Interview:"Die Chinesen lernen schnell"

Matthias Wissmann, der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), über "Müsli-Auto", die wachsende Konkurrenz aus China und Indien und die CO2-Maßnahmen der deutschen Hersteller.

Sebastian Viehmann

sueddeutsche.de: Allen Umweltdiskussionen zum Trotz bleibt der Trend zu mehr PS auch bei deutschen Herstellern ungebrochen. Wie ist das zu erklären?

Interview: Ein Plakat als Programm: Der VDA will laut Wissmann eine Strategie der nachhaltigen Mobilität betreiben. Die Plattform dafür: die IAA im September.

Ein Plakat als Programm: Der VDA will laut Wissmann eine Strategie der nachhaltigen Mobilität betreiben. Die Plattform dafür: die IAA im September.

(Foto: Foto: IAA)

Matthias Wissmann: Vielleicht wird dieser Eindruck durch besonders attraktive Premiumfahrzeuge erweckt. Dennoch sprechen die Fakten dagegen: Die deutschen Hersteller haben den durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch ihrer Neufahrzeuge gegenüber 1990 um 25 Prozent gesenkt. Heute verbraucht jeder zweite Neuwagen, der in Deutschland verkauft wird, weniger als 6,5 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer. Die Zahl der sparsamen Modelle ist deutlich gewachsen.

sueddeutsche.de: Wie sind die Reaktionen der Verbraucher?

Wissmann: Besonders erfreulich ist, dass auch der Kunde diese Anstrengungen unserer Hersteller honoriert. So konnten die deutschen Marken den Absatz von Pkw, die weniger als 130 g/km CO2 emittieren, im ersten Halbjahr um 17 Prozent steigern, während die Importmarken in diesem Segment um zwei Prozent zurückgingen.

sueddeutsche.de: Findet ein Wertewandel in der Automobilindustrie statt, weg von der Leistungsorientierung?

Wissmann: Leistung und Effizienz schließen sich doch nicht aus. BMW hat dafür den Begriff "efficient dynamics" geprägt, wir als VDA sprechen von "nachhaltiger Mobilität". Schon heute holen deutsche Neuwagen 57 Prozent mehr Leistung aus der gleichen Kraftstoffmenge heraus als 1990. In allen Segmenten arbeiten unsere Hersteller daran, den Kraftstoffverbrauch und damit die CO2-Emissionen weiter zu senken. Diese Vorgabe im Lastenheft gilt also nicht nur für Kleinwagen, sondern gerade auch für Premiumprodukte im oberen und mittleren Bereich.

sueddeutsche.de: Will der VDA diesen Wertewandel in Zukunft kommunizieren? Sind spezielle Imagekampagnen geplant?

Wissmann: Die wichtigste und größte Plattform für unsere Strategie der nachhaltigen Mobilität wird die IAA im September in Frankfurt sein. Darauf richten wir unsere Kommunikation strategisch aus. Wir erwarten ein Ideenfeuerwerk an innovativen Lösungen - insbesondere bei der Kraftstoffeffizienz, aber auch bei Sicherheit und Komfort. Der IAA-Slogan "Sehen, was morgen bewegt" steht ebenfalls für eine klare Ausrichtung - wir nehmen unsere Aufgabe beim Klimaschutz ernst.

"Die Chinesen lernen schnell"

sueddeutsche.de: Zu welchen konkreten Maßnahmen seitens der Autohersteller hat die ungewohnt heftige Umweltdiskussion der letzten Monate geführt? Wurden bereits vorher getroffene Maßnahmen dadurch beschleunigt?

Interview: Autos sind schon länger seine Welt: 2005 überreicht Wissmann der designierten Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Geschenk der Frauen-Union der CDU.

Autos sind schon länger seine Welt: 2005 überreicht Wissmann der designierten Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Geschenk der Frauen-Union der CDU.

(Foto: Foto: ddp)

Wissmann: Die neuen Modelle, die jetzt auf den Markt kommen - ob BlueMotion, Ecoflex oder andere - wurden ja nicht plötzlich aus dem Hut gezaubert. Vielmehr arbeiten unsere Hersteller und Zulieferer schon lange an kraftstoffeffizienten Modellen. Die Frage, wie wir den Verbrauch und damit die CO2-Emissionen weiter senken können, steht bei allen unseren Automobilunternehmen im Mittelpunkt. Wir haben bereits viel erreicht - und wir können noch besser werden. Darüber sprechen wir intensiv mit der Politik - und mit der Öffentlichkeit.

sueddeutsche.de: Greenpeace demonstriert zurzeit gegen deutsche Autohersteller und wirft ihnen vor, "Klimaschweine" zu produzieren. Wie steht der VDA zu diesen Vorwürfen und zu dieser Art von Kampagne?

Wissmann: Die Zeit der alten ideologischen Grabenkämpfe ist doch vorbei! Ich will auch raus aus den ideologischen Kisten. Deshalb führen wir den Dialog auch mit Umweltorganisationen, egal ob Greenpeace, DUH oder BUND. Auf der IAA werde ich auf einem VDA-Forum mit Fritz Kuhn von den Grünen über Klimawandel und nachhaltige Mobilität diskutieren. Und wenn ein Unternehmen ankündigt, dass bereits im kommenden Jahr 40 Prozent all seiner Premium-Neufahrzeuge bei maximal 140 Gramm CO2 pro Kilometer liegen werden, erscheint die angesprochene Kampagne reichlich überholt zu sein. Wir setzen nicht auf Polemik, sondern auf Fakten und technologisch fortschrittliche Autos, die dynamisch und effizient zugleich sind.

sueddeutsche.de: Mit welchen Rahmenbedingungen könnte die Politik dafür sorgen, dass der Autokäufer verlässliche Entscheidungshilfen an die Hand bekommt? In welcher Form sollte nach Ansicht des VDA die Umweltbelastung eines Fahrzeugs berücksichtigt werden? Hilft zum Beispiel eine CO2-basierte Kfz-Steuer?

Wissmann: Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass vor allem die Verunsicherung der Verbraucher den Markt noch bremst. Die Bürger wollen verlässliche Rahmenbedingungen. Sie brauchen Entscheidungen der Politik: Wie und wann kommt die CO2-basierte Kfz-Steuer? Wir sind für eine solche neue Steuerbasis, da sie Anreize zur Erneuerung des Bestandes schafft - und gleichzeitig einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leistet.

sueddeutsche.de: Was gilt es zu beachten?

Wissmann: Dabei ist es notwendig, dass die CO2-basierte Kfz-Steuer nicht nur für Neufahrzeuge gilt, sondern für den gesamten Bestand. Nur dann wird ein wirksamer Hebel daraus. Dass das funktioniert, haben wir bereits in den neunziger Jahren mit der Einführung der emissionsbezogenen Kfz-Steuer bewiesen.

"Die Chinesen lernen schnell"

sueddeutsche.de: Wie wollen die Hersteller den geplanten CO2-Grenzwert von durchschnittlich 130 Gramm pro Kilometer erreichen? Wird es neben Maßnahmen wie Beimengung von Biosprit auch eine Reduzierung der Motorleistung und Veränderungen in den Fahrzeugflotten geben müssen?

Wissmann: Wir haben es sehr begrüßt, dass die Bundesregierung - und übrigens auch der Bundesumweltminister - sich für eine segmentbezogene CO2-Regelung in Brüssel eingesetzt haben. Offensichtlich ist diese Botschaft in Brüssel verstanden worden. Es wäre für die deutsche Automobilindustrie, die ja gerade im Premiumsegment weltweit führend ist, verheerend gewesen, wenn die EU an die CO2-Frage mit der Rasenmähermethode herangegangen wäre. Ein Familienvan hat nun einmal nicht denselben Kraftstoffverbrauch wie ein kleines City-Car.

Wir wissen zudem, dass der Bürger keine Müsli-Autos kaufen will, sondern dass ein Auto sexy sein muss. Fahrspaß muss mit effizienteren Motoren erreicht werden, nicht mit einer Reduktion der Leistung. Und es wird auch nicht nur ein "Öko-Auto" geben, sondern die Verbesserungen werden über die gesamte Produktpalette zu sehen sein - bei kleinen, mittleren und großen Fahrzeugen.

sueddeutsche.de: Worin sehen Sie, abgesehen von der Umweltthematik, die wichtigste Herausforderung, mit der die Automobilindustrie in den nächsten Jahren konfrontiert wird?

Wissmann: Neben der Umwelt ist die Sicherheit unser zweites großes Thema. Die Tatsache, dass die Unfallopferzahlen in den letzten Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen sind, ist ja auch auf die vermehrte Sicherheitsausstattung in den Neuwagen - vom Abstandswarnradar bis zum Bremsassistenten - zurückzuführen. Im nächsten Schritt geht es darum, dass Autos miteinander kommunizieren werden. Damit lassen sich Staus bereits im Vorfeld vermeiden. Auch die Unfallzahlen werden weiter sinken, weil der Autofahrer frühzeitig über Gefahrenstellen informiert wird.

sueddeutsche.de: Wie bereitet sich die deutsche Automobilindustrie auf die wachsende Konkurrenz aus China und Indien vor?

Wissmann: Die deutsche Automobilindustrie stellt sich dem internationalen Wettbewerb. Wir haben in Westeuropa einen Marktanteil von 47 Prozent, in den neuen EU-Ländern liegen wir bei 45 Prozent. Wir sind im ersten Halbjahr auf dem chinesischen Markt um 37 Prozent gewachsen, und wir legen auf dem schwierigen US-Markt gegen den Trend zu. Drei von vier Autos, die in Deutschland produziert werden, gehen in den Export. Wir sind also weltweit gut aufgestellt - aber wir werden deshalb keineswegs überheblich. Wir wissen, dass die Chinesen sehr schnell lernen.

Matthias Wissmann, Jahrgang 1949, war von 1993 bis 1998 Bundesminister für Verkehr und ist seit 1. Juni 2007 der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA).

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