Kommentar :Fordern reicht nicht

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Wer alternative Antriebe will, der muss das Thema zu Ende denken. Ohne Investitionen in eine Infrastruktur werden sie zum Rohrkrepierer.

Von Joachim Becker

Auf dem Friedhof der geplatzten Träume hat der Opel Ampera-e einen Ehrenplatz. Das Elektroauto wurde mit viel Pomp als Technik-Leuchtturm angekündigt und bis vor Kurzem auch intensiv beworben. Doch auf deutschen Straßen blieb der vermeintliche Super-Stromer ein Phantom. Was, wenn es weiteren Vorreitern der emissionsarmen Zukunft ähnlich ergeht? Audi bläst nächsten Frühling zur Elektro-Offensive und bringt jedes Jahr ein neues E-Mobil. BMW, Mercedes und VW haben von 2019 an dasselbe vor. Noch nie wurde eine Antriebsalternative in solcher Breite in den Markt gedrückt, obwohl es hierzulande fast keine Nachfrage dafür gibt. Gut möglich, dass auf dem Friedhof der geplatzten Träume bald der Platz knapp wird.

Auch der Verbrennungsmotor wäre zum Rohrkrepierer geworden, wenn wir den Sprit wie Bertha Benz über Apotheken beziehen müssten. Nicht viel besser sieht es mit der Ladeinfrastruktur heutzutage aus: Wer kauft einen Stromer, den man öffentlich kaum betanken kann? Bei Zapfsäulen für Wasserstoff ist die Situation noch deprimierender, gar nicht zu reden von synthetischen Kraftstoffen. Der nachhaltige Sprit ließe sich problemlos den gängigen Kraftstoffsorten beimischen. Doch dieser Vorteil bei der Verteilerinfrastruktur hilft nichts, wenn es keinen Nachschub gibt. Ob Strom, Wasserstoff oder E-Fuel: alles Liebhaberei, weil die Abnahmesicherheit und damit ein lohnendes Geschäftsmodell fehlt. In Deutschland wird viel geforscht an Batterien, Brennstoffzellen und E-Fuels. Doch Hunderte Millionen an Fördergeldern sind in den Sand gesetzt, wenn die großindustrielle Umsetzung fehlt. Autos mit alternativen Antrieben sind die Endgeräte von sehr komplexen Energieversorgungsketten. Da geht es nicht um Millionen-, sondern um Milliardenbeträge. Zum Beispiel bei Gigafabriken für Batteriezellen. Oder für Offshore-Windparks. Sie müssen die Raffinerien für synthetische Kraftstoffe möglichst verlustfrei mit günstigem Ökostrom versorgen. Europa braucht keinen Wettbewerb um den billigsten Kohlestrom, sondern ein Erneuerbare-Energien-Gesetz 2.0. Ohne das erste derartige Förderpaket wäre die gesamte Energiewende in Deutschland auf dem Friedhof der geplatzten Träume gelandet. Und der Atomausstieg wäre zum nationalen Subventionsprogramm für den Klimakiller Kohlestrom geworden. Auch ein Weiter-so mit fossilem Sprit würde in die Sackgasse führen. Dem einzelnen Autokäufer darf man die Verantwortung nicht zuschieben, denn er entscheidet sich - bei allem Umweltbewusstsein - im Zweifel für die günstigere Antriebsalternative. Jetzt ist die Politik gefragt, um das Pariser Klimaabkommen in nationale Gesetze zu verwandeln. Wer die Energiewende auf der Straße will, muss die Weichen neu stellen.

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