Interboot in Friedrichshafen:Yacht-Revier

Auf der Interboot in Friedrichshafen steht das klassische Handwerk im Vordergrund - und so mancher Bootsbauer überrascht mit ungewohnten Ideen.

Tobias Opitz

Es ist wieder soweit: Draußen werden nach und nach die Masten gelegt, Boote und Stege verschwinden bis zum nächsten Frühjahr am sicheren Ufer. Tatsächlich aber hat die Wassersportsaison 2008 längst begonnen - spätestens mit der Interboot in Friedrichshafen.

Interboot

Die Runabout namens "Ipanema" kommt von der Graf-Werft aus dem bayerischen Breitenbrunn: 400 PS, bis zu 40 Knoten schnell.

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Sie zählt zwar nicht zu den allergrößten Sportbootmessen des Landes, gibt aber traditionell den Startschuss fürs nächste Jahr; und im Gegensatz zur Hanseboot in Hamburg, die vom 27. Oktober bis 4. November stattfindet, und der Boot Düsseldorf, die am 19. Januar 2008 eröffnet werden wird, lassen sich in den Messehallen am Bodensee besondere Schiffe und innovative Ideen finden, die anderswo im Trubel leicht untergehen.

Traditionelles Handwerk ist gefragt

Vor allem das traditionelle Bootshandwerk, an den Seen Bayerns, Österreichs und in der Schweiz nach wie vor besonders gepflegt, findet mit der Interboot seine Bühne - ohne von den sonst so übermächtigen Industrie-Werften verdrängt zu werden. Oft ist es nur ein Schiff auf einem kleinen Stand - wer sich aber interessiert, wird schnell von der Qualität der Arbeit und der damit verbundenen Begeisterung eingefangen.

Beispiel dafür ist neben anderen Günther Graf - der Werftchef aus dem bayerischen Breitenbrunn realisierte zusammen mit Sohn und Juniorchef Florian in jahrelanger Arbeit einen Traum. Ipanema heißt das von Konstrukteur Winfried H. Wilke gezeichnete Runabout, dem selbst Mitbewerber während der Messe ihren Respekt nicht verweigern wollten.

Kiel, Spanten und Stringer aus massiver Eiche, mit Mahagoni karweelbeplankt, die oberste Schicht aus einem Stück über die gesamte Bootslänge von 9,05 Meter; dazu eigens gefertige Beschläge, Leder und Alcantara. Bis zu 400 PS sind gut für 40 Knoten, umgerechnet rund 74 km/h. Gut 400.000 Euro kostet das Runabout - "Wir sind mit der Messe sehr zufrieden", urteilt Werftchef Graf.

Yacht-Revier

Wie schön gutes altes Handwerk sein kann, zeigt beispielsweise auch der Schweizer Bootsbaumeister Andreas Wolf mit seiner Avant 22 - einem 6,54 Meter langen und 2,24 Meter breiten offenen Segelboot, das sich an der Tradition der Catboats orientiert: kein Vorsegel, steiler Bug, gut für Starkwind und mit 60 Zentimeter Tiefgang auch für flache Gewässer geeignet.

Interboot

Bootsbauer Andreas Wolf mit seiner Avant 22 - ein 6,54 Meter langes und 2,24 Meter breites, offenes Segelboot mit wenig Tiefgang.

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Der 9,40 Meter hohe Mast aus Carbon trägt 18 Quadratmeter Segelfläche; die Großschot wird unter Deck geführt und über zwei Winschen bedient. Knapp 75.000 Euro verlangt Andreas Wolf für die Avant 22 - "ein Boot für den Connaisseur", wie er es umschreibt und im gleichen Atemzug erklärt, dass jedes Boot ein Einzelstück auf Bestellung sei.

Ungewohntes überzeugt

Kein Einzelstück, auf Anhieb wahrlich keine Augenweide und trotzdem ein Hingucker: der Seacamper 810. Sowohl in der Messehalle als auch im stark frequentierten Messehafen sorgt diese Motoryacht zunächst für ungläubige Blicke. Ein Problem, das Verkäufer Peter Grönlund kennt: "Man muss sich erstmal von dem tradierten Schiffsbild verabschieden".

