Kabinenmotorrad mit Elektroantrieb:Die rasende Zigarre

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Die Schweizer Firma Peraves bietet ihr windschnittiges Kabinenmotorrad Monotracer jetzt auch mit einem preisgekrönten Elektroantrieb an. Die Ökologie allein dürfte den potentiellen Käufern aber kaum den Preis von knapp 95.000 Euro wert sein.

Christopher Schrader

Den Parkplatz in der Westkurve am Motodrom Brünn wird Elisabeth Walser vermutlich in intensiver Erinnerung behalten. Hatte ihr Selbstbewusstsein als Motorradfahrerin hier doch einen herben Dämpfer erhalten, als sie zum ersten Mal versuchte, einen Monotracer zu fahren. Zweimal legte sie sich mit dem Kabinenmotorrad auf die Seite und rauschte beim dritten Versuch auf den Bordstein, bevor sie das Gerät zum Stehen brachte.

Unter der Haube: Zwei Passagiere finden im Monotracer Platz, der bis zu 240 km/h schnell und extrem sparsam ist. (Foto: N/A)

Der Monotracer, für den sich die Dame aus Oberrieden bei Zürich interessiert, ist eine 3,60 Meter lange Kunststoff-Zigarre auf zwei Rädern. Innen ist Platz für Fahrer und Sozius, die angeschnallt und ohne Helm hintereinander unter der gläsernen Kanzel sitzen. Zum Anhalten muss der Fahrer Stützräder ausklappen; nach dem Anfahren zieht er sie wieder ein und legt sich danach in die Kurven. Die freundliche Aufmerksamkeit aller Passanten ist ihm dabei gewiss.

Der Monotracer und sein Vorgängermodell Ecomobil werden seit 1984 im tschechischen Brünn und im schweizerischen Winterthur gefertigt, wo der Hersteller Peraves seinen Sitz hat. Bisher hatte das Gefährt stets einen BMW-Motor, doch nun bietet die kleine Firma den Monotracer auch mit Elektroantrieb an.

Das Elektromobil kommt mit besten Referenzen. Es wurde im Sommer 2010 nach Testfahrten in Michigan als sparsamster Zweisitzer der Welt ausgezeichnet; Preisgeld: 2,5 Millionen Dollar. Die Herausforderung beim sogenannten X-Prize war, mindestens 100 Meilen pro Gallone Benzin zu fahren, was einem Verbrauch von 2,35 Litern auf 100 Kilometer entspricht. Der elektrische Monotracer kam mit der Hälfte aus.

Dieses Modell bietet Peraves nun mit leichten Veränderungen als Serienfahrzeug an. Im August sollen die ersten Kabinenmotorräder mit Elektroantrieb für den Straßenverkehr zugelassen werden und letzte Tests absolvieren; die Kunden bekommen ihre vorbestellten Fahrzeuge dann von Januar 2012 an. Peraves sagt den Käufern eine Reichweite von mindestens 300 Kilometern zu - plus eine Reserve von 30 Kilometer bei mäßigem Tempo.

40 Gramm CO2 pro gefahrenem Kilometer

Der geringe Energieverbrauch spiegelt sich natürlich im Schadstoffausstoß wider. Wird das Kabinenmotorrad an deutschen Steckdosen aufgeladen, aus denen noch immer viel Kohlestrom fließt, entweichen den Kraftwerksschornsteinen etwa 40 Gramm CO2 pro gefahrenem Kilometer. Schweizer Kunden fahren noch umweltfreundlicher, weil die Alpenrepublik viel Wasserkraft nutzt und so die Grammzahl einstellig wird.

Die Ökologie allein dürfte den potentiellen Käufern aber kaum den Kaufpreis von knapp 95.000 Euro wert sein. Der elektrische Monotracer ist ein sehr sportliches Gefährt. "Er ist in 4,5 Sekunden auf 100 und nach zehn Sekunden auf 200", sagt Firmenchef Roger Riedener. Der Motor leistet auf Anhieb 220 Newtonmeter Drehmoment, die Höchstgeschwindigkeit des Kabinenmotorrads ist auf 240 Kilometer pro Stunde abgeregelt.

Womöglich wird man manchen Käufern anfangs auch nicht die volle Leistung von 150 Kilowatt (204 PS) freischalten, sondern erst, wenn sie Fahrerfahrung gesammelt haben. Offenbar tragen sich aber sowieso etliche Besitzer eines Monotracers mit Benzinmotor mit dem Gedanken, auf die elektrische Version umzusteigen.

Elisabeth Walser gehört nicht zu dieser Gruppe. Ihr Mann Ulrich und sie sind zwar früher viel Motorrad gefahren, aber nun sind sie nach Brünn gekommen, um den Monotracer kennenzulernen. Das Geld für den Kauf wäre wohl vorhanden, das Schweizer Ehepaar besitzt mehrere Firmen und ist mit einem Aston-Martin angereist.

Für die Fahrstunden wird einem der beiden Elektro-Prototypen, die in Michigan am X-Prize teilgenommen haben, ein Stahlträger mit einem zweiten, fixen Satz Stützräder untergeschraubt. Sie reichen nicht ganz bis zum Boden und sollen den Aufprall bremsen, wenn ein Fahrschüler mit dem Gefährt auf die Seite fällt. Als Elisabeth Walser das zum zweiten Mal passiert und sie frustriert aus dem Cockpit schaut, bemerkt ihr Ehemann Ulrich trocken: "Ja dann kauf' ich meiner Frau doch einen, wenn sie so viel Freude daran hat."

Die Bedienung eines Monotracers müssen auch Motorradfahrer erst erlernen. Denn das Kabinengefährt mit seinen 530 Kilogramm Leergewicht lässt sich nicht mit dem Körpergewicht ausbalancieren, sondern nur mit leichten, gekonnten Bewegungen am Lenker. Manche Interessenten erlernen das relativ mühelos, ein Mann aus Österreich und ein Brite kurven schnell mit dem Kabinenmotorrad über den Parkplatz.

Das müsse nichts heißen, sagen erfahrene Monotracer-Besitzer. Nahezu jeder hat eine selbstironische Geschichte über die Anfänge auf Lager. Einen Besitzer aus Neuss zum Beispiel erwischte die Krise, als er sein nagelneues Gefährt aus der Schweiz ins Rheinland überführte. Da traute er sich nicht mehr aus dem Windschatten der Lastwagen heraus - aus Angst, die Wirbelschleppen würden ihn gegen die Leitplanke werfen. Heute lacht er darüber.

Elisabeth Walser beginnt am zweiten Tag auch zu lachen. Mit neuer Technik und einem neuen Lehrer beginnt sie, das Gefährt zu beherrschen. Zunächst fährt sie in Schräglage Kreise, auf eines der Hilfsräder gestützt, bis sich das Elektromobil durch die Fliehkräfte aufrichtet. Dann nutzt sie die Diagonale auf einem asphaltierten Platz, um das Geradeausfahren zu üben. Der Fahrlehrer greift vom hinteren Sitz über ihre Schulter an den Lenker, um bei der Dosierung der Bewegungen zu helfen.

Gut möglich, dass sie ihren Mann jetzt beim Wort nimmt - und Peraves einen neuen Kunden gewonnen hat.

© SZ vom 01.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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