Kia Sportage Wagon:Offroader als Freizeitauto

Der Asiate kann sogar für Umzüge eingesetzt werden / Am Berg tut sich der Motor jedoch schwer

(SZ vom 31.05.2000) Kia - frei übersetzt bedeutet dies auf Deutsch: aufstrebendes Korea. Und aufstrebend ist Kia allemal. Das war nicht immer so. Während der Asienkrise Mitte 1998 standen die Koreaner kurz vor dem Konkurs. Die Banken stellten Kia damals unter Zwangsverwaltung und ebneten damit den Weg für eine Übernahme durch einen größeren Hersteller. Ford und Mazda sollten eigentlich ihre zu dieser Zeit 17-prozentigen Anteile an dem Automobilbauer erhöhen. Dass ein anderer koreanischer Hersteller bei Kia das Sagen bekommen würde, konnte sich damals kaum jemand vorstellen. Im März vergangenen Jahres jedoch entschieden sich die nationalbewussten Asiaten für eine einheimische Lösung. Hyundai, Koreas größter Autoproduzent, übernahm Kia als 100-prozentige Tochtergesellschaft.

Auferstanden wie Phoenix aus der Asche, geht es seither steil bergauf mit dem Hersteller aus Fernost. Im letzten Jahr steigerte Kia die Zulassungen hier zu Lande um 50 Prozent auf 20 000 Fahrzeuge. Die Ziele für dieses Jahr sind nicht weniger optimistisch, zusammen mit den leichten Nutzfahrzeugen will Kia 27 000 Autos verkaufen. Diese Einschätzung erscheint realistisch, weisen die Verkäufe des ersten Quartals 2000 doch eine Steigerung um 68 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf.

In die Länge gezogen

Im August vorigen Jahres brachten die Koreaner die überarbeitete Version des 1994 erstmals vorgestellten Fünftürers Kia Sportage auf den deutschen Markt. Im November 1999 rundeten sie die Palette mit einer zweitürigen offenen Version für den Fun-Road Bereich nach unten hin ab. Jetzt soll der neue Kia Sportage Wagon die Geländewagenreihe zusätzlich nach oben erweitern. Die auf 4,44 Meter gestreckte Fahrzeuglinie fällt dem Betrachter dabei als erstes ins Auge. Dieser Zuwachs kommt dem Innenraum zugute. Mit 483 Litern Gepäckraumvolumen - bei umgelegter Rücksitzbank wächst es bis auf maximal 1319 Liter - lässt sich im Bedarfsfall sogar ein kleiner Wohnungsumzug durchführen. Generell bestimmt eher Funktionalität als Luxus den Innenraum des Fahrzeuges. Die leicht konturierten Sitze dürften auch eine längere Urlaubsfahrt überstehen lassen. Vom Fahrersitz aus schweift der Blick über das schlichte, aus Hartplastik gefertigte Armaturenbrett. Schon obligatorisch - auch für asiatische Automobilhersteller - scheinen die Dosenhalter zu sein, die sich beim Wagon in der Mitte des Armaturenbretts befinden. Ebenfalls nahezu Standard für Fahrzeuge aus fernöstlicher Produktion ist das Warnsignal bei geöffneter Türe. Für deutsche Fahrzeughalter dürfte dies eher nervig sein.

Schwacher Antrieb

Der Sportage Wagon ist kein reinrassiger Geländewagen, eher ein Onroader, mit dem man auch einmal ins Gelände fahren kann. Zwar verfügt er über einen zuschaltbaren Vierradantrieb und eine zusätzliche Geländeuntersetzung, aber für den wirklich extremen Einsatz über Stock und Stein haben die Koreaner noch den ebenfalls erst vor kurzem vorgestellten Kia Retona im Angebot. Für 2450 Mark Aufpreis ist für den Wagon neben dem Fünfgang-Schaltgetriebe auch eine Vierstufen-Automatik erhältlich. Als Wettbewerber gegen den Rover Freelander und den Suzuki Grand Vitara zielen die Marketingexperten von Kia auf eine freizeitorientierte Käuferschicht. Vor allem als klassisches Zugfahrzeug für Boote, Pferdeanhänger und sonstige Sportgeräte möchten die Koreaner den Sportage Wagon im Markt positionieren.

Der 2,0-Liter-Vierzylinder mit seinen 94 kW (128 PS) dürfte damit allerdings seine liebe Mühe haben. Bereits ohne die zulässige Zuladung von 484 Kilogramm tut sich der Sportage Wagon an Steigungen schwer: Maximal im dritten Gang ist noch ein einigermaßen ordentlicher Vortrieb vorhanden. Die Höchstgeschwindigkeit, ohne Beladung, von 172 km/h ist ausreichend. Auch die Beschleunigung in 15,5 Sekunden von Null auf 100 km/h ist für ein Fahrzeug dieser Kategorie ein üblicher Wert. Die 170 Nm Drehmoment bei 4700/min allerdings sind doch etwas mager und lassen den Motor sich eben bei Bergauffahrt akustisch deutlich zu Wort melden. Besonders sparsam geht der 2,0-Liter-Motor dann sicherlich auch nicht mit dem Kraftstoff um. Kia gibt den Durchschnittsverbrauch mit elf Litern Normalbenzin an. Etwas mehr Drehmoment stünde dem Sportage Wagon gut zu Gesicht. Ein in Zusammenarbeit mit der Muttergesellschaft Hyundai entwickelter 2,5-Liter-Common-Rail-Diesel - er soll im nächsten Jahr zur Verfügung stehen - könnte dieses Manko wenigstens etwas beseitigen.

Diese Schwäche scheint aber nicht die einzige zu sein. Ein Geländewagen ist freilich kein Rennauto, das wie die sprichwörtliche Flunder auf der Straße liegt, aber der Sportage Wagon zeigt doch deutliche Tendenz zum Untersteuern, und durch den relativ hohen Schwerpunkt neigt er zum Aufschaukeln. An der Vorderachse verfügt der Offroader über eine Einzelradaufhängung an Doppelquerlenkern mit Schraubenfedern. Eine vierfach geführte Starrachse, Schraubenfedern mit einer Panhardfeder erledigen an der Hinterachse die Arbeit.

Weniger Anlass zur Kritik gibt es bei der Sicherheitsausstattung. Der Koreaner verfügt über einen Fahrer- und Beifahrerairbag, ein Vierkanal-ABS-System und Seitenaufprallschutz an allen vier Türen. Positiv festzustellen ist, dass alle Sitzplätze mit Kopfstützen ausgestattet sind. Mit 41 290 Mark beginnt der Einstieg ins Sportage-Wagon-Programm. Nur das optionale Automatikgetriebe, ein elektrisches Schiebedach und eine Metalliclackierung in vier verschiedenen Farbtönen treiben den Preis um ein paar Tausender nach oben. Mit einer derartigen Preisgestaltung dürfte Kia die 400 geplanten Käufer für den Sportage Wagon sicherlich leicht finden.

Von Stefan Weigl

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