Kolumne:Und nach mir die Stauflut

Man wundert sich schon, wie es manchen Zeitgenossen gelingt, mal eben ihr Auto in zweiter Reihe abzustellen und sich so ihren ganz persönlichen Privatparkplatz zu sichern - und das auf unabsehbare Zeit. Wie schafft man das, ohne sich zu Tode zu schämen?

Von Richard Christian Kähler

Gut, der schmale Vorort-Bürgersteig rechts und links der Straße bietet außer einem schmalen Gehweg keinerlei Gelegenheit, seinen Wagen über den Randstein zu wuchten, ohne dass er dort nicht wie ein gestrandeter Wal selbst noch die Hauseingänge versperren würde. Trotzdem ist es für einigermaßen mitdenkende und -fühlende Menschen schwer zu begreifen, wie jemand es fertigbringen kann, auf einer stark befahrenen Straße mit zwei Spuren pro Richtung die rechte davon für unabsehbare Zeit zum Privatparkplatz zu erklären. Und damit Hunderte Nachfolgende zum Stoppen und mühsamen Linkseinfädeln zu zwingen.

Wie schafft man das, ohne sich zu Tode zu schämen? Einfach anhalten, aussteigen und nach mir die Stauflut? Besonders peinlich dabei, dass es sich bei den Blockierern meist um hochpreisige Automobile handelt. War selbstherrliches Parken auf einer Fahrspur etwa nicht im Kaufpreis inbegriffen? Und dazu kommen ja noch Dutzende wirklich notwendige Haltaktionen wie Warenanlieferungen, Paketdienste und Handwerker auf den meisten Straßen.

Doch umso diktatorischer hier einer agiert, desto gemeinschaftlicher müssen es eben die anderen. Das Reißverschluss-prinzip ist dafür eine simple und höchst demokratische Sache: Jeder Zahn im Verkehrsrädchen zählt da so viel wie der andere. Und will man an all diesen Engpässen irgendwie gemeinsam weiterfließen, muss eben eins ins andere fassen. Da gilt auch für die Fahrer teurer Sportwagen, die glauben, sie hätten eine eingebaute Vorfahrt. Wer gerade einen betagten Kleinwagen hat einfädeln lassen, ist selbst der nächste Zahn in der Reißverschlusskette. Da kann der Bolide nebenan noch so sehr im Standgas vor sich hin röhren. Dass ein Zahn in den anderen greifen muss, damit nichts klemmt, müsste der Sportwagenfahrer eigentlich vom eigenen Hosenstall kennen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: