70 Jahre Porsche:Keiner braucht ihn, jeder will ihn

Eine Werbung für einen Porsche 911, dahinter sind drei Porsche 356 platziert.

Porsche-Werbung in den 60er-Jahren: Der 911 im Vordergrund, dahinter drei Porsche 356

(Foto: AFP)

Statussymbol, Sehnsuchtsmodell, Designklassiker: Seit den 60er Jahren gehört der 911er zu den Kultprodukten aus dem Hause Porsche. Doch die Firmenhistorie reicht viel weiter zurück.

Von Georg Kacher

Vom kleinen Konstrukteursbüro zur bekanntesten Sportwagenmarke der Welt: Ferdinand Porsche und seine frühen Mitstreiter waren Mobilitätspioniere der besonderen Art. Der Porsche P1 fuhr schon 1930 rein elektrisch, im Lohner-Porsche debütierte der erste Hybridantrieb, die Evolutionskette vom NSU-Porsche über den VW Käfer bis zum Porsche 356 würde man heute als modulare Basisarchitektur beschreiben. Die Projektliste der umtriebigen Denkfabrik reichte vom Rennwagen über den Kübelwagen bis zum Panzer.

In gewisser Weise war der erste Porsche-Sportwagen ein Abfallprodukt des ersten Käfers, bezahlt von Wolfsburg und für wenig Geld umgewidmet. Nach dem Krieg dauerte es 15 Jahre, bis 1965 der letzte von 76 000 Porsche 356 vom Band lief.

Der wahre Aufschwung begann mit dem 1963 vorgestellten 911. Der luftgekühlte Vierzylinder saß eigentlich viel zu weit hinten, und die Fahreigenschaften konnten schon mal heimtückisch sein. Aber das Design war auf Anhieb Kult, mit jedem Leistungssprung wuchs die Fangemeinde, und irgendwann fuhren die Leichtbau-Elfer auf Augenhöhe mit der Konkurrenz aus Italien und England.

Der Zwist zwischen den Familien Porsche und Piëch bescherte dem Unternehmen immer neue Entscheider. Ernst Fuhrmann war der technikaffine Pragmatiker und Vater des 928. Dem Amerikaner Peter W. Schutz haben wir den 944 und den ersten offenen Elfer zu verdanken. Heinz Branitzki und Arno Bohn waren eher blasse Verwalter in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Der hinreißend schöne viertürige 989 war nur eines von vielen Modellen, die damals durchs Raster fielen.

Mit Cayenne und Panamera zu neuem Wachstum

Die prägende Erscheinung an der Firmenspitze war zweifellos der Sparmeister Wendelin Wiedeking, der mit Boxster/Cayman und 911 das Sportwagen-Portfolio wieder auf zwei Beine stellte. Gleichzeitig wagte sich Porsche mit Cayenne und Panamera in neue Wachstumssegmente. Obwohl der Versuch, VW zu schlucken, scheiterte, galt der kauzige Poltergeist als unumstrittener König im Porsche-Schach. Es folgten Michael Macht, Matthias Müller und Oliver Blume. Wie ein roter Faden zieht sich der Motorsport durch die Geschichte der Marke. Erst durch die Siege in der Langstrecken-WM, in Le Mans und im Formelsport zahlte sich das Motto "win on Sunday, sell on Monday" in barer Münze aus.

Die Porsche-Gegenwart dreht sich verstärkt um neue Markenwerte, die durch mehr und noch mehr Leistung entfachte Leidenschaft am Autofahren und das ebenso ambitionierte wie nachhaltige Produktportfolio. Dieses Geschäftsmodell generiert Renditen, von denen andere Hersteller - Ausnahme Ferrari - nur träumen können. Selbst relativ profane Produkte wie der mit dem Audi Q5 weitgehend baugleiche Macan kosten voll ausgestattet 100 000 Euro und mehr. Dass sich der Cayenne die Erbanlagen mit dem vergleichsweise biederen VW Touareg teilt, hat die Porsche-Klientel offenbar ebenfalls ausgeblendet.

Die früher streng fokussierte Kernkompetenz geht inzwischen weg vom reinrassigen Sportwagen und hin zum sportlichen Wagen, der auch ein SUV sein darf, der bei Volllast 30 Liter und mehr verbraucht. Nur Boxster und Cayman bereiten Kopfzerbrechen, denn deren Margen dümpeln im mittleren einstelligen Bereich, die Kostenstruktur hängt teilweise am deutlich teureren Elfer, und das Segment schwächelt seit Jahren.

Vorsprung durch Technik - das Leben des Ferdinand Piëch

Burli und Butzi: Piëch (re.) und sein Cousin Ferdinand Alexander Porsche mit Großvater Ferdinand Porsche. Später stritten die Familien immer wieder.

(Foto: Volkswagen)

911 ist längst nicht mehr 911

Der 911 hält zwar die Sportwagen-Fahne hoch, aber 911 ist längst nicht mehr 911. Die Volumenmodelle sind inzwischen kräftige und kommode Cruiser für betuchte Silver Ager, die zwischen Coupé, Cabrio und Targa wählen können: Wer Elfer fährt, der hat es geschafft. Gusseisern gibt sich dagegen die GT-Fraktion, die noch selbst schalten will und nichts außer dem Hochdrehzahl-Sauger duldet. Die dazu passende Gänsehaut ab Werk gibt's zum Beispiel im 500 PS starken GT 3 mit spoilerfreiem Touring-Paket oder im absolut extremen GT 2 RS, der mit bis zu 700 PS den Hinterreifen jederzeit das Gummifell über die Ohren ziehen könnte.

Was bringt die Zukunft? Leider keinen erschwinglichen Leichtbau-Porsche, der mit 1000 Kilo und 350 PS puristisch glänzen könnte. Den Gewinn investieren die Schwaben lieber in neue umweltfreundliche Antriebstechnologien, was aktuell noch Probleme in Bezug auf Batteriegewicht und Bauraum aufwirft. Weil man sich im Konzern nicht schnell genug einig war, ist Porsche mit einem im Zeitraffer konzipierten E-Konzept vorgeprescht, das man künftig auch Audi und Bentley aufs Auge drücken will. Die neue Architektur heißt J 1, debütiert schon im nächsten Jahr im fünftürigen Taycan Coupé und wird ab Herbst 2020 auch als Crossover angeboten. Die vorläufigen Eckdaten der Top-Version: 600 PS, 1000 Nm, 95 kWh, 500 km Reichweite, in 3,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h, Spitze 255 km/h.

Bis 2025 sollen auch die Modelle Macan, Cayenne, Boxster und Panamera einen reinen Elektroantrieb erhalten. Der Dieselausstieg ist beschlossene Sache, die Gretchenfrage bleibt, welchen Marktanteil Benziner, Hybride und E-Fahrzeuge haben werden. Nur der Elfer, das Sportwagen-Urgestein, kennt zumindest bis 2028 kein Ablaufdatum für den Verbrenner. Alle anderen Baureihen müssen langfristig ans Ladekabel. Erste Hochrechnungen lassen vermuten, dass es nicht mehr ewig dauern wird, bis nur mehr jeder zehnte Porsche sein Lebenselixier aus der Zapfsäule bezieht. Mit im Schnitt mehr als 300 000 Einheiten pro Jahr ist moderates Wachstum, aber keine Stückzahl-Offensive angesagt.

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