50 Jahre Volvo P 1800:Schweden-Märchen

Vor 50 Jahren stellte Volvo den P 1800 vor. Das schöne Coupé wurde zum Fernsehstar und beliebten Youngtimer. Unvergessen bleibt der Lifestyle-Kombi 1800 ES - eine Spritztour mit dem "Schneewittchensarg".

Pelle Petterson liebt das Meer. 1964 holte er bei der Olympiade eine Medaille im Segeln und entwarf später als Industriedesigner elegante Yachten. Doch Volvo-Fans kennen den heute 78-Jährigen vor allem wegen seines Ausflugs ins Automobildesign. Petterson entwarf 1957 den P 1800, der 1961 als eins der schönsten Volvo-Modelle aller Zeiten in Serie ging.

In den ersten Jahren wurde der Wagen in Großbritannien montiert. Dort schaffte er es auch zum TV-Star. Roger Moore jagte als Privatdetektiv Simon Templar Ganoven über die Insel und fuhr auch privat einen P 1800.

Bis zum Produktionsende 1972 liefen knapp 40.000 Autos vom Band. Die seltenste, aber auch faszinierendste Version ist der 1800 ES. Der Lifestyle-Kombi mit den pfostenlosen Seitenscheiben war zwar nicht das erste Auto seiner Art - diese Ehre gebührt eher dem Chevrolet Nomad - aber ganz sicher eins der elegantesten.

Für schicke Autos war damals der Begriff Kombi fast schon eine Beleidigung, deshalb nannte man den 1800 ES lieber Shooting Brake. In England war diese Fahrzeuggattung Ende der sechziger Jahre populär, es gab Shooting Brakes wie den Reliant Scimitar und den in Kleinserie gebauten Aston Martin DB5 mit Kombiheck. Auf solche Autos dürfte Volvo geschielt haben, als man das Sportcoupé zum Edelkombi aufpeppte.

In Deutschland hatte der Wagen schnell den Spitznamen "Schneewittchensarg" weg. Schneewittchen wurde im Märchen bekanntlich in einem gläsernen Sarg geparkt, bevor ein vorbei reitender Prinz die Scheintote per Kuss wieder zum Leben erweckt.

Das gläserne Heckabteil des Volvo ist wirklich eine Schau, auch ohne schlafende Schöne. Es ist mit Teppich ausgekleidet, zum Öffnen der grün getönten Glasklappe muss man sich mit einem eigenwilligen Drehknopf anfreunden.

Mit ein paar Handgriffen wird der schicke Schwede sogar wirklich zum Kombi. Bei umgelegter Rückbank bietet der Volvo-Veteran 991 Liter Stauraum.

Sportlichkeit war kein Wert

Auch das Cockpit gibt sich edel, es verwöhnt den Piloten mit einem gemütlichen Ledersitz samt Lordosestütze. Wer die Gurtschnalle nicht in das beleuchtete Schloss führt, wird sofort mit der Sicherheitsanweisung konfrontiert, wenn das rote "Bitte anschnallen"-Lämpchen am Armaturenbrett aufleuchtet.

Solche Warnungen kennt man auch von Saab-Youngtimern. Immerhin bleibt man vom Gepiepse und Geträller moderner Gurtwarner verschont. In den frühen siebziger Jahren aber, die noch keine Gurtpflicht kannten, war schon die kleine Warnleuchte eine geradezu penetrante Funktion.

Wer heute einen 1800 ES in gutem Zustand ergattern möchte, muss laut Youngtimer-Preisnotierung mindestens 20.000 Euro einplanen. Und wer sich einen gesichert hat, gibt ihn so schnell nicht wieder her. Insgesamt liefen kaum mehr als 8000 ES vom Band.

Aber so sportlich der Shooting Brake auch aussieht - er fährt sich nicht annähernd so. Unter der lang gestreckten Haube verrichtet ein Zweiliter-Vierzylinder mit 125 PS seinen Dienst. Der Motor hängt noch ganz gut am Gas und an die hakelige Viergangschaltung hat man sich nach ein paar Kilometern gewöhnt.

Doch die gefühllose Lenkung vermittelt null Kontakt zur Fahrbahn. Die hintere Starrachse trampelt über Bodenwellen, und in Kurven gibt sich der Wagen trotz seines Gewichtes von nur 1,2 Tonnen ziemlich schwerfällig. Selbst 1971 gab es da viele Autos, die deutlich mehr Fahrspaß zu bieten hatten.

Doch ob Kombi oder Coupé: Die Sportlichkeit war ohnehin nie das Aushängeschild des P 1800. Dass der Wagen ein zäher alter Schwede ist, hat Irv Gordon bewiesen. Der Amerikaner kaufte sein P 1800 Coupé im Jahr 1966 und hat seitdem mehr als 2,8 Millionen Meilen (4,5 Millionen Kilometer) mit ihm zurückgelegt. Bald will er die Drei-Millionen-Marke knacken.

Eigentlich wollte der pensionierte Lehrer sein Rekordfahrzeug - zwei Einträge ins Guinness-Buch hat Gordon bereits geschafft - einem Museum übergeben, doch dann besann er sich anders. Er fuhr ihn weiter, und wenn er ihn irgendwann einmal verkauft, dann wohl nur für einen stolzen Preis: "Natürlich für drei Millionen Dollar", so der Amerikaner mit Vorliebe für Schwedenstahl.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: