Italienischer Motorradhersteller:"MV Agusta soll Luxus bleiben"

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Die MV Agusta F3 (Foto: MV Augusta)

Nach einem missglückten Abenteuer mit Harley-Davidson agiert MV Agusta wieder als Familienunternehmen. Mit Maschinen wie Brutale und Rivale mischen die Italiener im Luxussegment mit - und haben die Hoffnung, irgendwann einmal auch in China eine Rolle zu spielen.

Von Thomas Fromm

Es war die Zeit, in der Komödien noch romantisch und rätselhaft waren und Rom so etwas wie das Zentrum von all dem. Als Audrey Hepburn und Gregory Peck 1953 in dem Streifen "Roman Holiday" ("Vacanze Romane") durch Rom streiften, zwischen Santa Maria in Cosmedin, Spanischer Treppe und der Piazza dei Santi Apostoli herumfuhren, waren nicht sie die Hauptdarsteller des Films. Es war der kleine Vespa-Roller, mit dem sie unterwegs waren. Rom, die Stadt und die Vespa.

Seitdem denkt man an rundliche kleine Mopeds, wenn es um italienische Zweiräder geht. Und weniger an schwere Motorräder, an Maschinen mit 1000 Kubik und mehr. Italien, das Roller-Land. Giovanni Castiglioni will trotzdem keine Roller bauen. Auch wenn das gerade alle tun, weil Roller auch 60 Jahre nach "Roman Holiday" immer noch grandios am Markt laufen. Die Italiener, die Japaner, die Chinesen, die Deutschen, alle bauen Roller. Vielleicht will der Unternehmer aus Varese bei Mailand gerade deshalb nichts damit zu tun haben. "Roller sind mir zu riskant", sagt er. Zu sehr Massenmarkt, zu wenig Premium. Lieber baut er mit seinem Unternehmen MV Agusta schwere Kisten, die Brutale 1090 oder Rivale 800 heißen. Maschinen, die so etwas sind wie die Lamborghinis oder Maseratis der Motorradszene. Teuer, schnell, laut. Und auf ihre Art natürlich auch: sehr italienisch.

Anders als die anderen

In Italien, einem Land mit viel Sonne, vielen Bergpässen und noch mehr Küstenstraßen, gab es schon immer mehr Motorradmarken als anderswo. Marken mit langen Traditionen, meistens klein, oft zu klein, um alleine zu überleben. MV Agusta gehört zu den Firmen, die irgendwie immer da waren, seit den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Aber sie war immer kleiner als die anderen, als Ducati oder Moto Guzzi. Und vor allem: Die Firma, die mit 6500 verkauften Motorrädern im vergangenen Jahr an die 70 Millionen Euro Umsatz gemacht hat, ist heute ein Familienunternehmen. Wieder. Anders als die anderen.

Ducati, der weitaus größere Wettbewerber aus Bologna, gehört seit einem Jahr zum Volkswagen-Konzern. Moto Guzzi, Aprilia, Gilera, Vespa - alles Teil des großen Piaggio-Universums. Auch der Familienbetrieb MV Agusta hatte seine Unabhängigkeit zwischenzeitlich verloren: 2008 war Zweiradkrise, und das Unternehmen war an den US-Hersteller Harley-Davidson gegangen. Zwei ungleiche Partner, aber vielleicht hätte es ja doch geklappt. Nur die Zeit, zu beweisen, dass man es beim Management besser kann als die Norditaliener, hatten die Amerikaner kaum. Denn kurz nach dem Deal brach die Finanzkrise aus, der US-Konzern bekam selbst Probleme, und zwei Jahre, nachdem aus MV Agusta eine italo-amerikanische Tochter geworden war, hatte sich die Sache auch schon wieder erledigt. Die Castiglionis kauften sich frei und machten wieder alleine weiter. "Es ist für uns einfacher, allein zu sein", sagt Castiglioni, Alleineigentümer und Geschäftsführer, heute. "Teil eines Konzerns zu sein, hat für uns keine Vorteile."

Natürlich standen sie schon Schlange, die Investoren aus der Industrie. Die Geldverwalter aus den Investmentgesellschaften. "Wir haben viele Angebote bekommen, aber wir haben uns das nicht weiter angeschaut", sagt Castiglioni.

Kein Interesse, no grazie.

MV Agusta soll es nun ganz alleine schaffen. Ganz alleine? Castiglioni hat eine Idee. "Wir können uns vorstellen, in den nächsten drei Jahren an die Börse zu gehen; würden als Familie aber die Kontrollmehrheit an der Firma behalten. Mit den Einnahmen wären wir dann in der Lage, die weitere Expansion von Agusta selbst zu finanzieren." Dies trotz Krise: In den ersten fünf Monaten des Jahres habe man 30 Prozent mehr Räder verkauft als zur gleichen Zeit im Vorjahr, sagt Castiglioni. An die 8000 will er in diesem Jahr von seinen Motorrädern absetzen - dabei ist es noch gar nicht so lange her, da dümpelte der Absatz zwischen 3000 und 4000 Fahrzeugen herum. Doch auch das Wachstum soll Grenzen haben. Mehr als 15.000 Motorräder will er nicht verkaufen. "Die Marke soll Luxus bleiben". Wenn der Manager an seine Motorräder denkt, denkt er auch ein bisschen an Porsche. An das Prinzip Boxster. Auf die Italiener übertragen, hieße das: Kleinere Motorräder bauen, Preise von 9000 bis 25.000 Euro machen, wo früher die meisten verkauften Bikes noch in der Preisklasse zwischen 18.000 und 25.000 Euro lagen.

Zu den wichtigsten Märkten der Italiener zählt Deutschland. Außerhalb Europas sind es Amerikaner und Brasilianer, die Agustas kaufen. Aber keine Chinesen. Das Gesetz der Autoindustrie, wonach man als Premiumhersteller nur nach China gehen muss, um Milliardengewinne einzustreichen, gilt nicht für Zweiräder mit Motor. "Die Leute dort kaufen sich vielleicht einen Ferrari, aber kein teures Motorrad", sagt Castiglioni. Könnte aber noch irgendwann so kommen, meint der Italiener.

© SZ vom 06.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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