Süddeutsche Zeitung

Jubiläum:Frauen in Fahrt

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Vor 80 Jahren wurde in Berlin der Deutsche Damen Automobil Club gegründet. Schon damals scheuten die Frauen keine fahrerische Herausforderung.

Marion Zellner

Das Berlin der zwanziger Jahre: eine pulsierende Stadt, die Gesellschaft tanzte ausgelassen Charleston, die Damen ließen sich Bubikopf-Frisuren schneiden, die Herren frönten dem noch jungen Motorsport. Eine Gesellschaft in Bewegung, offen für verwegene Ideen und Pläne. So gesehen überrascht es auch nicht, dass vor 80 Jahren ausgerechnet in Berlin der Deutsche Damen Automobil Club (DDAC) entstand.

Lucy Elisabeth Freifrau von Linsingen gründete ihn am 18.Mai 1926 mit sechs weiteren couragierten Damen der Gesellschaft. Das Ziel des Clubs waren sportliche Veranstaltungen, gemeinsame Auto-Ausflüge eingebettet in ein reges Club-Leben - exklusiv für Frauen.

"Es ist dies der erste Club in Deutschland, der auch den Damen Gelegenheit gibt, auf diesem Gebiete ihren Sportsgeist geschlossen zu betätigen, sich ihren Platz im sportlichen Wettstreit zu sichern und in der exklusivsten Gesellschaft eine Kultur des vornehmsten Sportzweiges zu pflegen", heißt es in einem Schreiben, das Lucy von Linsingen gleich nach der Club-Gründung an potenzielle Mitglieder verschickte.

Männliche Unterstützung

Trotz einer zunehmend aufgeklärten Gesellschaft war der DDAC eine sehr mutige, freiheitlich orientierte Idee, auch wenn er prominente männliche Unterstützung bekam. "Von den Frauen empfängt der Autosport eine besondere Prägung: Würde es sonst die vielen wunderschönen, mit höchstem Komfort und Luxus eingerichteten Wagen geben, wenn nicht unzählige Frauen diese Leidenschaft kultivierten", schrieb Erich Maria Remarque zur Gründung im Continental Echo.

Doch Frau mit Auto war damals keineswegs selbstverständlich - obwohl die gemeinsame Geschichte so alt ist wie das Auto selbst. Schließlich hatte es Carl Benz auch seiner Frau Bertha zu verdanken, dass die Öffentlichkeit auf seine bahnbrechende Erfindung aufmerksam wurde.

Sie fuhr in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts - ohne Erlaubnis ihres Mannes - mit ihren zwei Söhnen im dreirädrigen Motorwagen nach Pforzheim. Damit war sie die erste Frau der Welt hinter dem Steuer eines Automobils. Kein Wunder also, dass Bertha Benz Ehrenmitglied des DDAC wurde.

Bertha Benz' unternehmungslustiger Dickkopf mag wohl für manche Frau der folgenden Jahre - bewusst oder unbewusst - Vorbild gewesen sein. Stellvertretend für viele Frauen dieser Zeit kann auch Erika Mann stehen, deren Leidenschaft - das Rennfahren - ihr 1931 sogar einen Sieg einbrachte, als sie ein 10.000 Kilometer langes Rennen in einem Ford absolvierte. Ihre Faible fürs Auto ging so weit, dass ihre Freundin Annemarie Schwarzenbach sich in einem Brief fast liebevoll nach Erikas Auto erkundigte: "Was macht die Stimme, was macht der Ford, u. was das schöne Leben?"

Prominente Mitglieder

Wenn auch Erika Mann nicht dem DDAC angehörte, so gab es doch andere Namen der damaligen Gesellschaft: die Fliegerin Elly Beinhorn beispielsweise oder die Schauspielerin Lilian Harvey, Verlegerstochter Hilde Ullstein oder Bugatti-Rennfahrerin Elisabeth Junek - alle sympathisierten oder waren Mitglied.

Auch die weniger bekannten Damen scheuten keine Herausforderung. Von 1928 an wurden Zuverlässigkeitsfahrten durchgeführt; die erste führte über Strecken bis 750 Kilometer und endete im thüringischen Oberhof. Anlässlich dieser Fahrt wurde die erste Autoplakette entworfen: eine Tradition, die sich bis heute erhalten hat.

Traditionelle Kleidung

Heute, 80 Jahre nach der Gründung und mittlerweile in Hannover beheimatet, werden Traditionen im DDAC nach wie vor groß geschrieben. So tragen die Damen, 350 Mitglieder in zehn Landesclubs, bei Ausfahrten und Veranstaltungen immer noch den dunkelblauen Blazer und das Halstuch mit dem Club-Logo: einem weißen Kleeblatt.

Für die jetzige Präsidentin Sylvia Thießen-Lüders ist das kein Widerspruch zu Emanzipation und der heutigen Alltäglichkeit von Frauen hinterm Lenkrad: "Das Tragen von Clubfarben und Blazern ist auch eine Form von Tradition und Gemeinsamkeit, die unseren Sport kennzeichnet, wie dies auch bei vielen anderen Sportarten der Fall ist." Deshalb verwehrt sich Thießen-Lüders auch gegen das Vorurteil, der DDAC sei antiquiert oder gar überflüssig.

Haben sich auch die Umstände gegenüber der damaligen Zeit deutlich verändert, bleibt der Club doch seiner Idee treu. Denn die Orientierungfahrten etwa setzen - eine angeblich typisch weibliche Schwäche - gute Kenntnisse im Kartenlesen und Umsetzen auf der Strecke voraus, Fahrsicherheitstrainings und die Gymkhana - der Geschicklichkeitswettbewerb - stärken das fahrerische Können.

Schwierige Nachwuchsarbeit

Und die Möglichkeit, dass drei Generationen Frauen gemeinsam Sport betreiben können, sei, so Thießen-Lüders, durchaus einmalig. "Bei uns bilden auch Großmutter und Enkelin, Mutter und Tochter Teams, und das sehr erfolgreich", so die Präsidentin. Das jüngste Mitglied, noch als Franzerin also Beifahrerin mit dabei, ist gerade einmal 16 Jahre alt, die älteste Dame hat die 100 Jahre bereits überschritten.

Allerdings ist die Nachwuchsarbeit tatsächlich nicht ganz einfach. Der Grund sei nicht der oft fälschlich vermutete elitäre Anspruch des DDAC, sondern die Berufstätigkeit vieler jüngerer Frauen, so die Präsidentin.

Doch sie ist überzeugt, dass die Idee der Gründerinnen auch heute nicht an Aktualität verloren hat. Und so schreibt Sylvia Thießen-Lüders in der Festschrift zum 80. Geburtstag des DDAC: "Es ist zwar eine alte Dame, die wir in diesem Jahr feiern, aber eine geistig rege in absoluter körperlicher Fitness, die sich den Herausforderungen der Moderne mit Erfolg gestellt hat."

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Quelle:
SZ vom 13.
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