Mehr Gewinn, mehr Dividende, mehr Umsatz: Wenn sich die Aktionäre von Daimler an diesem Mittwoch zur Hauptversammlung in Berlin treffen, will der Konzern für positive Schlagzeilen sorgen. Das vergangene Geschäftsjahr lieferte Rekordzahlen. Der Daimler-Slogan "Das Beste oder nichts" soll endlich auch für Investoren gelten. Vergessen, so hoffte man bislang in der Zentrale, wären dann die lästigen Öko-Debatten angesichts erhöhter Abgaswerte, die der Autobranche schon seit Monaten zu schaffen machen. Vor allem seit der Konkurrent VW Manipulationen zugegeben hat.
Doch das Treffen einiger Tausend Daimler-Investoren dürfte erneut für Diskussionen über zu viel Dreck im Auspuff sorgen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat der erste Umweltverband in der Affäre juristische Schritte gegen den Konzern eingeleitet. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) reichte Ende März eine Unterlassungsklage gegen den Konzern vor dem Landgericht Stuttgart ein. In dem elfseitigen Papier fährt die Organisation schwere Geschütze auf und wirft Daimler irreführende Abgas-Angaben gegenüber den Käufern vor.
Erhöhte Abgaswerte:Abgastricks der Autohersteller - legal oder nicht?
VW hat bei Abgasmessungen manipuliert. Und die anderen Hersteller? Ihre Stickoxidwerte sind zum Teil sehr hoch - nur eine verbotene Software will keiner benutzt haben.
Erhöhte Abgaswerte bei der Mercedes C-Klasse
Damit wächst in der Abgasaffäre nun der Druck auf Daimler. Bislang stand vor allem VW im Fokus. Die Wolfsburger haben eine illegale Software in Diesel-Fahrzeuge eingebaut und deshalb massiven Ärger mit Regierungen, Behörden und der Staatsanwaltschaft. Daimler-Chef Dieter Zetsche hatte sich dagegen zuletzt wie kein anderer Spitzenmanager mit dem Bekenntnis aus dem Fenster gelehnt, Daimler habe in der Affäre ein reines Gewissen.
Die Deutsche Umwelthilfe hatte zuletzt auch VW-Konkurrenten vorgeworfen, die in Prospekten versprochenen Abgas-Traumwerte etwa bei Stickoxiden in der Praxis nicht zu erreichen - sondern nur unter ganz bestimmten Laborbedingungen. Messergebnisse aus den Niederlanden ließen auch den schwäbischen Konzern schlecht aussehen. Ein dortiges Prüfinstitut hatte deutlich erhöhte Werte bei der Mercedes C-Klasse 220 Bluetec ermittelt. Ausgerechnet bei Geschwindigkeiten, die innerorts üblich sind, stieß der Wagen das Zehnfache des Normwerts aus.
Abgastest Mercedes C 220 CDI:Ärger mit dem wundersamen Dieselmotor
Eine C-Klasse blamiert sich beim Abgastest einer niederländischen Prüforganisation. Sofort gibt es Betrugsvorwürfe, doch Mercedes kann sich rechtfertigen.
Daimler will seine Bauteile schützen
Mit der Klage bekommt die Kritik der Umweltschützer an der Autobranche jetzt eine neue Dimension. Hersteller bewegen sich bislang in einer Grauzone. Die Daimler AG hatte teils höhere Werte im Straßenverkehr eingeräumt, aber damit begründet, dass die Abgasreinigung unter bestimmten Betriebsbedingungen zum Schutz der Bauteile gedrosselt werde. Etwa bei bestimmten Außentemperaturen. Die ist laut Gesetz möglich. Laut DUH-Klage stößt das Modell aber schon bei üblichen Temperaturen von weniger als zehn Grad deutlich mehr Abgase aus - anders als Konkurrenzmodelle von BMW.
Die Daimler-Werbung, Bluetec reduziere die Emissionen "unserer hochmodernen Dieselmotoren auf ein Minimum" sei irreführend, wettert die DUH. "Mit der Realität hat diese Werbeaussage nichts zu tun." Was nach Nebenkriegsschauplatz klingt, könnte große Wirkung entfalten und den Konzern und seinen Chef noch in arge Bedrängnis bringen.
Die Vorwürfe gelten als brisant, weil US-Behörden in der Sache ebenfalls aktiv geworden sind. In den USA hatte die Umweltbehörde EPA von Daimler Testergebnisse für Dieselmotoren angefordert. Damit reagierte sie auf eine US-Zivilklage vom Februar. Dem Konzern werden darin Verstöße gegen Umweltgesetze und - wie auch durch die DUH in Deutschland - eine Irreführung der Verbraucher vorgeworfen. Bei einzelnen US-Modellen von Mercedes soll der Ausstoß von Stickoxid die amerikanischen Vorschriften um das bis zu 65-Fache überschreiten.
Die Ergebnisse der Abgastests drohen die Glaubwürdigkeit die Branche den Kunden gegenüber zu untergraben. Sie legen zudem nahe, dass über deutsche Straßen im großen Stil Autos mit gefährlich hohen Abgaswerten rollen. Dabei sind Stickoxide in hoher Konzentration gesundheitsgefährdend. Studien führen Gesundheitsprobleme und sogar Todesfälle auf die schlechte Luft zurück. Gerade die Emissionen aus dem Verkehr tragen wesentlich zu den hohen Feinstaubwerten in Städten bei, die zuletzt in Stuttgart zum ersten offiziellen "Feinstaub-Alarm" in einer deutschen Großstadt geführt hatten.
Daimler:Klage in den USA gegen Daimler wegen Stickoxid-Ausstoß
Bei Diesel-Modellen der C-Klasse sollen Emissionswerte erhöht sein. Der Zeitpunkt der Klage eines Autobesitzers ist vermutlich nicht ganz zufällig.
Daimler hält die Klage für "unbegründet"
Während die Aufklärung der Abgasaffäre in Wirtschaft und Politik bislang schleppend verläuft, wird die Deutsche Umwelthilfe derweil endgültig zum Schrecken der hiesigen Autobranche. Der Verband knöpft sich mit eigenen Messungen im Abgasskandal immer neue Hersteller vor. Nach Bekanntwerden der VW-Affäre hatte sie bereits bei BMW, Opel oder Fiat angebliche Verstöße angeprangert. Gleich mehrfach war auch Daimler Ziel der DUH, was zu heftigen Gegenreaktionen des Konzerns geführt hatte. Zuletzt hatte der Chef der Organisation, Jürgen Resch, sogar über massive juristische Drohungen aus der Autobranche berichtet. Die Organisation war vor Jahren wegen umstrittener Spenden von Autozulieferern in der Kritik.
Daimler weist die Klage der DUH zurück. "Wir halten sie für unbegründet", sagte eine Sprecherin. Die "Abgasnachbehandlung" sei auf den realen Fahrbetrieb zur Reduzierung der Emissionen abgestimmt. Die Erfüllung aller gesetzlichen Vorgaben habe oberste Priorität.
Die Hauptversammlung dürfte beschäftigen, dass die Umweltschützer Kunden zu drastischen Maßnahmen raten. Ihr Rat: Mercedes-Käufer sollen gegenüber Daimler-Chef Dieter Zetsche auf das gegebene Qualitätsversprechen "Das Beste oder nichts" bestehen und notfalls die Rückabwicklung des Kaufs verlangen.