Klassensprecher (4): BMW 3er:Sportliche Mobilmachung

Die 70er Jahre gelten zu Recht als grandioses Zeitalter des Automobilbaus. Es gab groß, es gab klein - und wenig dazwischen. Bis BMW mit seinem 3er eine neue Ära einläutete.

Von Stefan Grundhoff

Wer träumte Mitte der 70er Jahre nicht von einem eigenen Sportwagen vor der Haustür? Was Motorleistung und Sportwagen betraf, schauten viele nach Amerika, auch die Ölkrise war wieder vergessen. Mercedes hatte, abgesehen vom Luxus-Roadster SL, rein gar nichts Sportliches zu bieten, während Audi sich mit Modellen wie dem 50er oder dem 80er um behütete Senior-Chauffeure mit familiärem Anschluss bemühte. Die Bayrischen Motoren Werke jedoch waren nach dem großen Erfolg der 02-Modelle mutig geworden - 1975 war es schließlich so weit: Aus 02 wurde der von Paul Bracq gezeichnete 3er und eine neue Nomenklatur zog am Münchner Petuelring ein - die sich bis heute hält.

3er BMW

Die Ahnengalerie der sportlichen Mittelklasse - mit dem 3er von BMW begründet.

(Foto: Foto: Pressinform)

Allein auf weiter Flur

Eine sportliche Limousine für den soliden Mittelstand - das hatte es bis dato noch nicht gegeben. Heute tummeln sich in dem Segment unzählige Hersteller aus den In- und Ausland. Mercedes C-Klasse, Volvo S60, Audi A4, Saab 9-3 und Cadillac BLS - das Angebot ist schier unüberschaubar.

Damals, in den Mittsiebzigern, war ein BMW 320 allein auf weiter Flur. Die Dreier-Limousine der Baureihe E21 war dabei mehr denn je ein Zeuge seiner Zeit. Die Front wurde dominiert von modischen Rundscheinwerfern, schwarzen Lamellen und der obligatorischen Doppelniere. Das Heck präsentierte sich im Vergleich um 02er überaus schmucklos. Die ersten Modelle des E21 wurden sogar ohne die charakteristische schwarze Kunststoffblende zwischen den Heckleuchten ausgeliefert. Wichtiges Designmerkmal: im Vergleich zum Vorgänger 02 war das Kennzeichen unter die verchromte Stoßstange gewandert.

Auf die heiß ersehnten vier Türen mussten die Träger von gelben T-Shirts und engen Jeanshosen jedoch noch ein paar Jahre warten. Zwei Hecktüren um ohne Kletterei in den alles andere als üppig dimensionierten Fond zu gelangen, gab es erst beim Nachfolgemodell E30, das seine Weltpremiere1982 feierte.

Sportliche Mobilmachung

Die kleinen Vierzylinder 315 bis 318 hatten als Lichtquelle nur zwei einzelne, etwas verloren wirkende Rundscheinwerfer. Nur die Topmodelle 320, 320i und 323i strahlten - dafür jedoch ebenso lichtschwach - aus vier Rundaugen. Neben der Doppelniere wurde der Lamellengrill von einem Typenschild verziert, der aus der Leistung des Sechszylinders keinen Hehl machen wollte. Der Traum vieler war der exzellent motorisierte 323i. Das "i" für Injection gab ebenso den Hinweis auf moderne Motorentechnik und 143 PS wie der Doppelauspuff links und rechts am Heck. Tempo 220 waren kein Problem - und das in der kleinen Mittelklasse, in der viele müde mit 150 km/h vor sich hin dümpelten.

3er BMW

Das Topmodell vor dem M3: der 323i mit sechs Zylindern und 143 PS.

(Foto: Foto: Pressinform)

Die Symbiose aus sportlicher Mittelklasse und Dieseltriebwerk war in den 70ern und frühen 80er noch ein geradezu perfider Gedanke. Motorleistung war gefordert - und die gab es in der ersten Dreier-Reihe. Basis war bis zum Jahre 1981 der BMW 316. 66 kW/90 PS stark hatte er mit den knapp 1,2 Tonnen überaus leichtes Spiel: kraftvoll der Durchzug, elastisch die Überholmanöver und spurtstark.

Sportliche Mittelklasse und Diesel? In den 70ern ein Tabu

Erst sechs Jahre nach Markteinführung kam der 315er mit kargen 75 PS als Einstiegsversion auf den Markt. Den 318er gab es mit und ohne Einspritzer mit 98 bzw. 105 PS ebenso wie den 320er, der in Deutschland mit und ohne Einspritzung sowie als Vier- und Sechszylinder zwischen 109 und 125 PS leistete.

Auch in den USA war der schnittige Bayernhecktriebler überaus beliebt. Neben dem 143 PS starken 323i gab es hier weitere Vierzylinderversionen mit 101 und 110 PS. Alle Modelle hatten eines gemeinsam: Sie waren sportlich motorisiert und die Fahrwerke gehörten zu den schneidigsten auf dem Markt. In Wolfsburg, Ingolstadt und Stuttgart bekam man beim Gedanken an das sportliche Klientel feuchte Augen.

Wenig beeindruckend präsentierten sich in den Anfangsjahren die Innenräume. Der Dienstwagen von Meyer-Zwo in den freitäglichen Derrick-Folgen war kaum schlechter ausgestattet als die Nobelmodelle des Porsche-Jägers 323i. Zumindest gab es ab dem 320er einen Drehzahlmesser und ab dem Modelljahr 1979/1980 bessere Sitze und elektrische Außenspiegel sowie integrierte Nebelschlussleuchten. Im Laufe der Jahre wurde der Innenraum leicht überarbeitet - mit neuen Verkleidungen und einer geänderten Mittelkonsole. Auch bei der anfangs alles andere überzeugenden Rostvorsorge wurde nachgebessert.

Sportliche Mobilmachung

Wer besonders exklusiv unterwegs sein wollte, bestellte seinen 3er BMW nicht in München, sondern in Stuttgart. Einen strammen Steinwurf von den Mercedes-Produktionsanlagen entfernt baute Karosseriespezialist Baur den Baur TC, ein Hardtop-Cabriolet. Leider hat das Käfig-Cabriolet bis heute mit einem wenig emotionalen Image zu kämpfen. Dem automobilen Volksmund nach fuhr einen Baur TC allein der, der sich einen anderen Sonnenanbeter nicht leisten konnte. Aus der knapp 1,4 Millionen Mal verkauften E21-Serie waren es nur knapp 4600 Fahrzeuge, die ihres festen Stahldaches entledigt wurden. Neben dem mittigen Hardtop konnte man die Plastikheckscheibe ebenfalls sanft nach hinten fallen lassen und so für zarte Cabriolet-Gefühle sorgen.

Das erste echte Cabriolet gab es erst bei der zweiten 3er Generation, dem ab 1982 produzierten E30. Ab 1985 wurde er als sehenswertes Vollcabrio angeboten. Viele sind auch noch heute der Ansicht, dass ein E30-Cabriolet der schönste jemals produzierte 3er sei. Wie bei den zwei- und viertürigen Versionen zeichnete Claus Luthe auch bei Cabriolet und Touring für die Weiterentwicklung des E21er-Designs verantwortlich.

Der Gipfel der 3er-Baureihe: der M3

Der 2,3 Millionen Mal gebaute E30 hatte es im Vergleich zum E21 ungleich schwerer. So musste man insbesondere die Konkurrenz von Mercedes mit dem 190er in Schach halten. Der Variantenreichtum des E30 kannte daher kaum Grenzen. Sparmodelle (325e), Dieselversionen (324d/td) oder Allradantrieb (325ix) machten das Angebot so vielfältig wie bei keinem anderen Fahrzeug in der Mittelklasse.

Die Krönung war schließlich der grandiose BMW M3, der die Konkurrenz nicht nur bei hunderten von Tourenwagenrennen in Angst und Schrecken versetzte, ehe der E36 die Geschichte erfolgreich weiterspann. Der M3 der ersten Generation - egal ob mit 195, 200, 220 oder 238 PS - war auf dem Rundkurs kaum zu schlagen. Die Nachfolger kratzen eindrucksvoll an der Porsche-Liga - mit 286, 321, 343 oder mittlerweile 420 PS.

Nach E36 und E46 ist die Dreier-Serie mittlerweile beim Werkscode E90 angekommen. An der Vierfältigkeit des Dreiers hat sich ebenso wenig getan wie am Klientel. Aus der zweitürigen E21-Limousine wurden schließlich Compact, Cabriolet, Touring und Coupé, Diesel oder 4x4. Der 3er ist - in welcher Konfiguration auch immer - bis heute die wohl sportlichste Mittelklasselimousine - und das seit rund 30 Jahren. Die Spiralen haben sich gedreht. Egal ob Gewicht, Ausstattung, Preis oder Motorleistung - hier ist der aktuelle 3er kaum wieder zu erkennen. Was einst manuelles Kurbel- / Hebedach und Zentralverriegelung haben sich DVD-Navigation und Xenonlicht längst etabliert und lassen den Unterschied zur automobilen Oberklasse immer kleiner werden.

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