Also versucht Grönlund unermüdlich, das zögernde Publikum mit Probefahrten zu überzeugen. Und das gelingt auf Anhieb: Bis zu 30 Knoten ist der Seacamper schnell, extrem manövrierfähig auf engstem Raum, auch bei rauem Wasser oder in eng gefahrenen Kurven nicht zu beeindrucken. Drinnen findet sich dank des ungewöhnlich bis zum Bug überbauten Rumpfes auf 8,45 Meter vergleichsweise viel Wohnplatz in sehr guter Verarbeitung. 118.000 Euro kostet der Seacamper 810 mit 130 PS als Gleiter.

Ganz ohne Schiff, dafür aber mit innovativen Ideen stellen sich Jochen Stecher und Michael Zupritt dem Publikum. Der gelernte Bootsbauer Stecher, 36, ist Spezialist für Kohlefasertechnik, arbeitete in der Formel 1 bei Toyota, war dann für zweieinhalb Jahre bei Ferrari in Maranello und stellt in Friedrichshafen sein junges Unternehmen Jostec vor, das hochfeste Komponenten wie Spinnakerbäume, Ruderblätter und mehr zuliefert.

Yacht-Revier

Ein paar Schritte weiter: Michael Zupritt, Chef von Mizu im schwäbischen Hilzingen. Er arbeitet an Gasantrieben für Bootsmotoren und löste - erst jüngst durch zahlreiche Patente geschützt - das Problem, wie gasbetriebene Bootsmotoren mit Seewasserkühlung auch bei niedrigen Temperaturen durch die Nutzung von Abgaswärme einwandfrei arbeiten.

Nur wenige der vielen Beispiele, die für den Charakter der diesjährigen Interboot stehen; die in den vergangenen Jahren für den Betrachter oft leicht diffuse Positionierung der Messe - irgendwo zwischen Booten, überbordenden Verkaufsständen und Massenware - ist durch das Verstärken traditionellen Handwerks und der Präsentation neuer Technikideen konkreter geworden.

Großwerften lieben's imposant

Traditionell ganz auf Verkauf getrimmt und wie auf allen Messen mit imposanten Ständen, geht es bei den Großwerften zu. Ob Bavaria, Bénéteau, die Greifswalder Hansewerft oder Jeanneau - die Großen unter den Yachtbauern klingeln laut mit Premieren. Mit der 11,87 Meter langen Océanis 40 (137.000 Euro) und der 13,70 Meter messenden Océanis 46 (203.000 Euro) zeigt Bénéteau zwei neue Fahrtenyachten; Jeanneau stellt die 13,41 Meter lange Sun Odyssey 45 DS (205.275 Euro) und die 14,74 Meter lange Sun Odyssey 49i (236.810 Euro) vor. Aus Greifswald kam die neue 320 (9,55 Meter, 72.350 Euro) an den Bodensee; und Bavaria zeigt die neue 31 Cruiser, die 9,49 Meter misst und 65.899 Euro kostet.

Bei den Motorbooten versteht sich die 11,99 Meter lange Fjord 40 open als das Flaggschiff; sie erinnert mit ihrem steilen Bug und den puristisch-klaren Linien an die in der Superyacht-Szene beliebten Schiffe aus dem Hause Wally. Tatsächlich aber kommt die 40 open aus der norwegischen Fjord-Werft, die zur Greifswalder Hanse AG gehört, und gut 400.000 Euro kostet. Deutlich zu beobachten bei den motorisierten Booten ist der stetig wachsende Trend zu den Ribs - Schlauchbooten mit festem Rumpf; hier zeigt zum Beispiel der qualitätsverliebte Conrad Pischel die R.I.B.-Line 4.7L als Weltpremiere.

Insgesamt herrscht in der Branche dank steigender Auftragszahlen Zufriedenheit, wie es das Konjunkturbarometer des Deutschen Boots-und Schiffbauer-Verbandes zeigt. Und auch die Messe Friedrichshafen selbst ist zufrieden: Bis zum Messeschluss an diesem Sonntagabend werden rund 100.000 Besucher erwartet.

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