Keyless-Go-Systeme:Wer sein Auto schützen will, muss es selbst tun

Keyless-Go-Systeme: Autodieb

Autodieb

(Foto: Collage SZ.de)

Ein ADAC-Test zeigt: Keyless-Go-Systeme erleichtern Autodiebstahl enorm. Weder Versicherer noch Hersteller zeigen Ambitionen, die Sicherheit zu verbessern.

Analyse von Thomas Harloff

Das kleine Mehr an Komfort heißt "Keyless Access", "Keyless Entry" oder ganz simpel "Komfortzugang" und kostet hier 385 Euro Aufpreis (VW Golf), dort 650 Euro (Range Rover Evoque) oder ist serienmäßig an Bord (BMW 7er). Es bietet den Vorteil, dass der Fahrer nicht auf eine Taste auf dem Schlüssel drücken muss, um sein Auto zu öffnen. Und dass er den Motor starten kann, ohne den Metallbart in ein Zündschloss zu stecken und den Schlüssel umdrehen zu müssen.

Der Zeitgewinn? Ein paar Sekunden vielleicht. Bei manchem Autofahrer, der seinen Autoschlüssel gerne abwechselnd in allen möglichen Hosen-, Jacken- oder Aktentaschen aufbewahrt, vielleicht auch ein paar Sekunden mehr.

Der Aufwand für die Diebe ist gering

Für dieses bisschen Zeit und Komfort nehmen viele Autobesitzer aber eklatante Sicherheitsmängel in Kauf. Der ADAC fand bei einer Stichprobe an 20 Automodellen heraus, dass solche schlüssellosen Zugangssysteme Autodiebstahl enorm begünstigen. Es braucht nur zwei Autodiebe, einfache elektronische Geräte, die als Reichweitenverlängerer fungieren, sowie Schlüssel und Auto in der Nähe. Einer der Kriminellen muss nah am Autoschlüssel sein, um dessen Signal abzufangen und zum Empfangsgerät eines Komplizen weiterzuleiten, der sich direkt am Auto befindet und das daraufhin öffnen, den Motor starten und so weit fahren kann, bis der Tank leer ist. Das funktioniert dem ADAC zufolge sowohl bei günstigen Kompaktwagen als auch bei Oberklasselimousinen - unter anderem bei den drei eingangs erwähnten Modellen.

Für die Besitzer der auf diese Weise gestohlenen Autos kann die Tat doppelt unerfreulich enden. Schließlich muss er der Polizei und seiner Versicherung den Diebstahl erklären, obwohl jegliche Spuren fehlen. Eine Manipulation findet nämlich nicht statt, erst recht wird keine Scheibe eingeschlagen und auch kein Motor kurzgeschlossen. Fragen, ob man mit den Dieben gemeinsame Sache gemacht hat oder sich Versicherungsgeld erschleichen möchte, könnten die Folge sein.

Es werden immer weniger Autos geklaut

Allerdings scheinen die Versicherer das Thema nicht allzu ernst zu nehmen. Es sei zwar bekannt, "dass derartige Systeme anfällig sind", aber man verfüge über kein Datenmaterial, das das Ausmaß beziffere. Dennoch beobachte man die Thematik weiter und hoffe, "dass eventuelle Sicherheitslücken möglichst bald geschlossen werden", sagt ein Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Ein kurzer Blick auf die Zahlen reicht, um zu erahnen, warum die Versicherer kaum Interesse für das Thema zeigen. Denn der Trend stimmt, die Zahl der Autodiebstähle sinkt kontinuierlich. 2014 waren es 17 895 und damit 4,8 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Auch die gezahlte Entschädigungssumme sank, und zwar um 0,7 Prozent auf 262 Millionen Euro. Offenbar eine Kleinigkeit in einer Multi-Milliarden-Euro-Branche. Und kehrt sich der Trend um, gibt es noch immer das Instrument, die Typklasseneinstufung bei besonders oft gestohlenen Modellen zu erhöhen, damit die Rechnung wieder aufgeht.

Tun die Autohersteller wirklich genug?

Auch die Autohersteller zeigen wenig Ambitionen, gegen die Sicherheitslücke vorzugehen. Sie stellen das Thema als Kampf gegen hochprofessionelle, mit sündteurer Hightech ausgerüstete Kriminelle dar, sprechen von einem "Wettlauf der Technologien". Dem widerspricht der ADAC. Mit einem Materialaufwand von wenigen hundert Euro sei es seinem Team gelungen, die Funksignale der Autoschlüssel auf etwa 150 Meter zu verlängern, sagt Arnult Thiemel. Der Technikexperte hat den Test für den ADAC durchgeführt und sieht nun die Hersteller in der Pflicht, ihre Systeme wirkungsvoll abzusichern. "Wir verlangen ja nicht, dass ein Auto unter keinen Umständen zu knacken ist. Aber der Aufwand für Diebe sollte größer als der mögliche Gewinn sein, denn dann rechnet es sich nicht mehr", sagt Thiemel.

Aus ihrer Sicht tun die Autohersteller genug. Mit vorgefertigten Formulierungen versuchen sie zu beschwichtigen. "Wir beobachten die aktuellen Vorgehensweisen der Fahrzeugdiebe sehr genau und tauschen uns regelmäßig mit übergeordneten Polizeistellen aus", sagt ein VW-Sprecher. BMW verlässt sich auf seine Schlüssel, die angeblich unmöglich zu beschaffen oder zu kopieren seien (was einem Dieb nach dem eigentlichen Autoklau aber gelingen muss, um den Wagen weiterverkaufen zu können). Allzu wirkungsvoll können die Maßnahmen dieser beiden Hersteller nicht sein, da VW die Tabelle der gestohlenen Autos anführt und BMW Platz drei belegt. Dazwischen liegt Audi, eine Marke des VW-Konzerns.

Alufolie und Blechbüchse - weder wirksam noch praktikabel

Eins zeigt die Haltung der Hersteller deutlich: Der Branche fehlt offensichtlich der Druck, das Problem tatsächlich anzugehen. Das hat mehrere Gründe. Der banalste: Jedes gestohlene Auto bedeutet, dass potenziell ein neues gekauft wird. Vielschichtiger ist die technische Seite: "Wenn man diese ganzen Systeme jetzt auswechseln muss, würde das einen kompletten Umbau der Platinen und Steuermodule bedeuten", sagt Elektronikexperte Udo Hagemann, der für Polizei und Behörden Sicherheitslücken sucht und findet und dem das Thema Keyless Go besonders am Herzen liegt. Dennoch liege der Aufwand bei weniger als 100 Euro pro Auto. Was wenig klingt, ist beim enormen Kostendruck, der in der Autobranche herrscht, jedoch eine ganze Menge.

Es bleibt deshalb am Verbraucher hängen, sich wirksam gegen diese Art des Autodiebstahls zu schützen. Nur kann es kaum eine Dauerlösung sein, den Autoschlüssel dreifach mit Alufolie zu umwickeln, ihn in einer Metalldose aufzubewahren oder das zuvor teuer bezahlte System zu deaktivieren. Auch das 580 Euro teure Nachrüst-Kit, das Hagemanns Firma Bundpol anbietet und das vorhandene Keyless-Go-Systeme angeblich absichert, kann nicht die Lösung sein. Also ist der beste Schutz wohl auch der naheliegendste: Beim Autokauf auf diese Sonderausstattung zu verzichten. Spätestens dann, wenn die Extra-Einnahmen durch nicht verkaufte Keyless-Go-Systeme ausbleiben, dürfte auch die Autobranche intensiver über die Diebstahlsicherheit ihrer Produkte nachdenken.

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