Kompaktklasse im Test:So fährt sich der neue VW Golf

Erstklassige Verarbeitung, großzügiger Innenraum und ein hervorragendes Fahrverhalten: Im einem ersten Fahrtest zeigt der neue VW Golf kaum Schwächen. Doch günstig ist der kompakte Wolfsburger nur in der Grundausstattung - und nicht so ökologisch korrekt, wie er sich gibt.

Sascha Gorhau

Der Golf ist für alle da, der automobile Minimalkonsens der Deutschen. Anscheinend wollen jetzt alle Deutschen sportliche Autos fahren. Dynamisch nennen das die Autobauer. Alle Hersteller wollen momentan das dynamischste Auto bauen. Audi und BMW sowieso, Mercedes inzwischen mit Modellen wie der neuen A-Klasse auch und jetzt sogar Volkswagen. Ein Massenfahrzeug wie der Golf muss inzwischen sportliches Flair ausstrahlen, und das in Zeiten von endlichen Ressourcen und allgemeinem Öko-Schick.

Weniger sportlich als komfortabel ist der Innenraum. Hochwertiger ist momentan kein Innen-raum in der Kompaktklasse - die Premiumkarossen von Audi, BMW und Mercedes einmal ausgenommen. Die Qualität und die Verarbeitung der Materialien ist vorbildlich. Die Bedienung bedarf keiner Eingewöhnungszeit und läuft intuitiv. Typisch Golf. Das Platzangebot ist vorne großzügig, hinten geradezu üppig. Im Vergleich zum Vorgänger ist der Raum für die Passagiere im Fond deutlich gestiegen - und dass, obwohl die siebte Generation kaum länger ist als ihr Vorgänger.

"This car is a Go-Kart," sagt ein griechischer Kollege nach seiner ersten Runde mit dem neuen Golf. Was er meint: Knackiger ist der Wolfsburger Kompaktwagen, sportlicher. Das suggeriert schon seine Optik. Er ist breiter und flacher geworden. Die erste Ausfahrt bestätigt den äußeren Eindruck. Gerade die engen Kurven der sardinischen Küstenstraßen offenbarten sein narrensicheres Fahrverhalten.

Komfortabler Fahrbetrieb und präzise Lenkung

Nie lenkte ein Golf präziser, nie fuhr er exakter und spurtreuer durch die Kurve. Letzteres dank einer erstmals serienmäßig verbauten Quer-Differenzialsperre XDS, einer Technik, die einst dem Sport-Golf GTI vorbehalten war. Sie verhindert, dass das innere Rad durchdreht bei zu forscher Fahrt. Doch im Vergleich zum GTI ist der nicht nur auf Sport ausgelegt, sondern ausreichend komfortabel im Fahrbetrieb.

Für 990 Euro Aufpreis lassen sich sogar automatische Fahrprogramme wie beispielsweise Komfort oder Sport auswählen. Sie passen das Fahrverhalten des Wagens auf Knopfdruck den aktuellen Wünschen des Fahrers an. Das funktioniert im Fahrbetrieb hervorragend, lässt sich über einen Touchscreen steuern. Die Bedienung ist einem Smartphonedisplay nachempfunden, gelang im Test ohne Eingewöhnungszeit.

Dabei verbraucht der Golf im Vergleich zur Konkurrenz nicht übermäßig viel Sprit: Der 140-PS-Benziner verbrannte auf der Testrunde exakt sieben Liter im Schnitt. Dieser Wert spiegelt das wider, was momentan in der Kompaktklasse üblich ist. Zukunftsweisend ist er nicht. Beeindruckend sind schon eher die guten Fahrleistungen des Vierzylinders mit nur 1,4 Litern Hubraum. Alle Motoren sind inzwischen Direkteinspritzer, alle Motoren sind turbo-aufgeladen. Damit ist die Zeit der Saugmotoren beim Golf endgültig Geschichte. Bereits im Vorgänger, der sechsten Generation, war nur noch der Basismotor ein klassischer Sauger.

Ära der Saugmotoren endgültig zu Ende

Die Zeiten der Saugmotoren sind bei den Dieseln schon länger Geschichte. Die TDI-Aggregate stehen in dem Ruf, ansprechende Fahrleistungen bei geringem Durst zu bieten. Im Anbetracht des hohen Selbst-Anspuchs des VW Golf enttäuschte der neue große Diesel im Fahrbetrieb ein wenig. Er gehört zu einer neu entwickelten Motorenfamilie mit dem Namen E288.

