Kia Clarus Kombi:Lastenträger ohne Allüren

Koreaner überzeugt mit sehr gutem Preis-/Leistungsverhältnis

(SZ vom 19.08.1998) Den Ruch des reinen Lastenträgers haben Kombis schon lange abgelegt. Im Gegenteil - sie gelten als schick, weil sie ihren Besitzer als freizeitorientierten und aktiven Zeitgenossen erscheinen lassen. Modische Rundungen haben das traditionelle Kastendesign abgelöst, edle Stoffe verbreiten das Flair einer Limousine. Das alles hat natürlich seinen Preis - und so sind Kombis häufig in Preisregionen abgedriftet, die sich eine normale vierköpfige Familie kaum leisten kann. Als Kompromiß wird dann häufig ein Kombi gekauft, der kleiner ist, als es den Bedürfnissen eigentlich entspricht.

Doch es gibt auch noch Lastenträger ohne Allüren: Große Kombis, die den Anspruch, preiswert und praktisch zu sein, in die Tat umsetzen. Bisher galt der Škoda Octavia als der typische Vertreter dieser sympathischen Autogattung, doch nun tritt Konkurrenz aus Korea auf den Plan: Mitte September schickt Kia die Kombiversion des Clarus zu den deutschen Händlern, ein Auto in der Größenklasse des VW Passat Variant: 4,75 Meter lang, mit einem Stauvolumen von bis zu 1580 Litern. Nur, daß der Clarus Kombi in einer anderen Preisklasse kämpft: 29 990 Mark kostet die SLX-Version, die von einem 1,8-Liter-Vierzylindermotor mit 85 kW (115 PS) angetrieben wird.

Ordentliche Serienausstattung

Wer jetzt glaubt, mit einer mageren Serienausstattung abgespeist zu werden, sieht sich angenehm überrascht: Fahrer- und Beifahrerairbag, ABS, Servolenkung und Zentralverriegelung sind ebenso serienmäßig wie elektrische Fensterheber vorne und Drehzahlmesser. Auch auf Annehmlichkeiten wie ein höhenverstellbares Lenkrad und einen ebenfalls höhenverstellbaren Fahrersitz braucht man nicht zu verzichten. Was fehlt, sind lediglich Seitenairbags, aber die gibt es zur Zeit weder für Geld noch für gute Worte.

Wer sich noch mehr gönnen will, kann sich die GLX-Version einmal genauer ansehen: Hier gibt es mehr Leistung und mehr Komfort für 34 990 Mark. Für den Vortrieb sorgt im GLX ein 2,0-Liter-Vierzylindermotor mit 98 kW (133 PS), dazu gibt es ein Traktionskontrollsystem, eine Klimaanlage, elektrische Fensterheber hinten und einige Ablagefächer mehr. Die dritte Sitzbank im Fond ist allerdings eher als Gag zu betrachten: Nehmen Erwachsene entgegen der Fahrrichtung auf der ausklappbaren Bank Platz, können sie sich mit den Knien die Ohren zuhalten, und auch Kindern ist eine längere Fahrt so kaum zuzumuten.

Zu den weiteren Schwachpunkten des Clarus Kombi gehört zunächst einmal die Optik: Das Design darf als typisch asiatisch bezeichnet werden, einen Auflauf auf dem Parkplatz eines Möbelhauses wird dieses Auto sicher nicht erzielen. Die Heckpartie mit den hochgesetzten Leuchteneinheiten wirkt kopiert, und an der Wagenfront haben sich die Designer offensichtlich so richtig austoben dürfen: Sanfte, mandelförmige Scheinwerfer, ein Kühlergrill, der an Rover erinnert, und dann wieder bullig wirkende Vorsprünge gehen keine besonders harmonische Verbindung ein.

Sechzehn-Ventiler der alten Schule

Bei ersten Fahrten stellte sich auch heraus, daß der kleinere 1,8-Liter-Motor subjektiv einen agileren Eindruck hinterließ als das 2,0-Liter-Aggregat. Beides sind Sechzehn-Ventiler der alten Schule, also auf hohe Drehzahlen angewiesen, wenn man etwas heftiger beschleunigen will. Die größere Höchstgeschwindigkeit (195 km/h im GLX gegenüber 185 km/h im SLX) wird durch eine größere Lärmbelästigung der Passagiere konterkariert. Hier für die Statistiker noch die wichtigsten Daten: Der 1,8-Liter beschleunigt in 10,7 Sekunden von Null auf 100 km/h, der größere Bruder benötigt dafür gar 10,9 Sekunden. Der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch beträgt 9,3 Liter Normal bleifrei auf 100 Kilometer beim SLX und einen Liter mehr beim GLX. Beide Motoren erfüllen nur die Euro-2-Abgasnorm, nicht die schärfere D3-Kategorie. Der gravierendeste Nachteil eines Clarus Kombi dürfte hingegen der relativ hohe Wertverlust sein, wenn man ihn wieder verkaufen möchte.

Doch dieser Kombi bringt trotz all dieser Nachteile die Voraussetzungen für eine lang andauernde Freundschaft mit. Heuer wollen die Koreaner noch 1000 ihrer großen Kombis verkaufen, im nächsten Jahr sollen es 2500 werden. Die Voraussetzungen dafür stehen nicht schlecht, auch wenn noch nicht geklärt ist, wie es mit Kia Korea, das auf Partnersuche ist, weitergehen wird. Der Clarus Kombi ist jedenfalls eines jener wenigen Autos, die nicht als mehr erscheinen wollen, als sie sind. Und das ist gut so.

Von Otto Fritscher

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