Japan: Sonderplakette:Autos im Strahlentest

Neuerdings stellen Autokäufer ganz andere Fragen: Sie wollen wissen, ob ihr Auto in Japan hergestellt wurde - und ob es nicht radioaktiv verseucht ist. Japanische Konzerne wollen mit umfassenden Kontrollen und einer Sonderplakette weltweit beruhigen.

Thomas Fromm

Wenn deutsche Toyota-Kunden in den vergangenen Monaten die Hotline des japanischen Autobauers anriefen, ging es oft um klemmende Fußmatten, zu stark beschleunigende Gaspedale oder blockierte Bremsen.

Japan: Sonderplakette: Die Mazda-Werke, im Bild die Fertigung in Hiroshima, sind zwar etwa 1000 Kilometer vom Unglücksmeiler Fukishima-1 entfernt. Manche Zulieferer können jedoch in der Nähe des Atomkraftwerks beheimatet sein. Mazda und andere Autokonzerne wollen ihre Fahrzeuge wegen dieser Unwägbarkeiten vor der Auslieferung auf Radioaktivität hin überprüfen, um ihre Kunden zu beruhigen.

Die Mazda-Werke, im Bild die Fertigung in Hiroshima, sind zwar etwa 1000 Kilometer vom Unglücksmeiler Fukishima-1 entfernt. Manche Zulieferer können jedoch in der Nähe des Atomkraftwerks beheimatet sein. Mazda und andere Autokonzerne wollen ihre Fahrzeuge wegen dieser Unwägbarkeiten vor der Auslieferung auf Radioaktivität hin überprüfen, um ihre Kunden zu beruhigen.

(Foto: Bloomberg)

Probleme, wegen denen der Hersteller Millionen Autos weltweit zurückrufen musste. Neuerdings rufen Menschen an, die ganz andere Fragen stellen. Sie wollen wissen, ob ihr Auto in Japan hergestellt wurde - und ob es nicht radioaktiv verseucht ist.

So wie Toyota geht es auch den anderen Herstellern aus Japan - Mazda, Honda, Suzuki oder Mitsubishi. Die Reaktorkatastrophe von Fukushima, die täglich neuen Berichte über hohe Strahlungsbelastungen - all dies verunsichert die Autokäufer weltweit.

Sollten die internationalen Kunden aus Angst vor Radioaktivität ausbleiben, würde dies die Japaner zusätzlich schwer treffen. Schon auf dem Heimatmarkt brachen ihre Verkaufszahlen im März massiv um 37 Prozent ein - der größte Rückgang, der jemals in Japan verzeichnet wurde.

Jetzt steuern die gebeutelten Autobauer gegen - und garantieren ihren Kunden, Neuwagen vor dem Export auf radioaktive Strahlung zu testen. "Wir haben am Ende einer jeden Produktion eine Endkontrolle, bei der wir alles prüfen - von den Rädern bis zur Farbe", sagt ein Toyota-Sprecher. "Neuerdings prüfen wir jetzt zusätzlich, ob ein Auto radioaktiv belastet ist oder nicht."

Auch Mazda versucht, eventuell kontaminierte Autos rechtzeitig aus dem Verkehr zu ziehen. "Wir werden durch entsprechende Überprüfungen sicherstellen, dass kein kontaminiertes Fahrzeug oder Ersatzteil in den Handel gebracht wird", erklärt ein Mazda-Sprecher.

Toyota, der Weltmarktführer aus Tokio, hat seine Produktion in den vergangenen Jahren quer über den Globus verteilt. Im vergangenen Jahr wurden von den 7,6 Millionen Fahrzeugen der Marken Toyota und Lexus, die weltweit verkauft wurden, nur 3,2 Millionen in Japan gefertigt. Der Rest kam aus Fabriken in Europa, den USA und anderswo.

Die Produktion kommt nur schleppend in Gang

Mazda dagegen hat keine Werke in Europa und liefert seine Autos beispielsweise für den deutschen Markt zum großen Teil aus der Heimat. Die Werke in Hiroshima und Hofu seien an die 1000 Kilometer vom Unglücksreaktor Fukushima entfernt und damit außerhalb der Gefahrenzone, teilt der Konzern mit. Es soll die Kunden beruhigen.

Andererseits - unklar ist, wie viele Zulieferer Mazdas aus der unmittelbaren Umgebung des Reaktors stammen. "Wir haben unsere Händler mit den richtigen Argumenten versorgt, wenn Kunden ihre Ängste ansprechen", heißt es bei Mazda. Autos, die derzeit in den Verkäufsräumen stehen, seien ohnehin noch nicht betroffen. "Das Thema stellt sich erst in den nächsten Wochen und Monaten, wenn frisch produzierte Autos in Europa ankommen", heißt es bei Mazda.

Noch ist ungeklärt, wie die Hersteller das Ergebnis der Strahlungstests am Ende kommunizieren werden. Derzeit arbeitet Japans Automobilverband an einer Art Zertifikat, das dann für alle japanischen Autohersteller gelten soll. "Wir wissen noch nicht, ob das dann eine Plakette oder eine andere Dokumentation sein wird", so Mazda. Genügt eine Plakette, um Kunden in Europa zu beruhigen?

Ohnehin nehmen die japanischen Hersteller ihre Produktion nur schleppend wieder auf. Bei Honda soll zuerst die Teilefertigung wieder anlaufen, vom 11. April an dann die Fahrzeugfertigung. Auch bei Mazda wird nur ein Teil der Produktion wieder in Gang gesetzt. Beim Marktführer Toyota dagegen steht noch fast alles still. "Wir haben Probleme mit den Lieferungen, außerdem leiden die Werke unter ständigem Stromausfall", so ein Firmensprecher in Köln.

Mindestens vier Wochen Produktionsunterbrechung - für die japanischen Hersteller dürfte das Autojahr 2011 damit zu einem Desaster werden. Um rund eine Million Autos dürfte die Katastrophe damit den weltweiten Autoabsatz verringern, rechnet der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen vor.

Für die Hersteller, die in den vergangenen Jahren weltweit Marktanteile dazugewonnen hatten, könnte dies der Beginn eine jahrelangen Rezession sein. "Da der japanische Automarkt zu 95 Prozent von japanischen Autobauern bedient wird, verlieren fast ausschließlich die japanischen Autobauer Verkäufe", erklärt Experte Dudenhöffer.

Und auch die Zulieferer werden den Einbruch spüren: Schon jetzt ersetzen die großen Autokonzerne ihre japanischen Zulieferer durch neue Partner aus China und Korea.

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