Martin Winterkorn, der ehemalige VW-Chef, ist zwar längst Geschichte, verschluckt vom VW-Dieselskandal. Aber weil das Internet nichts vergisst, kann man Winterkorn auch heute noch auf einem verwackelten Youtube-Video sehen, das aus dem Jahr 2011 stammt. Winterkorn inspizierte damals auf der Automesse IAA in Frankfurt den Hyundai i30, den koreanischen Rivalen des VW-Erfolgsmodells Golf. Und das Video zeigt, wie der sichtlich mürrische VW-Chef die Lenkradverstellung des Konkurrenten auf- und zuschnappen lässt und dann sagt: "Da scheppert nix." Dass der Boss das nicht einfach anerkennend meinte, bekam die um Winterkorn herumwieselnde VW-Entourage umgehend mit. "Warum kann's der? BMW kann's nicht, wir können's nicht, warum kann's der?"
Hyundai hatte damals die zweite Generation des i30 präsentiert, und es ist ein netter Gedanke, was Winterkorn heute sagen würde über die neue, dritte Generation des i30. Nachdem die höherwertigen Varianten seit Januar zu haben sind, kommen die Basisversionen in diesen Tagen zu den Händlern. Und damit steht eine neue Runde im Duell mit dem Golf an. Ist es ein ungleiches Rennen? Oder ist es inzwischen ein Kampf auf Augenhöhe?
Wenn es nur um die Verkaufszahlen geht, braucht man nicht zu reden. Der Golf ist ein Monument, der ewige Primus in seinem Segment. Weltweit wurden seit 1974, als der erste Golf auf den Markt kam, mehr als 33 Millionen Exemplare verkauft. Wenn von Autos in der Größe des Golf die Rede ist, spricht kaum einer von Kompaktklasse oder gar von C-Segment. Es heißt Golf-Klasse, und jeder weiß dann sofort, was gemeint ist. Zumindest auf dem deutschen Markt hat sich noch jeder Konkurrent an dem Wolfsburger die Zähne ausgebissen, egal ob er aus Asien oder Europa stammte oder auch von einer der Marken des eigenen Konzerns.
Jetzt unternimmt Hyundai einen neuen Anlauf, diese Vormachtstellung zu erschüttern. Die SZ hat deshalb beide Autos verglichen, den neuen i30 gegen den gerade erst überarbeiteten Golf der siebten Generation. Gefahren wurde auf der gleichen Strecke, am gleichen Tag, unter den gleichen Bedingungen. Eine Mischung aus Stadtverkehr, Autobahn und Landstraße auf zum Teil sehr holprigen Pisten. Und auch die beiden Modelle, zwei Benziner, waren absolut vergleichbar. Hier der Golf 1,5-Liter TSI ACT mit 150 PS und Doppelkupplungsgetriebe, dort der Hyundai i30 1,4-Liter T-GDI mit 140 PS, ebenfalls mit Doppelkupplungsgetriebe. Der Testgolf hatte die höchste Ausstattungslinie, Highline, der Hyundai die zweithöchste, Style.
Nuancen machen den Unterschied
Optisch ist der Golf wie ein alter Gefährte, an dessen Anblick man sich gewöhnt hat, auch weil man ihn so häufig sieht. Natürlich hat sich das Golf-Design im Laufe der Jahre verändert, aber das waren immer behutsamere Veränderungen, bei denen man manchmal ganz genau hinsehen musste. Hyundai hat dagegen das Design des i30 radikal verändert, der Wagen wirkt wie ein völlig neues Auto und nicht nur wie die Weiterentwicklung eines Vorgängers. Das Team um den deutschen Chefdesigner Peter Schreyer hat ein optisch gelungenes, ja man muss sagen: ein schönes Auto entwickelt, das, anders als die meisten Japaner, den europäischen Geschmack treffen dürfte. Und damit dem Umstand Rechnung trägt, dass Design bei der Kaufentscheidung immer wichtiger wird.
Von den Fahrleistungen her liegen beide Autos im Grunde gleichauf, dass der Golf zehn PS mehr und auch beim Drehmoment einen leichten Vorsprung hat (250 zu 242 Newtonmeter), merkt man auf der Straße nicht. Das gilt auch für die Fahrwerke. Beide lassen sich im Kurvengeschlängel spielend leicht dirigieren und schlucken die vielen Unebenheiten der Straße problemlos. Der Golf vielleicht noch einen Tick besser, denn seine fünf Fahrmodi bieten auch die Stufe Comfort. Hingegen wirkt der Hyundai, der über drei Modi verfügt, im Modus Sport etwas agiler und bissiger als sein deutscher Rivale. Auf der Autobahn spielt wiederum der Golf sein Plus an Komfort aus, er ist leiser, der Hyundai fällt hier ab, wozu auch die störenden Abrollgeräusche seiner Reifen beitragen. Hier könnte womöglich ein Wechsel der Erstbereifung helfen (der Testwagen war mit Michelin Primacy 3 ausgerüstet, der Golf fuhr auf Dunlop Sport Maxx).
Das Kapitel Verbrauch ist seit Jahren ein Trauerspiel. Die Autohersteller belügen mit ihren Verbrauchsangaben die Kunden, und die Kunden wissen, dass sie belogen werden, aber es ändert sich nichts. Hyundai gibt für den Turbobenziner einen kombinierten Normverbrauch von 5,5 bis 5,4 Liter an, tatsächlich ließ sich der Bordcomputer nicht unter 7,1 Liter bringen. Etwas besser machte es der Golf, sein Bordcomputer zeigte am Schluss einen Schnitt von 6,6 Litern an, was aber genauso weit vom Normverbrauch entfernt ist, der mit 5,0 bis 4,9 Litern angeben wird.
Aber die Verbrauchswerte stehen angesichts günstiger Benzinpreise derzeit auch nicht im Fokus der Käufer, die Zauberworte heißen Infotainment und Assistenzsysteme. Und hier sind sowohl der Hyundai als auch der Golf absolut auf der Höhe der Zeit. Digitaler Radioempfang, großes Display (beim Hyundai sitzt es ergonomisch günstig auf dem Armaturenbrett, beim Golf noch nicht), Vernetzungsmöglichkeiten über Apps, viele Funktionen vom Lenkrad aus steuerbar, induktive Auflademöglichkeit für Handys, die diese Funktion schon unterstützen - es bleiben eigentlich kaum Wünsche offen. Beim Golf können bestimmte Funktionen sogar per Gestensteuerung ausgeführt werden. Manchmal wischt man allerdings vergebens, was die Frage aufwirft, ob das nicht eher eine Ingenieursspielerei ist, auf die man auch gut verzichten könnte.
Beim Preis wird es problematisch für VW
Auch an Assistenzsystemen haben beide Autos eine ganze Armada zu bieten, vom Spurhalteassistenten über Geschwindigkeitsregler mit automatischer Abstandsregelung bis hin zu Notbremsassistenten. Der i30 hat in den höheren Ausstattungslinien sogar eine autonome Notbremsung an Bord, die bis Tempo 180 arbeiten soll. "Bitte nicht ausprobieren, aber es funktioniert", scherzt Hyundai-Sprecher Bernhard Voß vor Beginn der Testfahrt.
Das alles hat natürlich seinen Preis, und da beginnt es, für VW problematisch zu werden. Die Einstiegspreise liegen bei i30 (ab 17 450 Euro) und Golf (ab 17 850 Euro) nahe beieinander. Doch diese Preise sind nur die Einstiegsdroge, kaum jemand kauft ein Auto mit nackter Basisausstattung. Mit raffiniert kombinierten Zusatzpaketen ziehen die Hersteller den Kunden das Geld aus der Tasche und machen hier den eigentlichen Gewinn. VW langt da ordentlich hin. Der Testgolf der SZ hatte deshalb einen Endpreis von knapp 41 000 Euro, der vergleichbar ausgestattete Hyundai würde mit 31 000 Euro zu Buche schlagen. Selbst wenn beim i30 noch etwa 2000 Euro für die höchste Ausstattungslinie Premium dazukommen, ist der Golf immer noch 8000 Euro teurer als der i30.
Ist er aber auch um so viel besser? Klare Antwort: nein. Der Golf ist sicherlich das ausgereiftere Auto, was bei mehr als 40 Jahren Entwicklungsarbeit aber auch kein Wunder ist. Wirklich beruhigend ist diese Nachricht für Volkswagen aber nicht. Denn Hyundai zeigt mit dem i30, den es erst seit 2008 gibt, in welch rasantem Tempo man aufholen kann. Das Ziel von Hyundai ist jedenfalls klar: "Wir wollen am Ende eine Alternative zu Volkswagen werden", sagt Voß, "wir wollen auf den Einkaufszettel." Mit dem i30 könnte den Koreanern das gelingen.