Die Aggregate repräsentieren den Stand der Technik im VW-Motorenbau - und konnten doch das alte Problem des mechanisch rauen Motorlaufes nicht lösen, wie die Testfahrt zeigte. Noch immer ist der TDI im Innenraum deutlich als Selbstzünder zu identifizieren und verrichtend unter Last brummend seinen Dienst. Zudem wies der Bordcomputer nach dem Test einen Durchschnittsverbrauch von 6,3 Litern aus. Das darf ein Diesel in der Kompaktklasse - vor allem mit einem so avantgardistischen Anspruch wie der Golf - 2012 nicht verbrauchen. Auch wenn die Proberunde flott gefahren wurde. Immerhin: Die Beschleunigung des Diesels ist enorm.

Alles andere als ein Schnäppchen

Besonders stolz ist Volkswagen auf die deutlich gesunkenen CO2-Emissionen der Golf-Palette. Der Hersteller spricht von durchschnittlich 13,9 Prozent weniger CO2 gegenüber dem Vorgängermodell. Insgesamt verspricht VW, dass durch diese Reduktion bis zu 119.000 Tonnen CO2 in Europa eingespart werden könnten.

Die Logik von Volkswagen: Die Masse macht's. VW setzt damit ein richtiges Signal, aber herausragend niedrig sind die Emissionen der einzelnen Modelle nicht. Nur zwei Motoren stoßen überhaupt weniger als 100 Gramm CO2 pro Kilometer aus, die beiden kleinen TDI-Aggregate mit Schaltgetriebe.

Ab 16.975 gibt's einen neuen Golf und der Hersteller hat Recht, wenn er behauptet, dass der Einstieg günstiger ist als beim Vorgänger. Denn der Preis blieb gleich, doch die Ausstattung wuchs an. So sind in der siebten Generation Ausstattungsmerkmale wie ein Touchscreen, ein Start-Stopp-System oder die Multikollisionsbremse serienmäßig.

Schon das Radio kostet extra

Allerdings kosten nur insgesamt zwei Modelle weniger als 20.000 Euro, der 1.2 TSI-Benziner mit 85 PS in der Grundausstattung Trendline (16.975 Euro) und das gleiche Aggregat in der zweithöchsten Ausstattsungslinie Comfortline (18.925). Der Einstieg in die Edel-Version Highline kostet mindestens 24.175 Euro, dann mit dem 140-PS-Benziner im Bug. VW erwartet, dass sich höchstens zehn Prozent der Kunden für den Basis-Golf entscheiden werden.

Das bedeutet, dass 90 Prozent aller Kunden mehr als 20.000 Euro für ihren Golf werden zahlen müssen. Und die Summe wächst schnell an, soll der Wagen eine konkurrenzfähige Ausstattung an. Nicht einmal ein Radio ist serienmäßig. Das kostet mindestens 410 Euro in der Einstiegsvariante Trendline.

Basis-Modell ist keine schlechte Wahl

VW hatte für die Testfahrzeuge leider keine Datenblätter, welche Ausstattung und Preis der Autos hätten exakt ausweisen können. Doch die Preisliste verrät: Ein 140-PS-Benziner kostet mindestens 22.525 Euro, ein 150-PS-Diesel ist nicht für weniger als 25.275 Euro zu haben. So dürfte mancher Golf-Traum platzen, weil er teurer als 30.000 Euro werden kann. Aus diesem Grund rechnet VW wohl auch damit, dass sich die Hälfte der Käufer für die kleinen 105-PS-Motoren (erhältlich als Benziner oder Diesel) entscheiden werden.

Und dieser Kauf ist keine schlechte Wahl. Denn auch das günstigste Modell wird diese ungemein hohe Qualität besitzen. Fahrverhalten und Platzangebot sind der neue Standard in der Kompaktklasse. Das sind die Eckdaten eines Verkaufsschlagers, der neue Golf wird sicherlich einer werden. Er fährt sich unkompliziert, sicher und beherrschbar.

Allerdings ist er dabei nicht so ökologisch korrekt, wie VW sagt. Doch damit trifft er ziemlich gut den Nerv der Deutschen. Denn die wollen auch ein bisschen Öko sein, aber auf der Autobahn dann bitte mal 200 km/h fahren können. Von allem etwas eben. So wie der Golf, der automobile Mini-malkonsens der Deutschen.

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