Kawasaki GPZ 1100:Feinfühlig auf Sand und Laub

Der Motorradhersteller setzt auf mehr Sicherheit

(SZ vom 07.08.1996) Der technische Fortschritt bricht sich auch im Computer-Zeitalter mitunter nur langsam Bahn: Mit Ausnahme von BMW sind Antiblockiersysteme bei Motorrädern nur in verschwindend wenigen Modellen zu haben. Jetzt ist nach BMW, Yamaha und Honda mit Kawasaki wenigstens ein vierter Hersteller auf den ABSZug aufgesprungen: Das tourensportliche Modell GPZ 1100 ist dieses Jahr wahlweise mit Blockierverhinderer im Angebot, der 1500 Mark Aufpreis kostet. Kawasaki will im Jahr eins der ABS-Offerte 250 Exemplare der ABS-GPZ verkaufen.

Während kaum eine Zwei-, Drei- oder Vierzylinder-BMW das Werk ohne ABS verläßt, haben (oder sehen) die japanischen Motorradhersteller Vermarktungsprobleme: Bei Honda besitzt etwa ein Drittel der 96er Pan European das ABS in Verbindung mit einer Kombibremse, Yamaha hat die Ausrüstung des Modells FJ 1200 mit ABS wieder eingestellt, das von derselben Firma erst vor vier Jahren präsentierte High-Tech-Bike GTS 1000 mit Achselschenkellenkung, geregeltem Kat und ABS spielt am Markt keine nennenswerte Rolle; es wird mehr oder minder offen als Auslaufmodell bezeichnet. Von ABS-Euphorie also keine Rede. Dennoch wagt sich die für ihr sportliches Image bekannte Firma Kawasaki auf ein Segment vor, das bislang von ihr unbesetzt war: Man setzt zumindest beim Modell GPZ 1100 auf Sicherheit als Verkaufsargument.

Leichtes Pumpen spürbar

Die Qualitäten der GPZ haben durch die Ausstattung mit dem elektronischen ABS weiter gewonnen. Allerdings zeigt sich im direkten Vergleich mit Produkten anderer Hersteller, daß sich auch beim ABS-Bau Erfahrung auszahlt: Sowohl Honda als auch BMW realisieren kürzere Bremswege. Die Bedienung der Kawasaki-Bremse ist unspektakulär: Beim Erreichen der Blockiergrenze ist ein leichtes Pumpen im Hebel spürbar, der Druckpunkt wird schwammig. Das System regelt dabei äußerst feinfühlig jedes Rad individuell nach und verhindert so wirksam das Blockieren eines der Räder auch auf Sand, nassem Laub oder bei schmieriger Straßenoberfläche.

Mit Ausnahme der ABS-Bremse wurde die Kawasaki GPZ 1100 nicht verändert; lediglich das Leergewicht stieg um zehn Kilogramm auf nunmehr 279 Kilogramm. Das 1052 Kubikzentimer große VierzylinderTriebwerk leistet 72 kW (98 PS) bei 9000 Touren und gehört damit zur Big-Bike-Kategorie; es ist dank mächtigem Drehmoment schaltfaul zu fahren. Das Getriebe schaltet sich leichtgängig und präzise, das Fahrwerk der GPZ genügt jener Spezies von Motorradfahrern vollauf, die sich auf öffentlichen Straßen vorwiegend im sozialverträglichen Bereich bewegen. Die Sitzposition ist zwar einigermaßen sportlich, macht längere Reisen aber keineswegs zur Qual. Meckern können wir nur über die zu kurzen Rückspiegel-Ausleger, weshalb Fahrer vorwiegend ihre Oberarme abgebildet sehen. Die Funktion der Verkleidung besteht mehr in knappem Wind- als in wirksamem Wetterschutz; zudem wirkt das Verkleidungs-Oberteil für ein 19 000-Mark-Motorrad etwas "windig".

Gute Note für ABS

Kawasaki-Händler registrieren bislang noch keine überschäumende Nachfrage nach der ABS-GPZ. So bleibt nur die Hoffnung, daß die Kunden den unschätzbaren Wert eines Blockierverhinderers längerfristig erkennen und durch steigende Nachfrage den Einbau des Antiblockiersystems in weitere Modelle möglich machen. Denn daß das ABS im Notfall weitaus mehr kann als der besttrainierte Motorradfahrer, hat kürzlich die Zeitschrift Motorrad in einem Test dokumentiert: Beim Bremsen aus 100 km/h auf nasser Straße ließen sich mit ABS Werte erreichen, die von den meisten Fahrern nicht einmal bei trockener Fahrbahn realisiert werden.

Von Ulf Böhringer

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