Umbau:Motor raus, Akku rein

Umbau: Wo einst der Benzinmotor war, sitzt nun der E-Antrieb: Ein Unternehmer aus Schwaben hat sich auf die Umrüstung alter Käfer spezialisiert.

Wo einst der Benzinmotor war, sitzt nun der E-Antrieb: Ein Unternehmer aus Schwaben hat sich auf die Umrüstung alter Käfer spezialisiert.

(Foto: Steve Przybilla)

Einen Verbrenner umbauen zu einem Elektroauto: Das klingt verlockend. Doch in der Praxis können sich einige Probleme auftun. Am Ende ist es immer ein Draufleg-Geschäft.

Von Steve Przybilla

Elon Musk trifft man beim Einkaufen normalerweise nur selten. Nicht so bei Roland Schüren. Der Bäckerei-Inhaber aus Nordrhein-Westfalen hat sich der Elektromobilität verschrieben, privat wie beruflich. Am Hauptsitz seiner Bäckerei, in Hilden, steht der Tesla-Gründer direkt neben der Verkaufstheke. Dass er aus Pappe ist, fällt da kaum ins Gewicht, denn Schüren geht es ums große Ganze: "Unsere Backwaren sind bio. Da soll auch die Auslieferung nicht dreckig sein."

Schon mehrere Jahre beschäftigt sich der 52-Jährige mit nachhaltigen Produktionsmethoden. Aufs Dach der Backstube hat er eine Photovoltaik-Anlage gesetzt, die nicht nur den Betrieb mit Strom versorgt, sondern auch mehrere Ladesäulen, an denen sich Kunden bedienen können. Nur ein Problem plagte Schüren bis zum Schluss: "Wir haben 18 Filialen und Firmenkunden, die wir jeden Tag beliefern. Es gibt auf dem Markt aber keine elektrischen Lieferfahrzeuge, die groß genug für unsere Bedürfnisse sind."

Um trotzdem emissionsfrei zu fahren, entschied sich Schüren für eine radikale, in Deutschland kaum praktizierte Methode: Er ließ seine Lieferfahrzeuge umbauen. Zwei Sprinter - früher mit Dieselmotor unterwegs - rollen nun elektrisch, genau wie ein restaurierter VW Bulli von 1975, der ebenfalls für Auslieferungen zum Einsatz kommt. Gerade am Anfang hätten sich die Mitarbeiter umstellen müssen: "Jedes Fahrzeug kommt am Tag auf 150 Kilometer", sagt Schüren. "Als wir im Winter eine spontane Tour gemacht haben, mussten wir in Wuppertal zwischenladen." Doch inzwischen hätten sich alle an die batteriegetriebenen Sprinter gewöhnt.

Einfach war die Umrüstung nicht. In Deutschland gibt es nur wenige Firmen, die derartige Umbauten vornehmen. Die Nachfrage ist vergleichsweise gering, jedes Auto eine neue Herausforderung. All das macht die Arbeit langwierig und teuer, wobei Schüren einen staatlichen Zuschuss von 50 Prozent erhalten hat. "Der Umbau des Bullis ging nur peu à peu voran", erinnert sich der Bäcker. "Am Ende hat das Ganze etwa ein Jahr gedauert."

Motor raus, Batterie rein: So einfach, wie die Umrüstung in der Theorie klingt, ist sie in der Praxis meist nicht. "Wenn man ein Auto unter Strom setzt, muss man wissen, was man tut", sagt Dennis Murschel. Der 46-jährige Karosseriebauer aus Renningen bei Stuttgart hat früher bei Mercedes gearbeitet. Lange war er in der Tuning-Szene aktiv; inzwischen konzentriert er sich auf den Umbau von Verbrennern zu Stromern. "Natürlich kann man eine Batterie festnageln, einen Controller dranschrauben und versuchen, damit loszufahren", sagt Murschel. "Aber das ist was für Hobbybastler." Seine Kunden legten Wert auf ein Auto, das hinterher auch funktioniert - und durch den TÜV kommt.

Warum man beim Umbau drauflegt statt Geld zu sparen

Murschel hat sich auf alte VW Käfer spezialisiert. Sie werden komplett zerlegt, entlackt und entkernt. "Wenn die Autos hier ankommen, sind sie Schrott", sagt der Karosseriebauer. "Wir retten, was zu retten ist, bevor wir sie umbauen." Am Ende bleibt vom Original nicht mehr viel übrig - "Retrokäfer" heißen die restaurierten Oldtimer, die von nun an elektrisch fahren. Laut Murschel halten ihre Akkus bis zu 150 Kilometer durch. Umbau und Restauration kosten mindestens 100 000 Euro, bei Sonderwünschen auch deutlich mehr.

