Innovation:So sieht die Regionalbahn der Zukunft aus

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  • Mit dem Ideenzug hat die Deutsche Bahn ihre Vision des Regionalzugs der Zukunft präsentiert.
  • Er verfügt über Spielekonsolen, Fitnessgeräte und Abteile, die mehr Privatsphäre ermöglichen.
  • Damit will sich die Bahn gegen die technischen Innovationen der Autoindustrie behaupten. Vor allem autonom fahrende Autos dürften die Konkurrenzsituation verschärfen.

Von Marco Völklein, Nürnberg

Der Snack-Automat bereitet Carsten Hutzler noch Kopfzerbrechen. "Aktuell haben wir keinen Lieferanten gefunden, der sich imstande gesehen hätte, unsere Anforderungen an Rüttelfestigkeit zu erfüllen", sagt der Projektleiter. Also haben Hutzler und seine Leute zunächst einmal einen Fake-Automaten in ihren "Ideenzug" eingebaut. Und eine Brezn vom Bäcker in den Ausgabeschacht gelegt, um zu zeigen, was irgendwann vielleicht mal möglich wäre. Sofern sich ein Hersteller findet, der einen Automaten konstruiert, in dessen Inneren sich die Backwaren und Snacks trotz des ständigen Gerüttels im Waggon nicht verhaken.

"Ideenzug" - so nennt die Deutsche Bahn (DB) den Regionalzug der Zukunft. Vor zwei Jahren setzte sich Christoph Kraller, Chef der DB-Regionalzugtochter Südostbayernbahn, in Mühldorf mit einigen Mitarbeitern zusammen, um zu überlegen, wie das Reisen im Nahverkehr künftig aussehen könnte. "Die Herausforderungen bei uns sind groß", sagt Kraller.

Wenn alles klappt, dann wird von Herbst 2019 an die Autobahn A 94 von Simbach am Inn bis München durchgehend befahrbar sein. Kraller erwartet, dass dann viele Pendler, die derzeit noch mit dem Zug von Dorfen, Schwindegg oder Mühldorf in die Landeshauptstadt fahren, aufs Auto umsteigen - zumal die parallel zur A 94 verlaufende Bahntrasse in weiten Teilen eingleisig und ohne Oberleitung verläuft. Kraller also wollte wissen: "Wie können wir attraktiver werden, um neue Kunden zu gewinnen?"

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Die Frage stellen sich aber nicht nur die Leute von der Südostbayernbahn. Vor allem mit dem autonom fahrenden Auto werde man sich in Zukunft bundesweit ganz neuen Herausforderungen gegenüber sehen, sagt Jörg Sandvoß, Chef von DB Regio und damit bundesweit verantwortlich für den Nahverkehr im Bahnkonzern. Die Automobilindustrie arbeite fleißig daran, "rollende Wohnzimmer" auf die Straße zu bringen. Der klassische Vorteil der Bahn, nämlich die Reisezeit für Pendler nutzbar zu machen - beispielsweise zum Lesen oder zum Arbeiten im Zug -, werde vom autonomen Fahren zumindest kopiert, wenn nicht gar aufgelöst. Das Ziel aller Bahnbetreiber müsse es daher sein, "da nicht nur mitzuhalten, sondern sich an die Spitze zu setzen", meint Sandvoß.

Spielekonsolen und Spinningräder

In ihrem Ideenzug haben die Entwickler um Hutzler daher alle möglichen Vorstellungen gesammelt, wie das Fahren im Nahverkehrszug künftig aussehen könnte. So finden sich zum Beispiel in der ersten Klasse drehbare Ohrensessel mit großen Ausbuchtungen an der Seite auf Höhe des Kopfes; diese schotten den Fahrgast von seiner Umgebung leicht ab. Befragungen hätten gezeigt, dass den Reisenden dies wichtig sei, sagt Hutzler. Ein Stück weiter im Zug gibt es eine Glaskabine mit Schiebetür und einem bequemen Sessel, die beispielsweise Geschäftsreisende buchen könnten, um Zeit zum intensiven Arbeiten zu haben. Die Kosten für das Projekt Ideenzug belaufen sich laut Sandvoß auf eine Million Euro.

In der zweiten Klasse schlängeln sich Lounge-Möbel am Waggonrand entlang. Es gibt eine Spielecke für Kinder, Spielekonsolen für Jugendliche sowie Spinningräder, auf denen man sich fit halten kann. Auch Ideen aus der Vergangenheit finden sich im Zug der Zukunft: In den Fünfziger- und Sechzigerjahren konnten in einigen Bummelzügen die Rückenlehnen geklappt werden. So konnte man die Sitze nach der Fahrtrichtung ausrichten oder sie relativ einfach vis-à-vis anordnen.

Der Ideenzug ist kein richtiger Zug, Drehgestelle zum Beispiel fehlen, auf ein Gleis könnte er so nie fahren. Dennoch sei es wichtig, mal ein Modell im Maßstab 1:1 zu entwickeln, sagt Sandvoß. Einfach, um zu zeigen, was möglich wäre. Viele Dinge, das sagen auch die Entwickler, werden am Ende nicht kommen - allein schon, weil etwa Spinning-Bikes im Zug gegen Sicherheitsbestimmungen verstoßen dürften. Dennoch sei es wichtig, einfach mal in alle möglichen Richtungen zu denken, sagt Johann Niggl, der Chef der bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG). Am Ende würden vielleicht einige Ideen umgesetzt.

Tatsächlich bestellt (und bezahlt) die BEG die Regionalzüge und S-Bahnen im Freistaat bei der DB und ihren Konkurrenten. Sie müsste also, ebenso wie die Bestellerorganisationen in anderen Bundesländern, am Ende in den Ausschreibungen der einzelnen Netze festlegen, ob Ohrensessel oder klappbare Lehnen in künftigen Regionalzügen realisiert werden. Die DB will den Ideenzug nun in einer Halle in Oberursel bei Frankfurt parken und dort weitertüfteln.

Das drängendere Problem ist die Infrastruktur

Fahrgastvertreter sehen den Zug voller Ideen grundsätzlich positiv. Es sei gut, das Feld der Innovationen nicht nur der Autoindustrie zu überlassen, sagt Kurt Bayer vom ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD). Wolle man die Bahn weiterentwickeln, dürfe man nicht nur Technik-fixierte Ingenieure ranlassen, ergänzt Karl-Peter Naumann von Pro Bahn. Daher sei der Ansatz richtig, viele Einfälle auszuprobieren.

Drängender aber sei das Problem überfüllter Pendlerzüge, insbesondere in Ballungsräumen wie München und Nürnberg, sagt VCD-Mann Bayer. Wichtig sei daher, zusätzliche Gleis- und Bahnhofskapazitäten zu schaffen. Naumann sieht das ähnlich: Man müsse das eine tun, ohne das andere zu lassen. "Das ist wie in der Kantine", sagt er: "Es geht um Qualität und Vielfalt. Aber natürlich auch darum, dass genug Portionen da sind."

© SZ vom 09.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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