der Welt gerade mal 800 Elektroautos verkauft. Zu teuer, zu unzuverlässig, zu geringe Reichweite. Und selbst wenn es die richtigen Autos gäbe: Es fehlt überall an Tankstellen und Reparaturbetrieben für E-Fahrzeuge.

So mancher Beobachter befürchtet bei BYD bereits den großen Sprung nach hinten. Denn der Akku- und Autobauer investiert in diesem Jahr hohe Summen in die Entwicklung herkömmlicher Fahrzeuge. Um aus der Krise zu kommen, arbeitet das Unternehmen an einer generalüberholten Flotte, die im nächsten Jahr auf den Markt kommen soll. Alle Modelle vom Gelände- bis zum Kleinwagen werden dann wahlweise mit Hybridmotor ausgeliefert. Von wegen Elektro.

Von Stuttgart schaut man genau nach Shenzhen, wo gemischte deutsch-chinesische Arbeitsgruppen im Forschungs- und Technologiezentrum am großen Wurf arbeiten. Die Zusammenarbeit laufe gut, heißt es in Stuttgart. Abends gingen Chinesen und Deutsche gemeinsam zum Essen und Trinken. "Das ist gut für das Klima", sagt man bei Daimler.

71 Millionen Euro investieren die beiden Unternehmen; 2013 soll das gemeinsam entwickelte Elektroauto dann auf den chinesischen Markt kommen. 2013 kommt dann auch BMW mit seinem E-Auto i3, genannt Megacity Vehicle. Nur: Der i3 ist, anders als das Gemeinschaftsprojekt aus China, schon zu sehen.

"Wir sind ähnlich weit" heißt es dazu bei Daimler. "Da ist schon ein richtiger Druck drauf." Allerdings handele es sich in China um "deutlich verkürzte Entwicklungszyklen". Mit anderen Worten: Der China-Stromer wird schneller entwickelt als ein Elektroauto für den europäischen Markt.

In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau blieb der Daimler-Chef vor einigen Tagen betont gelassen. BYD leide gerade unter "typischen, erheblichen Wachstumsschmerzen", so Zetsche. "So wenig wie BYD in der ersten Phase über Wasser laufen konnte - so wurde es zum Teil ja dargestellt -, so wenig sind die Manager jetzt alle Versager", sagte er.

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SZ vom 04.10.2011/gf
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