Hinweis der Redaktion

Ein Teil der im "Mobilen Leben" vorgestellten Produkte wurde der Redaktion von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen Journalisten eingeladen wurden.

"Das ist nur etwas für eine bestimmte Zielgruppe", räumt Murschel ein. Meist lassen gut situierte Oldtimer-Enthusiasten ihre Lieblinge umrüsten. "Von dem Gedanken, durch einen Umbau etwas zu sparen, muss man wegkommen." Selbst die einfachste Variante ohne Restaurierung koste mindestens 30 000 Euro - ein Preis, für den man inzwischen durchaus ein kleines Elektroauto bekommt, und zwar neu. "Die größte Herausforderung beim Umbau ist die Software", sagt Murschel. "Wenn das Auto fertig ist, müssen ABS, ESP und all die anderen Sicherheitssysteme immer noch funktionieren." Er selbst arbeite dafür mit VW zusammen. Viele andere Hersteller gäben ihre Software aber nicht frei.

Private Bastelei ist immer ein Risiko

Im Internet gibt es Rechner, mit denen sich die Umbaukosten abschätzen lassen (etwa www.fleck-elektroauto.de). Auch dort wird schnell klar: Wer ein halbwegs alltagstaugliches Fahrzeug möchte, das schneller als 80 Stundenkilometer fährt und eine passable Reichweite hat, wird kaum unter 20 000 Euro kommen - Einzelprüfungen durch den TÜV noch nicht eingerechnet. Als preisgünstige Alternative bleibt daher letztendlich nur noch die private Bastelei. Ob ein solcher Eigenbau hinterher aber auch auf öffentlichen Straßen fahren darf, ist mehr als ungewiss.

Tatsächlich stellt die Zulassung mitunter ein größeres Problem dar als die Umrüstung selbst. In Tuning-Foren berichten private Bastler regelmäßig von Schwierigkeiten bei der behördlichen Abnahme. Auch Umbau-Experte Murschel bietet für Kunden auf Wunsch eine "TÜV-Begleitung" an, damit diese nach der Elektrifizierung ihres Autos keine böse Überraschung erleben.

Der TÜV selbst rät, vor etwaigen Umbauten unbedingt mit den zuständigen Prüfern zu sprechen. "Das ist ein sehr diffiziles Thema", sagt Vincenzo Lucà vom TÜV-Süd. Zu Problemen komme es immer dann, wenn das umgebaute Auto nicht mehr den Eigenschaften entspreche, die es laut Zulassung habe. So könne sich durch den Einbau einer Batterie etwa das Gesamtgewicht deutlich erhöhen. Auch die Höchstgeschwindigkeit, die elektromagnetische Verträglichkeit und die Fahrleistung könnten sich verändern. "Das ist sicherheitsrelevant, weil die Bremsen auf bestimmte Leistungen ausgelegt sind", erläutert Lucà. Eigenbauten aus der heimischen Garage sieht er daher skeptisch. "Für solche Arbeiten gibt es Spezialisten."

Echte Enthusiasten schauen nicht auf die Kosten

Wer es trotzdem wagen will, kann als Hilfestellung das "VdTÜV-Merkblatt 764" konsultieren. Diese Handreichung, herausgegeben vom Verein der TÜVs, erläutert detailliert, welche technischen Vorgaben bei einem Eigenbau einzuhalten sind. Beispiel: "Sämtliche HV-Leitungen, die nicht in Gehäusen verlegt sind, müssen eine orangefarbene Außenhülle haben." Das 18-seitige Merkblatt kann über den Online-Shop des VdTÜV (www.vdtuev.de) bezogen werden; es kostet 36,17 Euro als gedruckte Version oder 33,81 Euro als PDF-Datei.

Wie viele Fahrzeughalter ihre Benziner pro Jahr umrüsten lassen, darüber gibt es keine Statistik. Fest steht, dass die Rechnung vom "günstigen Umbau" nicht aufgeht. In der Regel sind solche Projekte nicht nur aufwendiger, sondern auch deutlich teurer als ein fabrikneues E-Auto. Aber darum geht es echten Enthusiasten ja auch nicht. Roland Schüren, der Bäckermeister aus Hilden, sagt: "Eine Hochzeitstorte kostet eben mehr als ein Brötchen."

Zur SZ-Startseite
02 12 2017 Berlin Deutschland GER Alte Batterien liegen auf einem Atapel *** 02 12 2017 Berl

Elektroantrieb
:Die dreckige Wahrheit der Mobilitätswende

Elektroautos sollen den Verkehr in Deutschland sauberer machen. Die Wahrheit ist aber auch: Für die riesigen Batteriemassen gibt es noch gar kein Recycling-System.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: