Interview mit Filmauto-Designer Daniel Simon:"Meinen Beruf gibt es eigentlich gar nicht"

Seine ehemaligen Kollegen entwerfen heute Minivans oder den neuen Golf. Der Stralsunder Autodesigner Daniel Simon ging einen anderen Weg. Er landete als ehemaliger VW-Praktikant in Hollywood. Und entwirft dort futuristische Fahrzeuge aus einer anderen Welt.

Von Felix Reek

Beim ersten Anblick der Designentwürfe von Daniel Simon fragt man sich unweigerlich: Warum fährt so etwas nicht auf der Straße? Die Formen sind spektakulär. Alles ist wie aus einem Guss, im steten Fluss. Autos, Motorräder, Flugzeuge und Raumschiffe aus einer anderen Welt - einer Traumwelt. Hollywood, um genau zu sein. Die meisten von Daniel Simons Kreationen fahren nicht auf der Straße sondern auf der Leinwand.

1975 in Stralsund geboren, studierte Simon zunächst Transportation Design in Pforzheim, machte ein Praktikum bei VW und stieg dort bis zum Car Lead Designer auf. 2005 hatte er genug und wollte "etwas eigenes auf die Beine stellen". Er zog für zwei Jahre nach Brasilien und schuf den Bildband Cosmic Motors: Spaceships, Cars and Pilots of Another Galaxy. Eine Sammlung fotorealistischer Auto- und Raumschiff-Entwürfe. Das blieb nicht unbemerkt. Auf einmal stand Hollywood vor der Tür.

SZ.de: Herr Simon, wie landet man als ehemaliger Praktikant von VW in Hollywood?

Daniel Simon: Per E-Mail. So lud mich 2008 Joseph Kosinski, der zukünftige Regisseur von Tron: Legacy, in sein Designteam ein. Er hatte zuvor mein Buch Cosmic Motors in Los Angeles entdeckt. Ein Glückstreffer.

Für den Film entwarfen Sie später unter anderem die futuristischen Motorräder, Rennwagen und Jets. Und tauschten den Job in der Autobranche gegen das Filmgeschäft. Wie unterscheidet sich Hollywood von ihrer Arbeit bei VW?

Die Unterschiede sind extrem, die einzige Gemeinsamkeit sind ästhetische Grundregeln beim Design. Sicherheiten gibt es keine. Projekte platzen von heute auf morgen oder ziehen sich viel länger hin als geplant. Meinen Beruf gibt es eigentlich gar nicht. Ich entwerfe professionelle Fantasien und nehme das sehr ernst. Andere zum Träumen zu bringen, finde ich extrem erstrebenswert.

Daniel Simon bei der Entwicklung eines der Motorräder aus "Tron: Legacy"

Daniel Simon (rechts im Bild) bei der Arbeit an einem der Motorräder von Tron: Legacy.

(Foto: Daniel Simon. www.cosmic-motors.)

Wollten Sie schon immer Autos designen?

Als ich 1990 einen Artikel in der Auto Zeitung über Autodesign an der Fachhochschule Pforzheim las, war das eine Sensation für mich. Es gab also tatsächlich andere, die wie ich den ganzen Tag Autos zeichneten. Von da an war klar, es gibt nur dieses eine Ziel.

Nach Tron: Legacy folgten unter anderem der sechsrädrige Roadster aus Captain America und die Raumschiffe in Oblivion mit Tom Cruise. Wie kommen sie auf solche Ideen?

Bei Filmen liefern mir das Drehbuch und der Regisseur genug Ideen. Es liegt an mir, diese schnell umzusetzen. Inspiration gibt es tagtäglich. Für einige Science-Fiction-Designs studiere ich tatsächliche Spezial-Maschinen, sei es ein Mondlandemodul, ein Geschwindigkeitsrekordwagen oder ein Tiefsee-U-Boot. Solche Fahrzeuge sind brutal kompromisslos. Bei Industrie-Klienten ist der Prozess klassischer, da es mehr Vorgaben gibt. Hier mache ich mehr Skizzen, der Kunde braucht Kontrolle. Da kann man nicht viel über Ideen diskutieren, die man im Traum hatte.

Die meisten Ideen kommen Ihnen also im Traum?

Absolut. Im Tagtraum auf langen Autofahrten in Kalifornien und abends, in der Einschlafphase. Selten entsteht ein Projekt tatsächlich auf der berühmten Serviette. Nachdem die Idee einige Tage in meinem Kopf gereift ist, versuche ich sie zu skizzieren, um sie nicht zu vergessen. Das sieht oft noch nicht ganz so gut aus, wie ich es mir vorgestellt habe. Am Computer versuche ich dann über Wochen, diese Idee in 3D zu kristallisieren, bis sie meiner Idee nahekommt.

"Das Auto als Produkt ist verdammt"

Trotz all den Raumschiffen und Motorrädern, die Sie entworfen haben, kehren Sie immer wieder zu Autos zurück. Warum?

Autos sind hochglanzlackierte Skulpturen, die uns täglich umgeben. Das beeinflusst auch mich. Sie spielen mit Licht und Schatten, sind extrem komplex und erzeugen Emotionen. Das Auto interessiert mich als Skulptur, nicht als Konsumprodukt. Und da unsere Gesellschaft sehr mit dem Automobil verbunden ist, heißt das auch, dass neue Entwürfe auf breites Interesse stoßen. Es ist also eine sehr spezielle Kunst mit einem großen Publikum.

Im Gegensatz zu "echten" Autos werden Ihre Entwürfe aber nie gebaut, immer eine Computersimulation oder ein Modell bleiben. Reizt es Sie nicht, etwas zu entwerfen, das überall auf der Welt gefahren wird?

Dem bin ich am Anfang meiner Karriere gefolgt. Aber über die Jahre merkte ich, dass Kollegen mit mehr Begeisterung als ich an einem neuen Minivan arbeiteten. Jeder Künstler sucht eine Bühne, ich habe meine nicht beim Autohändler, sondern auf der Kinoleinwand gefunden. Seit 2008 sind über zwanzig meiner Fahrzeugdesigns weltweit in Filmen zu sehen, auch wenn diese nur einmal gebaut wurden oder nur im Computer existieren. Im Kopf von Millionen existieren sie. Für mich ist das kreativ befriedigender, als jahrelang einem einzigen Automobil hinterher zu zeichnen.

Und warum sehen Filmautos so anders aus als das, was wir auf tagtäglich auf der Straße sehen?

Weil wir andere Vorgaben haben. Ich besitze großen Respekt für die Kollegen in Autofirmen. Es ist viel einfacher, ein verrücktes Raumschiff für einen Film zu entwerfen. Meine Entwürfe würden sich nicht von anderen unterscheiden, wenn ich für eine Autofirma arbeiten würde. Das liegt einfach an den engen Vorgaben und hat nichts mit Talent oder Stil zu tun. Auch finde ich, dass es selten mehr Auto-Vielfalt gab.

Aber grundlegend neue Ansätze haben es schwer, sich durchzusetzen. Was bringt Ihrer Meinung nach die Zukunft für das Auto?

Darüber könnte man ganze Bücher schreiben und würde trotzdem keine genaue Antwort finden. Das Auto als Produkt ist verdammt, es ist ein jahrhundertalter Teil unserer Gesellschaft. Wir schmeißen sofort unsere Handys weg, sobald eine bessere Alternative erscheint, ein schickes Auto mit einem schnittigen Gesicht und tollem Auspuff nicht. Kein anderes Produkt ist so stark mit Statusdenken verknüpft. Auch neue Riesenmärkte wie China sind nur hungrig nach konventionellen Autos. Automobildesign ist deshalb seit Jahrzehnten reines Styling. Komplett neue Konzepte sind im Moment kaum zu verkaufen. Es ist viel lukrativer, bestehenden Konzepten eine neue Haut zu verpassen und sie mit Millionenbudget als 'the brand new' zu preisen.

Und was ist mit Firmen wie dem Elektroauto-HerstellerTesla?

Das Aptera Leichtbauauto

Der kalifornische Aptera: 2009 als konsequentes Niedrigenergiefahrzeug mit einem Verbrauch von 0,78 Litern Benzin auf 100 Kilometer vorgestellt, musste die Firma bereits 2011 Insolvenz anmelden.

(Foto: Alison Cassidy / CC-by-sa-3.0)

Selbst Tesla verpackt das recht revolutionäre Model S in einer sehr ansprechenden klassischen Haut, um Käufer den Einstieg in eine Alternative zu erleichtern. Ein revolutionärerer Auftritt hingegen wie der "Aptera" (siehe Bild) scheitert schnell im Markt oder bleibt ein Nischenprodukt. Autohersteller sind keine Weltverbesserer sondern logischerweise profitorientiert. Ich glaube es bedarf jüngerer Generationen, die eine andere Einstellung zu Autos hat als wir. In Japan sehe ich einen solchen Trend. Hier gibt es die ersten Chancen, neue Wege zu gehen.

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